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(GZ-8-2025 - 10. April)
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Von Brücken- bis Trumpzoll: Eine Abrechnung

Unser Rathauskater Pino findet Zölle mächtig spannend. Im Neuen Testament ist der Zöllner noch der Bösewicht – doch im echten Leben haben Zölle ganze Städte groß gemacht (sorry, Oberföhring). Unser Kater hat sich durch die Wirtschaftsgeschichte geschnurrt und fragt sich jetzt, ob man nicht lieber Briefkastenfirmen auf Mayotte gründen sollte.

Er kommt im Neuen Testament nicht allzu gut weg, der Zöllner. Als Sünder wird er dargestellt, auf einer Stufe mit Räubern und Dieben. Kein Wunder, trieben sie doch für die Römer die Steuern ein und zogen ihren Mitbürgern das Geld aus der Tasche.

Nicht von ungefähr ist Zoll die archaischste Form der Generierung von Mitteln für die Obrigkeit. Man hat eine Ware, diese hat einen Wert und einen Teil des Wertes zwackt man für den Landesherrn ab, wenn eine Grenze überschritten, eine Brücke benutzt oder ein Tor passiert wurde. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit waren die Territorien äußerst erfinderisch mit allen möglichen Zöllen. Aufstieg und Fall von Herrschaften hing mit der Möglichkeit zusammen, Zölle einzunehmen. Berühmtes Beispiel in Bayern ist der Übergang des Brückenzolls über die Isar von Oberföhring (Bischof von Freising) nach München (Heinrich der Löwe). Heute ist Oberföhring ein Stadtteil von München. Mehr braucht man über die Bedeutung von Zöllen wohl nicht zu sagen.

Nicht von ungefähr gilt eine Idee von Friedrich List als Wendepunkt in der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Er war ein Vorkämpfer des im Jahr 1834 geschaffenen Deutschen Zollvereins, der auf vertraglicher Grundlage die Zollgrenzen zwischen den meisten Staaten des Deutschen Bundes beseitigte und damit die Grundlage für einen bis dato nie gekannten wirtschaftlichen Aufstieg und die politische Einigung Deutschlands legte.

Die gleiche Idee, nämlich die Schaffung von Wohlstand durch die Abschaffung von gegenseitigen Zöllen, liegt der EU zugrunde. Freier Handel, freier Austausch von Dienstleistungen – das ist und bleibt ein Schlüssel für Wohlstand.

Nun wäre es natürlich vermessen zu glauben, Donald Trump oder seine Crew würden sich mit etwas so komplexen und drögen wie der europäischen oder gar deutschen Wirtschaftsgeschichte befassen. Beide wurden nicht fürs Fernsehen verfilmt und auch Netflix hat sich des Stoffes noch nicht angenommen.

Und auch bei der Lektüre des, nach seiner eigenen Aussage, Lieblingsbuchs von Donald Trump, der Bibel, ist der amerikanische Präsident noch nicht sehr weit gekommen. Bei der Geschichte mit dem Zöllner im Neuen Testament war er noch nicht. Stattdessen bleibt er immer an der Sache mit dem Auge um Auge im Alten Testament hängen. Da stellt er immer einen Zusammenhang her mit dem amerikanischen Handelsdefizit und will diejenigen Staaten bestrafen, die so attraktive Produkte herstellen, dass sie Amerikaner gern zu vernünftigen Preisen kaufen. Durch Zölle will er fremde Waren so teuer machen, dass die US-Konsumenten davon die Finger lassen. Interessanterweise schielt er nur auf Waren, nicht auf Dienstleistungen der großen Digitalunternehmen, denn da sind die USA klar gegenüber ihren Handelspartnern im Vorteil.

Als alttestamentarische Rächergestalt des Freihandels hat er sich jetzt reziproke Zölle ausgedacht. Jedes Land wird mit einem eigenen Zollsatz überzogen, den sich das Milchmännchen im Weißen Haus eigenwillig ausgedacht hat. Je nach Gefährlichkeit des Warenangebots aus diesem Land. Jedes Land? Nein, Russland und Belarus werden nicht erwähnt. Das mag damit zu tun haben, dass diese keine große Rolle im Welthandel spielen, anders als die unbewohnten Heard- und McDonald-Inseln, das kalte Spitzbergen und Jan Mayen (von letzterer Insel habe ich vorher noch nie gehört) und den britischen Besitzungen im Indischen Ozean, die nur einen amerikanischen Militärstützpunkt beherbergen. Die Europäische Union muss 20 Prozent Zoll zahlen, die armen Bewohner der Insel La Reunion aber 37 Prozent, während für Mayotte, Guadeloupe und Martinique nur 10 Prozent fällig werden. Die letzten vier genannten Gebiete gehören allerdings auch zum Zollgebiet der EU. Lohnen sich jetzt Briefkastenfirmen auf Mayotte, um von dort den Export in die USA zu organisieren?

Wenn man über all das nachdenkt, kommt einen Stanislaw Lec in den Sinn: „Gedanken sind zollfrei, wenn sie Grenzen nicht überschreiten.“

Ihr Pino

Pino

 

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