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(GZ-21-2023 - 9. November)
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Autorität – eine notwendige Tugend

Was ist in unserem Land los? Was ist auf unseren Straßen los? Was spielt sich in manchen Köpfen ab? Solche und ähnliche Gedanken plagen mich in all den Tagen seit dem 7. Oktober 2023.

Vor gut einem Monat wurde die Welt Zeuge von etwas, was in einer aufgeklärten, zivilisierten und durch die Untaten des 20. Jahrhunderts geläuterten Welt nie hätte passieren dürfen. Fanatisierte Terroristen haben im Süden Israels Jagd auf Menschen gemacht, um sie zu töten, zu verstümmeln, zu verletzten oder zu entführen. Die Täter machten keinen Unterschied zwischen Mann oder Frau, Kind oder Greis, Soldat oder Zivilistin. Das Verbindende der Opfer: Sie waren Jüdinnen und Juden. Nur deshalb wurde ihnen das angetan, aus keinem anderen Grund. Ob man es nun mit der Shoa vergleicht oder – vielleicht historisch zutreffender – mit den Pogromen, denen Juden im zaristischen Russland vor dem Ersten Weltkrieg ausgesetzt waren: Niemand hätte gedacht, dass sich so etwas im 21. Jahrhundert abspielen könnte.

Unsere Reaktionen waren zunächst entsprechend angemessen. Nach einer Schockstarre über das Unbegreifliche haben wir uns mit Israel und den bei uns lebenden Jüdinnen und Juden durch Kundgebungen, Mahnwachen oder das Hissen der Flagge mit dem Davidstern solidarisiert. Etwas hilflos vielleicht, aber hilflos waren wir nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo („je suis Charlie“), den Attentaten in Belgien und dem Überfall auf die Ukraine auch. Man kann nur Anteilnahme, Schock und Ratlosigkeit zeigen.

Aber dann kamen ganz andere Meldungen und Bilder. In Berlin haben junge Leute Süßigkeiten auf der Straße verteilt, um das Pogrom und die bestialischen Täter zu feiern. Wenn zu Pro-Israel-Kundgebungen hunderte Menschen kommen, so kommen zur Unterstützung der Terrorgruppe Hamas doppelt und dreifach so viele Leute. In Essen zog eine Marschkolonne, streng getrennt zwischen Männern und Frauen, durch die Stadt und forderte ein mittelalterliches Kalifat in Deutschland und zeigten ungestraft und ungehindert von der Polizei das Erkennungszeichen der Terrorgruppe Islamischer Staat.

Importierter Islamismus und Antisemitismus. Ja, aber auch Fridays for Future ist plötzlich der Kampf gegen Israel wichtiger als die Klimarettung. Linke Aktivisten, Antirassisten und Antikolonialisten, die gestern noch für die Entfernung des Heiligen Mauritius aus dem Stadtwappen von Coburg eingetreten sind und jeden cancelten, der sich nicht einer diskriminierungsfreien gendergerechten Sprache bediente, trompeten heute laut ihr „Free Palestine“ in die Welt hinaus oder, weil‘s immer noch ein wenig ekelhafter geht, ein „Free Palestine from German Guilt“.

Und wir stehen fassungslos vor alldem. Mag sein, dass auch noch der braune Schoß fruchtbar ist, aus dem schon einmal Unheil kroch, aber was wir jetzt an Tabubrüchen erleben, ist links und migrantisch. Die Reaktionen? Hilflos. Die Phrasendreschmaschinen im Bundespräsidialamt und sonst in Berlin rattern auf Hochtouren, Unterstützervereine von Terroristen werden verboten, es wird aber versäumt, Beweise zu sichern und Gelder zu beschlagnahmen, und ein Bundesminister, der fachlich nichts auf die Kette bekommt, wird für ein Statement in social media gerühmt, in dem er die Worte vom Teleprompter abliest, die eigentlich der Kanzler oder der Präsident hätten sagen sollen.

Die große jüdische Philosophin Hannah Arendt hat uns den Satz hinterlassen: „Autorität ist eine für die Demokratie notwenige Tugend. Sie ist mehr als ein Ratschlag und weniger als ein Befehl.“ An solcher Autorität mangelt es augenscheinlich in Deutschland, wenn in den letzten vier Wochen in so erschreckender Weise eine Täter-Opfer-Umkehr ins Werk gesetzt werden konnte.

Wohnhäuser von Juden werden mit Davidsternen gekennzeichnet, Shoa-Gedenkstätten mit dem Hakenkreuz besudelt, israelische Flaggen von Rathäusern gerissen und geschändet – wohin wird das noch alles führen?

Ihr Pino

Pino

 

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