Kommunalverbändezurück

(GZ-14-2018) 
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► Präsident Dr. Jürgen Gros zu 125 Jahre Genossenschaftsverband Bayern:

 

Ein wichtiges Stück bayerischer Erfolgsgeschichte

 

Ministerpräsident Dr. Markus Söder beim Jubiläumsverbandstag

1.200 Gäste haben beim Verbandstag das 125-jährige GVB-Jubiläum gefeiert. Unter ihnen war auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der gratulierte und die Bedeutung von Genossenschaften für den Freistaat hervorhob.

Dr. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, gemeinsam mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder (v.l.).

Dr. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, gemeinsam mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder (v.l.).

„Genossenschaften spielen eine herausragende Rolle im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge“, sagte Söder bei dem Treffen der bayerischen Genossenschaftsorganisation in Unterschleißheim. Und weiter: „Genossenschaften tragen den für Bayern so wichtigen Mittelstand im Herzen und sind fest verankert in der Region. Sie leben die Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.“

Söder hob die besondere Bedeutung der Genossenschaften in den verschiedenen Branchen wie Landwirtschaft und Energie hervor. Zudem betonte er wie wichtig die Volksbanken und Raiffeisenbanken für die Mittelstandsfinanzierung sind. Er plädierte dafür, kleinere Institute vor übermäßigen bürokratischen Vorschriften zu entlasten, um die funktionierende Kreditversorgung zu sichern. Zu den umstrittenen Plänen für eine EU-Einlagensicherung bekräftigte der Ministerpräsident die Linie der Staatsregierung: „Wir waren dagegen und wir sind dagegen.“

Starker und unverzichtbarer Partner

Den GVB bezeichnete der Ministerpräsident in seiner Festrede als „starken und unverzichtbaren Partner“ für die Menschen und die bayerische Wirtschaft. Und er gratulierte zum Geburtstag: „Herzlichen Glückwunsch zum 125-jährigen Gründungsjubiläum und Danke für das, was Sie jeden Tag, an so vielen Stellen und mit so vielen Menschen tun.“

Gegründet aus Liebe zur bayerischen Heimat

Der Verbandstag stand dieses Jahr im Zeichen der Verbandsgründung im Jahr 1893 in München. Damals hatten „die Liebe zur bayerischen Heimat und die Begeisterung für die Genossenschaftsidee“ den Impuls zur Gründung des Bayerischen Landesverbands gegeben, wie Wolfgang Altmüller, Vorsitzender des Verbandsrats und ehrenamtlicher Verbandspräsident, in seiner Ansprache sagte. Aus dieser Vorläufer-Organisation ging später der GVB hervor.

Ziel der damaligen Initiatoren war ein vom Zentralverband in Neuwied unabhängiger Landesverband, der im Interesse der Ortsgenossenschaften übergeordnete Funktionen übernehmen sollte. „Seine bayerischen Dinge selbst regeln. Das war die Devise der Gründer“, fasste Altmüller zusammen. Der Satzungsauftrag, den sie dem Verband damals mitgaben, ist bis heute nahezu unverändert. Er lautete: Prüfen, Beraten, Bilden und Interessen vertreten.

Raiffeisen-Jahr 2018

Altmüller ging auch auf ein weiteres für die Genossenschaftsorganisation wesentliches Jubiläum ein: Auf das Raiffeisen-Jahr 2018 und den Genossenschaftspionier Friedrich Wilhelm Raiffeisen. „In diesem Jahr feiern wir seinen 200. Geburtstag, wir geben ihm die Ehre“, so Altmüller. Raiffeisen habe eine starke Idee als Erbe vermacht: „Seine Leitlinie ist der einfache Satz: ‚Wir helfen uns selbst.‘ Diese Aussage prägt seit Generationen jeden Menschen, der sich in Genossenschaften engagiert.“ Raiffeisen sei ein Mann der Praxis gewesen, kein Philosoph, würdigte er den Namensgeber zahlreicher genossenschaftlicher Unternehmen im Freistaat.

GVB-Präsident Gros fordert mehr Wertschätzung für kleine und mittlere Betriebe 

Heute sind die 1.260 genossenschaftlichen Unternehmen in Bayern ein unverzichtbarer Bestandteil der mittelständischen Wirtschaft. Das machte GVB-Präsident Jürgen Gros deutlich, als er gemeinsam mit Prof. Dr. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, und dem DZ-Bank-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Kirsch an einer Podiumsdiskussion teilnahm. Um weiterhin für Wachstum und Beschäftigung sorgen zu können, müssten mittelständische Betriebe wie Bayerns Genossenschaften jedoch auf stabile und verlässliche Rahmenbedingungen vertrauen können. Gros forderte deshalb insbesondere auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene mehr Wertschätzung für die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen.

Mittelstand – unverzichtbar für die bayerische Wirtschaft

„In Europa und mitunter in Berlin fehlt oftmals die Bereitschaft, den deutschen Mittelstand zu verstehen. Stattdessen werden Regeln definiert, die den Anforderungen der Firmen nicht gerecht werden“, kritisierte Gros. In Bayern genieße der Mittelstand hingegen zu Recht Verfassungsrang. Der GVB-Präsident verwies dabei auf die in Artikel 153 der bayerischen Verfassung festgeschriebene Förderwürdigkeit des Mittelstands. Er sei schließlich das „zentrale Zahnrad der bayerischen Wirtschaft“. So stellen mittelständische Unternehmen gut drei Viertel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und bilden vier von fünf Azubis aus.

Damit der Mittelstand stark bleibt, sind nach Ansicht von Gros „drei Ks“ erforderlich: „Der Mittelstand braucht Kapital, um den Geschäftsbetrieb zu finanzieren. Er braucht Kollegen – also Fachkräfte – die das Unternehmen am Laufen halten. Und er braucht Kabel, um auch in ländlichen Regionen schnelle Datenverbindungen nutzen zu können.“

Genossenschaftsähnliche Zusammenschlüsse schon im Mittelalter

Wie sehr die Genossenschaften Bayerns Geschichte mitgeprägt haben, wurde beim jüngsten Verbandstag deutlich. Auch wenn es schon im frühen Mittelalter genossenschaftsähnliche Zusammenschlüsse gab – man denke etwa an gemeinsamen Brückenbau, an Allmende in der Vieh- und Forstwirtschaft, an Handwerkerzünfte, aber auch an klösterliches Wirtschaften – so konkretisierten sich die zahlreichen Bestrebungen, die Eigenverantwortung zu stärken und Hilfe durch Selbsthilfe zu organisieren, doch erst im 19. Jahrhundert so richtig heraus.

Zuvor hatten solche Ideen immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen, zum Beispiel 1850 im bayerischen Landtag, als die Abgeordneten darüber diskutierten, ob staatliche Hilfen bei der Gründung von Associationen, wie damals angestrebte Selbsthilfe-Zusammenschlüsse genannt wurden, schädlich seien. So hielt Friedrich Benedikt Wilhelm von Hermann, Statistiker und Universitätsprofessor, jegliche Zusammenschlüsse für einen Freibrief auf Faulheit. Andererseits gab es auch damals Befürworter staatlicher Hilfe für Bauern, etwa den aus Franken stammenden Münchner Landwirtschaftsprofessor Carl Nikolaus Fraas, der vor allem staatliche Beihilfen für bäuerliche Gemeinschaftseinrichtungen wie Gemeindebacköfen, Gemeindedarren, Dreschmaschinen und sonstige kostspielige Werkzeuge befürwortete. Generell lässt sich sagen, dass Franken für Bestrebungen nach Eigenverantwortung und Selbsthilfe ein günstiger Nährboden war.

Dass es dann aber am 28. November 1893 zur Gründung des „Bayerischen Landesverbandes landwirtschaftlicher Darlehenskassenvereine e.V.“, des Vorläufers des heutigen GVB, kam, ist nicht nur der wirtschaftlichen, politischen und vor allem der gesellschaftspolitischen Entwicklung geschuldet, sondern auch einem Naturereignis außergewöhnlichen Ausmaßes, von dessen weltweiten Auswirkungen damals allerdings niemand auch nur eine Ahnung hatte. Denn am 27. August 1883 hatte sich der indonesische Vulkan Krakatau selbst in die Luft gesprengt. Die Folge waren nicht nur riesige, bis zu 40 Meter hohe Tsunamis und Schockwellen, die mehrfach um die Welt liefen und selbst im Ärmelkanal zu Pegelschwankungen führten, sondern auch eine enorme Beeinflussung des weltweiten Klimas. Riesige Aschemassen, die kilometerhoch in die Atmosphäre geschleudert wurden, wanderten mehrfach um den Globus und bewirkten ein starkes Absinken der Temperaturen und damit Missernten, weil sie die Sonneneinstrahlung blockierten. Hungersnöte waren die Folge.

Die eigenen Anliegen in Bayern selbst regeln

Bayern wäre nicht Bayern, wenn es nicht schon damals Kompetenzgerangel gegeben hätte. Der von der handwerklich-gewerblichen Tradition kommende Kursachse Hermann Schulze-Delitzsch etwa fand wenig Gefallen an den durch landwirtschaftliche Vereine gegründeten und staatlich geförderten „halboffiziellen“ Kreditvereinen. Und die von dem Westerwälder Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem zweiten „Urvater“ des Genossenschaftswesen, inspirierten Gründer des „Bayerischen Landesverbandes landwirtschaftlicher Darlehenskassenvereine“, wollten sich nicht dem schon bestehenden Zentralverband der Darlehenskassen in Neuwied angliedern bzw. unterwerfen, sondern bestanden auf Eigenständigkeit. „Die Gründer des GVB wollten ihre Anliegen in Bayern selbst regeln“, wie GVB-Verbandspräsident Gros vor der Presse in München erläuterte. „Und so ist es bis heute geblieben“.

Festschrift zum Jubiläum

Reinhard Heydenreuter, in Penzberg geborener Jurist und Historiker, inzwischen emeritierter Professor für die neuere Geschichte Bayerns, hat die sehr interessante Entwicklung des Genossenschaftswesens in Bayern, eingebettet in die jeweilige Zeitgeschichte, von den Anfängen bis in die Jetzt-Zeit in der Festschrift „125 Jahre Genossenschaftsverband Bayern – Genossenschaften machen Geschichte“ dargestellt. Die über 200 Seiten umfassende Festschrift, bestens bebildert und in zahlreiche, und kurz gefasste Kapitel gegliedert, ist höchst informativ und interessant und verständlich geschrieben. Sie ist ein wundervolles Dokument bayerischer Zeitgeschichte.

Die anspruchsvolle Chronik ist in limitierter Auflage Stück im GVB-Selbstverlag erschienen. Interessenten können sie kostenfrei online unter www.gv-bayern/chronik abrufen.

Entstehung der Bayernhymne

Eine Überraschung birgt das Kapitel „Die Entstehung der Bayernhymne“. Deren Entstehung hängt auch mit der bayerischen Genossenschaftsgeschichte zusammen. Ihr Text stammt von Michel Öchsner und ihre Meloldie von Konrad Max Kunz. Beide waren Mitglieder der heute noch bestehenden „Bürger-Sänger-Zunft“, einer geselligen Vereinigung liberal gesinnter Münchner Bürger. Dieser Bürger-Sängerzunft, in deren Mitte die Bayernhymne als politisches Manifest entstand und erstmals aufgeführt wurde, gehörten auch die Gründer der 1862 entstandenen, ersten bayerischen Genossenschaft, der heutigen Münchner Bank, an. Zu ihnen gehörten der Volkswirtschaftler Prof. Karl Friedrich Neumann und der Verleger Julius Knorr.

Verbandspräsident Gros konzidierte bei der Vorstellung der Verbandschronik, dass es nicht nur Highlights in der langen Geschichte gegeben habe. Insbesondere im so genannten Dritten Reich taten sich die Genossenschaften schwer, sich gegen ihre Vereinnahmung durch den Reichsnährstand und die Reichsarbeitsfront der Nazis zu wehren. Letztlich wurden sie eingegliedert und mussten unter der Devise „Blut und Boden“ weiterarbeiten. Für die Nazis waren das genossenschaftliche Selbstverwaltungs- und Organisationsprinzip systemwidrig, weil sie dem Führerprinzip widersprachen. Außerdem sahen sie vor allem die Produktions- und Verbrauchsgenossenschaften sozialdemokratisch unterwandert. Deshalb drängten sie auf die Gleichschaltung, die aber oft nicht zum Tragen kam, weil die Genossenschaftsbewegung in allen Bereichen der Gesellschaft tief verankert war und ein Eingriff die Wirtschaft erheblich beeinträchtig hätte.

Der Widerstand gegen Vereinnahmung und Gleichschaltung durch die Nazis verlief nicht reibungslos; er forderte Opfer. Manch einer der Widerständler ist im KZ gelandet. Insgesamt aber hat die genossenschaftliche Idee die nationalsozialistische Schreckensherrschaft und den Zweiten Weltkrieg so gut überstanden, dass die Genossen schon von 1945 an am Wiederaufbau Bayerns mitwirken konnten. Und dies, obgleich die amerikanische Besatzungsmacht dem Genossenschaftsgedanken zunächst mit Misstrauen begegnete.

DHG

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