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(GZ-8-2022)
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Kreative Wege der Rechtsetzung

Die seit neuestem kreativen Wege der Rechtsetzung und dazu noch deren Verkündigungspraxis zu nachtschlafender Zeit irritieren den sich seiner Freiheitsrechte bewussten Rathauskater.

In Bayern ist es ja schon seit geraumer Zeit möglich: Gesetze werden durch das Einstellen in das elektronische Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht, Verwaltungsvorschriften im Bayerischen Ministerialblatt. Jetzt ist es auch bald im Bund soweit: Das elektronische Bundesgesetzblatt kommt ab 2023 und wird, so das stolze Bundesjustizministerium, künftig Tonnen an Papier einsparen, auf das bisher das Bundesgesetzblatt ganz analog gedruckt wurde. Wow.

Aber die Fortschrittskoalition, als die die Ampel angetreten ist, lässt es nicht dabei bewenden. Es werden weitere, innovative Wege der Rechtssetzung beschritten. Verwaltungsanordnungen werden neuerdings in Talkshows verkündet – so Gesundheitsminister Lauterbach bei Markus Lanz – oder – ebenso Lauterbach – via Twitter im Zeitfenster zwischen 2 und 3 Uhr morgens. Bedenklich daran ist zwar, dass Menschen mit Einschlafproblemen bzw. nächtlichem Harndrang dann immer einen Informationsvorsprung haben, aber das muss hingenommen werden.

Gut, der erste Testlauf der künftigen Verkündungswege hat nicht optimal geklappt, aber das lag wohl auch am Inhalt. Ursprünglich hatten die Gesundheitsminister des Bundes und der Länder vereinbart, die rechtliche Einordnung der Isolation von mit COVID-19 infizierten Menschen an die tatsächliche Praxis anzugleichen. Die sieht ja so aus, dass eine fünf-, sieben- oder zehntägige (trotz aufmerksamer Zeitungslektüre ist es mir nicht gelungen herauszufinden, welcher Zeitraum gerade für welche Personengruppe gilt) Pflicht zur häuslichen Isolation zwar ausgesprochen und regelmäßig nach Ende des Zeitraums auch durch die Zustellung eines entsprechenden Verwaltungsbescheides mit Strafandrohung bekräftigt, aber de facto nicht kontrolliert wird. Wer sollte dies auch tun.

Mangels Kontrolle ist also eine solche Isolation in Wahrheit eine freiwillige Isolation, derer sich die vernünftigen, einsichtigen und verantwortungsbewussten Menschen unterziehen. Niemand weiß, wie viele Infizierte sich trotz behördlicher Anordnung mangels Kontrolle nicht daran halten und spazieren ge-hen, einkaufen oder ihrer Arbeit nachkommen. Schließlich steht es den Leuten ja nicht auf die Stirn geschrieben, dass sie infiziert sind. Diese Praxis der eigentlich freiwilligen Isolation sollte also zur Rechtslage erhoben werden, womit im Übrigen Tonnen von Papier gespart werden können (ein guter Mensch, der für mich immer Katzenleckerlis im Schrank hat, erhielt bei seiner Infektion einen zehnseitigen Brief!).

Aber weil dies nach der Freiwilligkeit des Maskentragens im Supermarkt und der Freiwilligkeit des Hustens in die Armbeuge schon die dritte Freiwilligkeit innerhalb weniger Tage bedeutet hätte, war das Erschrecken bei denjenigen groß, die der festen Überzeugung sind, dass man Deutsche strenger an die Kandare nehmen muss als Briten, Franzosen oder Skandinavier. Deutschland ohne Gebote, Verbote oder Anordnungen? Undenkbar!

Und weil die Zumutung der individuellen Freiheit und Verantwortung so zur unmittelbaren Todesgefahr für (ja für wen denn?) wurde, musste das Ganze schnell via ZDF und Kurznachrichtendienst eingefangen werden.

Ups, war ich jetzt zu libertär? Das kommt wohl daher, dass ich als freiheitsliebende und unabhängige Katze es auf den Tod nicht ausstehen kann, wenn Vorschriften erlassen werden oder an ihnen festgehalten wird, obwohl man sie nicht (mehr) braucht und/oder nicht kontrollieren kann.

Ich hab mal bei zwei großen Verfechtern von Freiheit der Nachkriegszeit nachgelesen, was sie uns heute vielleicht sagen würden. Zum einen beim Liberalen Karl-Hermann Flach: „Freiheit bedeutet für uns nicht Disziplinlosigkeit, sondern Pflicht“, zum anderen bei einem der Väter unseres Gesellschaftsmodells, Ludwig Erhard: „Freiheit ohne Ordnung treibt nur zu leicht ins Chaotische und Ordnung ohne Freiheit überantwortet uns dem Zwang“. Was uns nicht widerfahren darf, ist, dass die Prophezeiung von Albert Camus eintrifft: „Der Wille zur Freiheit wurde durch den Willen zur Herrschaft ersetzt.“

Ihr Pino

Pino

 

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