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(GZ-17-2023 - 14. September)
Karl Philipp Ehrler, Erster Bürgermeister Markt Stammbach
 

Karl Philipp Ehrler

Erster Bürgermeister Markt Stammbach

Welche Kommune und wie viele Einwohner vertreten Sie?

Markt Stammbach hat ca. 2.500 Einwohner, sieben Feuerwehren verteilt auf 35 Quadratkilometer Fläche und entsprechend viel Infrastruktur.

 

Wann haben Sie Ihr Amt angetreten und sind Sie hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig?

Seit 1996 bin ich hauptamtlicher Erster Bürgermeister. Der Arbeitsaufwand ist vergleichbar mit einem mittelständischen Unternehmen, das geht meiner Meinung nach nicht ehrenamtlich.

 

Welchem Beruf sind Sie vor Ihrem Amtsantritt nachgegangen bzw. üben Sie diesen nach wie vor aus?

Ich war Beamter im gehobenen Dienst beim Freistaat Bayern im Bereich Justiz/Strafvollzug.

 

Was war Ihr persönlicher Anreiz in die Kommunalpolitik zu gehen?

Seit 300 Jahren ist meine Familie hier am Ort ansässig. Mein Anreiz ist meine Heimat weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu machen, damit auch künftige Enkelkinder gern hier leben und eine gute Zukunft haben werden. Das war mein Anreiz und ist es immer noch.

 

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Durch eine hervorragende Ausbildung beim Freistaat in den Bereichen Psychologie, Betriebswirtschaft und Recht. Das sind Kernkompetenzen, die man für das Bürgermeisteramt draufhaben sollte.

 

Wo lagen bei Ihrem Amtsantritt die Herausforderungen?

Stammbach liegt im ehemaligen Zonenrandgebiet. Seit der Gebietsreform haben wir beständig Bevölkerung verloren. Ohne die Grenzlandförderung hätten wir nicht überlebt. 1996 war die kleine Boomphase nach der Deutschen Einheit vorbei. Wir waren wirtschaftlich und demographisch in einer schwierigen Situation. Schritt eins war die Konsolidierung der Finanzen und die Neuaufstellung der Verwaltung. Als Kommune hat man hier nicht viele Möglichkeiten, daher mussten wir in der Verwaltung extrem sparen und die Personalkosten reduzieren. Das erfordert kommunalpolitischen Mut, denn damit macht man sich auch nicht unbedingt Freunde.

Die zweite große Herausforderung war jedes Haus in den Ortsteilen an das Kanalnetz anzuschließen, die Infrastruktur zu ertüchtigen und die Schule zu sanieren. Diese Sanierung bildet auch die Grundlage für unser Selbstverständnis als Familienparadies. Einen Vorteil, den wir haben, ist unsere günstige Lage zwischen drei Mittelzentren und an der Autobahn. Indem wir für Bauplätze und gute sowie mehr als ausreichend Betreuungsangebote (sowohl für die junge als auch die ältere Generation) gesorgt haben, ist es uns gelungen den Bevölkerungsschwund umzudrehen. Damit zieht auch die Kaufkraft wieder an.

 

Welche Themen beschäftigen Sie momentan?

Wir bauen das Familienparadies weiter aus. Dass sich die Hochschullandschaft und das Arbeitsangebot in unserer Region verbessert, kommt uns sehr entgegen, denn die Leute bleiben da. Jetzt kümmern wir uns um die Innenentwicklung und haben mit großer Bürgerbeteiligung ein ISEK (Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept) aufgestellt. An dieser Stelle geht ein extrem großes Lob an die Staatsregierung für die Förderoffensive Nordostbayern. Unsere städtebaulichen Probleme hätten wir aus unserem normalen Budget nicht lösen können. Das Ausweisen von städtebaulichen Sanierungsgebieten und den damit verbundenen steuerlichen Vorteilen für die Eigentümer ist der Turbolader für die innerörtliche Aufwertung.

 

Womit werden Sie sich noch auseinandersetzen müssen/wollen?

Es geht mit voller Kraft um die Innenentwicklung. Wenn ich einen Bauplatz ausweise, dann sind die ersten Folgefragen, wie es mit dem Breitbandanschluss und der Kinderbetreuung aussieht. Hier haben wir beste Voraussetzungen geschaffen. Jeder in Stammbach hat einen Breitbandzugang und bald jedes Haus Glasfaser. Bei mir hat sich in der Pandemie niemand über eine schlechte Internetverbindung beklagt. 

Aber es wird zunehmend schwieriger die Dörfer lebensfähig zu halten. Die Bundesregierung hat massiv Mittel für die ländliche Entwicklung gestrichen. Wenn der Bundeshaushalt so beschlossen wird, bedeutet das einen Förderstopp von zahlreichen Projekten. Hier müssen wir politisch tätig werden!

Im Bereich Erneuerbare Energien ist Stammbach gut aufgestellt. Unsere Bürger-Energie ProRegion eG hat inzwischen über 400 Mitglieder und zahlt 10 Prozent Dividende.

 

Haben Sie einen wichtigen Ratschlag für junge Kolleginnen und Kollegen?

Seid mutig und habt keine Angst. Das Ziel ist nicht verwalten, sondern gestalten. Am Anfang einer Legislaturperiode sind Analysen und Coachings gemeinsam mit dem Gemeinderat sinnvoll.

 

Wie beziehen Sie Kolleginnen und Kollegen / Bürgerinnen und Bürger / Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihre Arbeit und in Ihre Entscheidungsfindung ein?

Einfach planen und dann bauen geht nicht mehr. Bürgerbeteiligung ist extrem wichtig. Um unser ISEK mit maximaler Bürgerbeteiligung zu starten haben wir mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern Workshops veranstaltet und in der Pandemie in Arbeitskreisen online gearbeitet. Wir haben auch begehbare Modelle in der Turnhalle aufgebaut, denn nicht alle können sich Pläne räumlich vorstellen. 

Im Rathaus arbeiten wir fortlaufend an der Optimierung unserer Prozesse. Meiner Meinung nach ist das der Schlüssel für eine gelingende Digitalisierung. Außerdem sorgen wir für angenehme Begegnungsräume und ein gutes Arbeitsumfeld, inkl. Homeofficemöglichkeiten. Die Öffnungszeiten im Rathaus haben wir angepasst, damit auch ohne Unterbrechungen an Projekten gearbeitet werden kann.

 

Wieviel Einfluss wird die Digitalisierung auf die künftige Kommunalpolitik haben?

Die Digitale Akte wird vieles einfacher machen, das Arbeiten mit ihr braucht aber – neben der adäquaten Hardware – andere Prozesse und ein gut gesteuertes Projektmanagement. An der Umsetzung des Online-Zugang-Gesetzes (OZG) arbeiten wir weiterhin. 

Was uns tatsächlich immense Schwierigkeiten macht ist, dass wir erstickt werden in immer neuen Vorschriften und Förderungen und für alles brauchen wir mehr Personal. Ich habe damals mit Personaleinsparungen angefangen und muss jetzt ständig neues Personal einstellen, das geht so nicht weiter.

 

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie begleitet?

Ich bin Optimist! Das Glas ist immer mehr als halbvoll. Pessimisten gibt’s genug.

 

Wie wollen Sie in Erinnerung bleiben?

Das müssen andere entscheiden. Ich versuche das Beste für Stammbach zu erreichen.

 

Foto © Karl Philipp Ehrler

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