(GZ-21-2022) |
► Bündnis bezahlbarer Wohnraum: |
Empfehlungen zügig umsetzen |
Nur sechs Monate nach Gründung des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum haben sich in Berlin unter der Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesbauministerin Klara Geywitz 35 Akteure aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik auf ein gemeinsames Paket mit 187 konkreten Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive geeinigt. Ziel ist es, in Deutschland 400.000 Wohnungen, davon 100.000 sozial geförderte pro Jahr, zu bauen.
400.000 neue Wohnungen wollen Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeskanzler Olaf Scholz jährlich errichten. Jetzt stellten sie ihr Maßnahmenpaket vor. Bild: Henning Schacht
Bis 2026 stehen für den sozialen Wohnungsbau 14,5 Milliarden Euro staatliches Fördergeld bereit. Die bedarfsgerechte Kofinanzierung und der Mittelabruf durch die Länder wurden unter dem Dach des Bündnisses verankert. Anfang 2023 wird der Bund die Neubauförderung neu ausrichten und ein Wohneigentumsprogramm auflegen. Zudem wird ab 1.7.2023 die lineare AfA für die Abschreibung von Wohngebäuden von zwei auf drei Prozent erhöht.
Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, eine neue Wohngemeinnützigkeit, verbunden mit einer steuerlichen Förderung und Investitionszulagen, anzugehen. Auch wurde vereinbart, dass das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) die Mittel für die Städtebauförderung dauerhaft absichert.
Innovativer werden sollen Projekt- und Planungsprozesse. Ziel ist die „digitale Rathaustür“. Elektronisch erstellte Anträge müssen von überall aus bei den zuständigen Stellen eingereicht werden können. Daher wird es bundesweit möglich sein, einen digitalen Bauantrag zu stellen, heißt es. Gleichzeitig sollen Innovationsklauseln in den Landesbauordnungen und Regeln, etwa für eine Genehmigungsfreiheit von Dachgeschossausbauten, erarbeitet werden.
Auch eine Standardisierung von digitalen Anwendungen beim Building Information Modeling (BIM) ist aus Sicht des Bündnisses zwingend erforderlich. Bauprozesse sollen unter anderem durch eine zeitlich befristete Erhöhung der vergaberechtlichen Wertgrenzen für Wohnzwecke, freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb beschleunigt werden.
Damit serielles und modulares Bauen in größerem Umfang angewendet wird, sollen bereits einmal erteilte Typengenehmigungen bundesweit gelten. Entsprechende Regelungen sind in den Landesbauordnungen zu verankern. Die Technologien werden mit Hilfe einer Geschäftsstelle im Bundesbauministerium und einem runden Tisch „Serielles Bauen“, Best-Practice-Beispielen und einer Begleitforschung vorangetrieben.
Kommunale und regionale Bodenfonds
Damit Städte und Gemeinden strategisch Boden bevorraten können, ist die Errichtung kommunaler und regionaler Bodenfonds geplant. Digitale Potenzial- und Brachflächenkataster sollen zeigen, wo Bauland vorhanden ist. Bei Bedarf sind Wohnungsbaukoordinatoren als zentrale Ansprechpartner vor Ort zu etablieren, um Prozesse zu bündeln und Investitionen voranzutreiben. Eine Geschäftsstelle zur Folgekostenabschätzung in Normungsprozessen soll Baukosten begrenzen.
Weniger CO2
Stärker in den Fokus rücken soll die Reduktion von Treibhausgasemissionen beim Bauen und Wohnen. Ziel ist es, über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes weniger CO2 auszustoßen und weniger Ressourcen, Flächen und Energie zu verbrauchen. Beim Neubau werden die Anforderungen im Ordnungsrecht (GEG) weiterentwickelt. Zudem bringt der Bund Anfang 2023 das Förderprogramm „Klimafreundliches Bauen“ auf den Weg, das sich stärker am Lebenszyklus von Gebäuden ausrichtet. Um die Wiederverwendung und das Recycling von Baustoffen planen zu können, wird der digitale Gebäuderessourcenpass eingeführt.
„Angesichts eines Neubaubedarfs von mindestens 350.000 Wohnungen pro Jahr müssen die Rahmenbedingungen für die Baulandmobilisierung, für zügige Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie für einen nachhaltigen, klimagerechten und flächenschonenden Wohnungsbau weiter verbessert werden. Angesichts einer weiter abnehmenden Anzahl öffentlich geförderter Wohnungen – jährlich fallen mindestens 60.000 Wohnungen aus der sozialen Bindung – ist insbesondere die vom Bund gesetzte Zielmarke von 100.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr grundsätzlich richtig“, kommentierte der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Massiv steigende Baukosten, Materialengpässe sowie Fachkräftemangel führten allerdings dazu, dass die gesteckten Ziele derzeit nur schwer zu erreichen sein werden. Umso wichtiger sei es, dass die beeinflussbaren Faktoren beim Thema Wohnungsbau zügig verbessert werden. „Hierbei gilt: Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“
Bei der Schaffung von Wohnraum müsse der in Deutschland bestehende Leerstand, gerade in ländlichen Regionen, berücksichtigt werden, betont der DStGB. Neben der Ankurbelung des Neubaus müssten daher auch die Nachverdichtung, der Um- und Aufbau von Bestandsimmobilien sowie die Umnutzung von Leerständen verstärkt in den Blick genommen werden. „Für all diese Bereiche gilt: Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen weiter vereinfacht und beschleunigt und digitale Verfahren verstärkt ermöglicht werden.“
Um die gesteckten Ziele zu erreichen, bedürfe es einer soliden Finanzierung und damit Wohnungsbauförderung durch Bund und Länder. Die Mittel für die soziale Wohnraumförderung sollten langfristig auf mindestens 5 Milliarden Euro jährlich aufgestockt werden.
„Wir müssen realistisch bleiben: Baustoffe sind teuer, das Personal knapp, nicht überall können wir auf das vorhandene Bauland zugreifen, wie es nötig wäre. Aus Sicht der Kommunen muss bundesweit stärker auf Investitionen in den vorhandenen Wohnungsbestand gesetzt werden. Das geht schneller und wirkt nachhaltiger, als ausschließlich auf Neubauten zu setzen“, erklärte Prof. Dr. Eckart Würzner, erster Stellvertreter des Städtetagspräsidenten.
„Wir wollen“, so Würzner, „den Wohnungsbestand fit für die Zukunft machen, vorhandene Gebäude aufstocken und ungenutzte Flächen bebauen. Das bringt Umweltschutz und Klimaanpassung besser mit dem Flächenverbrauch in Einklang als ein Neubau auf der grünen Wiese. Außerdem muss das Umwidmen und Sanieren vorhandener Immobilien, etwa ehemaliger Kaufhäuser, auch für Wohnzwecke rechtlich einfacher möglich werden.“
Wohnen für alle
Vor allem beim Bauland gebe es noch ungenutztes Potenzial. Die Kommunen benötigten mehr Möglichkeiten, um den Wohnungsmarkt stärker auf das Gemeinwohl – Wohnen für alle – auszurichten. „Städte und Gemeinden brauchen Vorkaufsrechte für Grundstücke im gesamten Ortsgebiet. Flächen und Gebäude in zentralen Lagen dürfen nicht mehr brachliegen, um damit zu spekulieren. Auch das Thema Bodenfonds muss auf die Agenda. Grundstücke der öffentlichen Hand sollten in erster Linie für Vorhaben genutzt werden, die dem Gemeinwohl dienen, etwa für preiswerte Wohnungen, Kitas oder Schulen.“
Vor Ort strebt der Deutsche Städtetag lokale Bündnisse für bezahlbaren Wohnraum an. Im Zusammenwirken mit der kommunalen Wohnungswirtschaft, der freien Wohnungswirtschaft und privaten Eigentümern könnten gute Lösungen für mehr günstigen Wohnraum entstehen. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum habe dafür Wege aufgezeigt, die nun von allen auch beschritten werden müssten.
Nach Auffassung von Landrat Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistags, ist eine Strategie zur Aktivierung des Leerstands durch die Steigerung der Attraktivität von strukturschwachen Gebieten erforderlich. „Maßnahmen sind eine verbesserte verkehrliche Anbindung, eine ausreichende Breitbandversorgung sowie Kinderbetreuung. Auch die Erarbeitung eines Konzepts für den verstärkten Eigentumserwerb im Bestand ist ein richtiger Schritt.“
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sei nicht nur Aufgabe der großen Städte, sondern der gesamten kommunalen Ebene: „Die Wohnungsprobleme bestehen nicht nur in Ballungsräumen. Sie werden sich nicht in den Städten allein lösen lassen, sondern es bedarf einer Einbeziehung der Landkreise und Gemeinden.“ Des Weiteren müsse man den Zielkonflikt zwischen der Bezahlbarkeit des Bauens und den steigenden energetischen Anforderungen in den Griff bekommen, unterstrich der DLT-Präsident.
DK
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