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(GZ-14-2023 - 20. Juli)
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Der Katzenjammer mit dem Eigenheim

Für unseren Rathauskater Pino ist das Einfamilienhaus die Burg des Mittelstandes, die ursprünglichste Wohnform überhaupt. Für ihn hat das mit Bürgerlichkeit zu tun, mit Stolz auf das mit Arbeit geschaffene Eigentum und mit einer freiheitlichen Gesellschaft, die Privatheit und Individualität dem Kollektivismus vorzieht.

Erst kam die Euphorie, dann der Kater (also der sprichwörtliche, nicht einer meiner Artgenossen). Ich spreche von Immobilien. Lange Zeit sah es ja so aus, als könne man bei Immobilien nur eines falsch machen: Den Trend verpassen. Die Baukredite wurden einem geradezu nachgeworfen und schienen wegen der nur knapp über der Wahrnehmbarkeitsgrenze im positiven liegenden Zinsen selbst bei langer Zinsbindung für jeden erschwinglich. Die Preise für Neubauimmobilien lieferten sich einen atemberaubenden Wettlauf mit denen der Bauten im Bestand – natürlich nach oben. Wer heute nicht zugreift, so hieß es noch bis vor kurzem unisono, zahlt im nächsten Jahr einen satten Aufpreis.

Vorbei. Binnen kürzester Zeit gingen die Bauzinsen unvermittelt so steil nach oben wie der Aktienwert der Wohnungsunternehmen bergab. Denn durch Probleme in den Lieferketten für Baumaterialien und den Fachkräftemangel wurde das Bauen oder Renovieren nicht billiger – im Gegenteil.

Mittlerweile sieht es schwer nach Normalisierung aus. Die Zinsen für Immobilienkredite oszillieren je nach Laufzeit und allgemeiner kurzfristiger Zinsentwicklung zwischen 3 und 4 Prozent. Abartig hoch im Vergleich zu den Discount-Zinsen von vor eineinhalb Jahren, aber durchaus moderat bis niedrig im längerfristigen Vergleich. Gleichzeitig sinken in den meisten Gegenden die Quadratmeterpreise für Häuser und Wohnungen, besonders für die, die eine eher alte Heizungsanlage haben oder deren Fenster und Fassaden eher früher als später fit für die kommenden Anforderungen an klimagerechtes Wohnen gemacht werden müssen.

Kassandra hat in Deutschland ja immer Konjunktur und so rufen in dieser Situation manche das Ende der Träume jüngerer Menschen auf Wohneigentum aus. Besonnenere Stimmen, insbesondere aus der Wissenschaft, rechnen allerdings vor, dass der Erwerb von Wohneigentum bei den derzeitigen Zinsen und dem gegenwärtigen Preisniveau im Schnitt günstiger ist als etwa 1983. Vor allem spricht für den Immobilienerwerb der ungebremste Anstieg der Mieten, denn im Mieterland Deutschland haben auch in den vergangenen Jahren viel zu viele Leute den Absprung zum eigenen Heim nicht gewagt.

Aber welches Haus bauen? Das klassische Traumhaus der Deutschen wird ja derzeit regelrecht verteufelt. Das normale Einfamilienhaus mit Garten ist das Materie gewordene Objekt des Kulturkampfes gegen jede Form von Individualismus. Mancherorts wie in Hamburg, Wiesbaden oder Münster werden konkrete Überlegungen angestellt oder gar verwirklicht, den Bau von Einfamilienhäusern generell oder in einzelnen Stadtteilen nicht mehr zu erlauben. Zu teuer und zu ineffizient wird diese Wohnform genannt, Energieverluste durch vier Außenwände beklagt und natürlich rechnen gerade die Askesegurus der verschiedensten Natur- und Ökolobbyistengruppen den Deutschen beckmesserisch vor, pro Kopf jedes Jahr mehr Wohnraum für sich zu beanspruchen – statistisch wohl gemerkt, denn tatsächlich müssen sich gerade junge Familien mit Kindern ja immer mehr einschränken. Aber Neid geht halt immer noch vor Argument.

Für mich ist das Einfamilienhaus, die Burg des Mittelstandes, die ursprünglichste Wohnform überhaupt. Ein Haus, dass nur man selbst und eigene Familie nutzt, um das man herumgehen kann und man weder Wände noch das Grundstück mit anderen teilen muss. Wie das Bauernhaus oder die Hütte im Wald, aus der sich diese Wohnform entwickelt hat. Ja, das hat alles mit Bürgerlichkeit zu tun, mit Stolz auf das mit Arbeit geschaffene Eigentum und mit einer freiheitlichen Gesellschaft, die Privatheit und Individualität dem Kollektivismus vorzieht.

Gott sei Dank regiert in unserer kleinen Stadt sowohl im Bürgermeisterzimmer als auch in der Stadtratsmehrheit noch Vernunft und Maß. Natürlich werden Neubaugebiete und Einheimischenmodelle auch für den Eigenheimbau zur Verfügung gestellt. Viele Bauherrn legen noch in guter Tradition selbst Hand beim Bau oder in der Nachbarschaftshilfe an. Mancher kann wegen der Kosten nicht mehr so groß bauen, wie er wollte, aber da tröstet Goethe: „Wo die Herzen weit sind, ist auch das Haus nicht zu eng“.

Ihr Pino

Pino

 

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