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(GZ-10-2022)
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Nur noch mit Spott und Fatalismus zu verstehen

„Die stärkste Kraft reicht nicht an die Energie heran, mit der manch einer seine Schwächen verteidigt“, meint der Rathauskater. Gemeinsam mit Karl Kraus echauffiert er sich fürchterlich über gestiegene Energiekosten und den dilettantischen Umgang mit unseren Ressourcen.

Man muss ja generell immer sorgfältig zwischen Grund und Anlass unterscheiden. Anlass für die exorbitant steigenden Energiepreise sind sicherlich der Putin-Überfall auf die Ukraine und die ins absurd-
paranoide gesteigerte No-Covid-Politik der Chinesen, die alle globalen Lieferketten durcheinanderwirbelt.

Aber der Grund liegt ja tiefer. Einer der Ursachen liegt sicherlich darin, dass die fossilen Energieträger als endliches Gut auch dem ganz normalen Gesetz der Knappheit unterliegen und deshalb im Preis steigen, je abhängiger man von ihnen ist. Und warum ist man abhängig? Weil man alle Alternativen ausgeschaltet hat, mittelfristig ausschalten will oder nicht etablieren kann.

Beispiel Strom: Wir haben beschlossen, funktionsfähige Kernkraftwerke abzuschalten und gleichzeitig keinen Strom mehr aus Kohle beziehen zu wollen. Alternative Energie blockieren wir so gut es geht. Die notwendigen Stromleitungen, um Strom aus Windkraft von der Küste nach Süddeutschland zu lenken, werden voraussichtlich erst gebaut werden können, wenn der letzte energieintensive Betrieb in Bayern und Baden-Württemberg insolvent ist oder seine Produktion nach Schles-wig-Holstein verlegt hat, weil die Genehmigungsverfahren unflexibel sind, lange dauern und jedem Querulanten quasi ein Vetorecht geben. Für mein Erstaunen über den ignoranten Berliner Umgang mit unserer heimischen CO2-freien, grundlastfähigen und Tag und Nacht gleichermaßen verfügbaren Wasserkraft finde ich gar keine Worte mehr.

Was wir im Süden noch relativ auskömmlich haben ist Sonne, aber die Nutzung der Sonnenenergie wird den Bürgern und Betrieben schwer versauert. Die Errichtung einer Solaranlage auf einem Privathaus lohnt nicht mehr, wenn man den Strom ins öffentliche Netz einspeisen will. Es geht grad so, wenn man den Strom für eigene Zwecke nutzen kann, wenngleich die Zeit der wirtschaftlichen Amortisation immer länger wird. Aber jeder wird schreiend davonlaufen, wenn er, weil er eine große Dachfläche hat, mehr Strom produziert als gebraucht wird und etwa einem Mieter oder Nachbarn davon etwas zugutekommen lassen will. Regulierungsalarm! Damit wird er zum Stromversorger mit allen Pflichten und Berichtsnotwendigkeiten an die Bundesnetzagentur und weiß der Teufel noch an wen. Das tut sich doch kein Privatmann an und deshalb werden viele mögliche Flächen zur Solarstromgewinnung nicht genutzt.

Dafür wird die Energie immer teurer, vor allem wegen der CO2-Abgabe. Was sich so harmlos anhört, ist nichts anderes als ein dreister Griff ins Portemonnaie der Menschen, die schlicht ihr Grundrecht auf eine warme Stube und Mobilität wahrnehmen wollen. Motto: Wir vergällen den Menschen das Heizen und das Autofahren.

Das würde bei den gegenwärtigen Preisen für Gas, Heizöl und Benzin ja prima funktionieren. Wer kann es sich schon noch leisten? Aber plötzlich erkennt die Bundesregierung, dass es vielleicht etwas hart ist, normalen Bürgern Preissteigerungen im höheren zweistelligen Prozentbereich zuzumuten.

Was tun? Ein Entlastungspaket muss her, mit dem das Geld, das man durch die CO2-Abgabe aus der rechten Tasche gezogen hat, wieder in die linke gestopft werden kann. 300 Euro Steuerbonus für alle Erwerbstätigen hilft gerade zehn Monate, wenn man pro Monat 30 Euro mehr für Energie abdrücken muss. Und dann das 9-Euro-ÖPNV-Ticket, die Wohlfühlsalbe für die Großstädter in der Urlaubszeit. Von Juni bis August kann man, sofern man saisontypisch nicht verreist, für monatlich neun Euro kreuz und quer im ÖPNV fahren. Schön für Schwabing und den Glockenbach, weniger attraktiv für Bürger in einer ländlichen Region, wenn der Bus im Stundentakt und nicht vor sieben in der Früh und nicht nach acht Uhr abends verkehrt. Kennen Sie das Lied Subcity von Tracy Chapman? Die bringt auf den Punkt, was das für den ländlichen Raum bedeutet: „My honest regards for disregarding me“.

Das Agieren der Verantwortlichen in Berlin kann man wohl nur mit Spott und Fatalismus hinnehmen. Wie wäre es mit Karl Kraus: „Die stärkste Kraft reicht nicht an die Energie heran, mit der manch einer seine Schwächen verteidigt.“

Ihr Pino

Pino

 

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