Kommunalverbändezurück

(GZ-14-2025 - 17. Juli)
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► Jahrestagung des Bayerischen Städtetags in Würzburg:

 

Zusammen denken, zusammen handeln

Führende Vertreter der Städte und Gemeinden haben eine grundlegende Neuausrichtung im Verhältnis von Bund, Land und kommunaler Ebene gefordert. Bei der Jahresversammlung des Bayerischen Städtetags in Würzburg unter dem Motto: „Zusammen denken. Zusammen handeln. Zusammen verantworten“ kritisierten sie die zunehmende Entmachtung und finanzielle Überforderung der Kommunen. Es sei beeindruckend, wie viel dennoch erreicht worden sei – aber die Systeme seien am Limit, hob Verbandsvorsitzender Markus Pannermayr hervor.

Der Straubinger Oberbürgermeister zeichnete ein klares Bild: In einer Welt, die durch Digitalisierung, Globalisierung und Krisen permanent im Wandel sei, gerieten Städte und Gemeinden zunehmend unter Druck. Politische Entscheidungen müssten heutzutage schnell getroffen werden. Doch in diesem Tempo blieben die Kommunen oft auf der Strecke.

Regelungen über kommunale Köpfe hinweg

Insbesondere seit der Corona-Pandemie erlebten viele Kommunen, dass sie bei wichtigen Regelungen nicht mehr oder zu spät eingebunden werden, betonte der Städtetagschef. Vielfach seien über kommunale Köpfe hinweg Regelungen und Gesetze erlassen und Risiken kommunalisiert worden, ohne die Expertise der kommunalen Ebene ausreichend einzubeziehen. Pannermayr: „In den letzten Jahren ist manches in eine Schieflage gerutscht. Das sollten wir wieder korrigieren. Wer zusammen denkt und zusammen handelt, kann auch zusammen Verantwortung tragen. Dann können wir Krisen meistern und Chancen nutzen. Das Grundvertrauen in die kommunale Aufgabenerfüllung muss wieder stärker werden. Eine verlässliche Partnerschaft beruht auf Vertrauen. Herausforderungen lassen sich besser bewältigen, wenn zusammen gedacht und gehandelt wird.“

Rückbesinnung auf die Subsidiarität

Pannermayr zufolge sind Verbändeanhörungen und Beteiligungen in der Gesetzgebung kein Hemmnis, sondern eine Chance für ausgewogene Gesetzgebung und einen reibungslosen Verwaltungsablauf. Mit dem Vertrauen in die Kommunen und einer frühzeitigen Einbeziehung der Städte und Gemeinden gelinge es, das Gemeinwesen als Ganzes gut am Laufen zu halten. Vertrauen in die Kommunen stärke das Vertrauen in den handlungsfähigen Staat.

Der Vorsitzende riet zur Rückbesinnung auf die Subsidiarität, zu mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der kommunalen Ebene: „Vertrauen in die Kommunen reduziert die Komplexität von staatlichem Verwaltungshandeln. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Es muss nicht alles bis ins letzte Detail geregelt und auf die letzte Kommastelle kontrolliert sein.“

Digitalisierungsangebote ausbauen

Beim Ausbau der Digitalisierung müssten Bund und Freistaat ihre zentralen Angebote ausbauen, die Digitalisierung der Verwaltung sei stärker zu vereinheitlichen. Dabei gehe es um Tempo, aber auch um Gründlichkeit und Seriosität in der Entscheidungsfindung. Der Blick aus der Praxis schärfe das Bewusstsein für Regelungen, die sich auch umsetzen lassen. Die kommunale Expertise müsse in allen kommunalrelevanten Entscheidungen eingeholt werden. Pannermayr: „Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden sollten schon vor der Gesetzesinitiative durch das federführende Ministerium erfolgen. Hierfür gibt es sicherlich gute Beispiele. Aber wir müssen leider auch immer wieder feststellen: Bei Bund und Land erfolgt die Kommunikation mit den kommunalen Spitzenverbänden oftmals viel zu spät und viel zu kurzfristig.“

Verfassungsmäßige Stellung der Kommunen

Kommunale Belange seien im Lichte der verfassungsmäßigen Stellung der Städte und Gemeinden zu gewichten, denn Kommunen hätten eine besondere verfassungsrechtliche Stellung: „Auf die Gestaltungskraft der Städte und Gemeinden ist Verlass, Kommunen brauchen aber auch die Mittel zur Gestaltung. Die Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden muss gesichert sein, die Basis dafür ist eine auskömmliche Finanzausstattung“, so der Verbandschef.

Dauerthema Kommunalfinanzen

Zentrales Thema war auch die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden. Der stellvertretende Verbandsvorsitzende, Fürths Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung, sprach von einer „strukturellen Schieflage“, die die Handlungsfähigkeit der Kommunen gefährde. Verursacht vor allem von steigenden Sozial- und Personalkosten, war das Defizit der bayerischen Kommunen im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert von 5,3 Milliarden Euro gestiegen.

„Viele Städte wissen nicht mehr, wie sie ihre Haushalte genehmigungsfähig aufstellen sollen. Die Folgen spüren Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die regionale Wirtschaft“, warnte Jung. Trotz wachsender Aufgaben, etwa im Klimaschutz, Bildungsbereich oder sozialen Sektor, fehle es an ausreichenden Finanzmitteln. Das verfassungsrechtlich verankerte Konnexitätsprinzip werde oft umgangen, indem der Freistaat nur „faktische Pflichten“ definiere, ohne Geld zur Umsetzung bereitzustellen. Die Folge: Investitionen in Schulen, Kitas, Krankenhäuser oder Katastrophenschutz blieben aus. Jung forderte daher eine grundlegende Reform der Kommunalfinanzen: höhere Pauschalen, besser kalkulierte Fördersätze und eine zuverlässigere Finanzplanung. „Nur wenn Städte leistungsfähig sind, können sie gesellschaftliche Transformation gestalten.“

Kritik an Gesetzgebungspraxis

Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, kritisierte vor allem die Praxis der Gesetzgebung. Gesetze und Förderprogramme würden oft unter hohem Zeitdruck und ohne kommunale Beteiligung entworfen, was in der Umsetzung zu Problemen führe. „Die Dinge laufen besser, wenn Kommunen frühzeitig gehört werden. Bürokratie kann vermieden werden, wenn man die Umsetzer von Anfang an einbindet.“

Der Geschäftsführer nannte konkrete Beispiele, in denen die Kommunikation zwischen Staat und Kommunen versagt habe: Etwa beim kurzfristig beschlossenen kostenlosen Parken für E-Autos, das ohne Rücksicht auf bestehende kommunale Konzepte durchgesetzt worden sei. Oder beim Ersten Modernisierungsgesetz Baurecht, bei dem ohne vorherige Diskussion in den vorbereitenden Gesprächsrunden zentrale Elemente der kommunalen Planungshoheit aufgehoben wurden. „So entsteht keine Vereinfachung, sondern neue Bürokratie auf kommunaler Ebene“, stellte Buckenhofer fest.

„Die Städte und Gemeinden stehen direkt am Puls vieler Entwicklungen und erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben, die sie mit ihrer Sachnähe und dem nötigen Augenmaß in Angriff nehmen. Das schafft Akzeptanz und Ansehen bei den Bürgern – und dieses Vertrauen zu mehren, ist momentan von größter Wichtigkeit. Mir ist deshalb eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Freistaat sehr wichtig, dafür werde ich mich auch weiterhin aus voller Überzeugung einsetzen“, hatte Kommunalminister Joachim Herrmann beim Festabend bekräftigt.

Bereitschaft für kommunales Engagement fördern

Herrmann betonte: „Die Kommunalpolitik lebt von tatkräftigen Persönlichkeiten, die bereit sind, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen. Sie sind täglich vor Ort mit für unsere Bürgerinnen und Bürger wichtigen Themen befasst und leisten einen wesentlichen Beitrag für die künftige Entwicklung in unserem Land.“ Bei den bevorstehenden Kommunalwahlen im März 2026 würden rund 39.500 Mandatsträger gewählt, die meisten davon ehrenamtlich. Um die Bereitschaft für kommunales Engagement zu fördern, seien gute Rahmenbedingungen unerlässlich.

Schutz vor Hetze und Drohungen

„Unsere Kommunalpolitikerinnen und -politiker müssen bestmöglich vor Hetze und Drohungen geschützt werden“, forderte der Minister. Zudem seien auch eine gute finanzielle Ausstattung der Kommunen und ein Abbau von unnötiger Bürokratie erforderlich. „Es ist unerlässlich, dass viele Dinge einfacher, vernünftiger und näher am Menschen konzipieren werden, denn Bürgerfreundlichkeit ist eines der Grundprinzipien moderner Verwaltung“, unterstrich Herrmann. Mit der Kommunalrechtsnovelle 2023 sei bereits ein wichtiger Schritt unternommen worden, um den Einstieg in die Kommunalpolitik zu erleichtern: „Im Hinblick auf den hohen Stellenwert einer Erziehungs- und Pflegetätigkeit haben wir auch die Möglichkeit geschaffen, mandatsbedingte Betreuungskosten zu erstatten. Die Vereinbarkeit von Familie und ehrenamtlichem Mandat wird dadurch spürbar verbessert, damit mehr Menschen die Möglichkeit haben, aktiv und engagiert in der Kommunalpolitik mitzuwirken.“

Die kommunale Selbstverwaltung lebt vom Dialog und der Mitwirkung. Dies wurde mit Impulsen von Prof. Dr. Ursula Münch (Akademie für Politische Bildung Tutzing), Staatskanzleichef Dr. Florian Herrmann und Städtetagschef Markus Pannermayr vertieft. In ihrem Vortrag zur Rolle der Städte im föderalen Gefüge verwies Prof. Münch darauf, dass die Bundesrepublik nicht nur eine Demokratie, sondern ein „demokratischer Verfassungsstaat“ sei – ein System, das Macht bewusst begrenzt, Bürgerrechte schützt und auf Teilhabe setzt. Die kommunale Selbstverwaltung sei ein konstitutives Element dieses Systems, besonders stark verankert in der Bayerischen Verfassung und Gemeindeordnung.

Demokratie konkret leben

Münch betonte, dass ein demokratischer Staat auf die freiwillige Zustimmung seiner Bürgerinnen und Bürger angewiesen sei – nicht durch Zwang, sondern durch Beteiligung und Leistungsfähigkeit. Gerade die Kommunen seien der Ort, an dem Demokratie konkret erfahrbar werde. Beteiligung auf lokaler Ebene könne zwar konfliktreich und langsam sein, trage aber wesentlich zur Identifikation mit Staat und Gesellschaft bei.

Steigende Erwartungen der Bürger, befeuert durch Wohlstand und Parteienwettbewerb, stießen aktuell auf ein System, das unter Druck steht. Krisen, Überforderung und politische Segmentierung schwächten die staatliche Handlungsfähigkeit und förderten populistische Kräfte. Um das Vertrauen zurückzugewinnen, brauche es eine klare Priorisierung der Politik, realistische Erwartungen der Bürger und eine intensive Zusammenarbeit der politischen Ebenen.

Die Politikwissenschaftlerin würdigte den Bayerischen Städtetag nicht nur als Interessenvertretung, sondern vor allem als „integrierenden Komplexitätsreduzierer“. Die kommunalen Spitzenverbände leisteten eine einzigartige Aggregation kommunaler Expertise – eine Dienstleistung, die Politik und Verwaltung entlaste und bereichere. Dafür sei aber notwendig, dass die Staatsregierung sie nicht nur anhört, sondern mit ausreichender Zeit, Rückkopplung und Vertrauen ernsthaft einbindet.

Zuvor hatte bereits Würzburgs neues Stadtoberhaupt Martin Heilig die Rolle des Städtetags als Plattform für Austausch und kommunalen Schulterschluss gewürdigt. Er forderte mehr Spielräume statt kleinteiliger Regelungsvorgaben – etwa bei der Verpackungssteuer oder der Stellplatzsatzung. Ziel sei ein zukunftsfähiger Staat, der auf stabile, handlungsfähige Städte baut.

Zudem sprach sich Heilig gegen populistische Spaltungstendenzen aus: „Populismus sucht Schuldige – wir suchen Lösungen.“ Städte seien das Rückgrat der Demokratie. Gerade auf kommunaler Ebene entscheide sich, ob Vielfalt als Stärke wahrgenommen werde, ob das Miteinander gelingt und ob Menschen Vertrauen in Institutionen behalten. Deshalb brauche es heute über Partei- und Stadtgrenzen hinweg mehr denn je eine klare Haltung.

Johann Kronauer wird neuer Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags

Zum neuen Geschäftsführenden Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags hat die Vollversammlung des Verbandes in Würzburg Johann Kronauer gewählt. Er tritt am 1. März 2026 die Nachfolge von Bernd Buckenhofer an, der am 28. Februar 2026 mit Erreichen der Altersgrenze für Beamte in den Ruhestand treten wird.

Kronauer ist seit April 2012 Finanzreferent beim Bayerischen Städtetag. Der heute 51-jährige Verwaltungs- und Finanzfachmann war vor dem Wechsel zum Städtetag über 20 Jahre in der Kommunalverwaltung tätig. In dieser Zeit sammelte er Praxiswissen aus allen Fachbereichen. Ein bedeutender Schritt in seiner beruflichen Laufbahn war der Wechsel zur Großen Kreisstadt Fürstenfeldbruck im April 2009 als Stadtkämmerer, wo er auch die Arbeit des Bayerischen Städtetags kennen und schätzen lernte.

DK

 

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