Als „positive Entwicklung für die kleinen und mittleren Kreditinstitute“ hat Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), die Verabschiedung eines Großteils des Bankenpakets durch die EU-Finanzminister bezeichnet. Erstmals werden dort konkrete Ansätze für mehr Proportionalität und administrative Entlastungen von kleinen, wenig komplexen Instituten festgeschrieben. Regeln, die für große und international tätige Banken entwickelt wurden, werden dann zukünftig nicht mehr eins zu eins auf kleine und mittlere Institute übertragen, dem Grundsatz der Proportionalität wird mehr Geltung verschafft.
„Passgenauere Regelungen je nach Größe der Kreditinstitute sind ein wertvoller Beitrag zum Erhalt von leistungsfähigen Bankenmärkten. Von den Vorschlägen werden auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken profitieren können. Damit wird auch für spätere Regulierungen ein wichtiger Grundsatz vorgegeben“, unterstrich der Präsident. Mit der „Small and Simple Banking Box“ hatten Sparkassen und Genossenschaftsbanken vor drei Jahren die Diskussion um eine angemessenere Regulierung begonnen. Schleweis: „Unser Dank gilt allen Akteuren auf EU-Ebene und in Deutschland, die dieses Vorhaben unterstützt haben.“
Die EU-Gesetzgeber haben sich auf einen Bilanz-Schwellenwert von 5 Milliarden Euro geeinigt. Rund 85 Prozent der Sparkassen dürften von dieser neuen Definition „kleiner, nicht komplexer“ Institute profitieren. Sie können mit überschaubaren Offenlegungspflichten und reduzierten Meldeanforderungen rechnen, die dem niedrigeren Risiko ihres Geschäftsmodells Rechnung tragen.
Risiko und Haftung gehören zusammen
In ihrer Sitzung haben die EU-Finanzminister auch den aktuellen Stand zur Risikoreduzierung in den Bankbilanzen zur Kenntnis genommen. Der DSGV hält dazu fest, dass angesichts der nach wie vor hohen Bestände an notleidenden Krediten und den von Land zu Land stark divergierenden NPL-Quoten keine übereilten Schritte bei der Vergemeinschaftung von Bankrisiken in Europa erfolgen dürfen. Schleweis: „Risiko und Haftung müssen auch in Zukunft zusammen gehören.“
Drohende Brexit-Sackgasse
„Erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit substanzielle Belastungen der gesamten europäischen Wirtschaft und insbesondere der Wirtschaft im Vereinigten Königreich“ befürchtet Schleweis im Falle eines Brexit ohne ein gültiges Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU zum 29. März 2019. Alle Beteiligten sollten aus seiner Sicht nochmals innehalten und über letzte Auswege aus der drohenden Sackgasse nachdenken.
Schleweis bezeichnete die britischen Grundüberlegungen nach einer Neujustierung der Kompetenzen im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als verständlich. „Den Wunsch nach mehr Subsidiarität teilen viele in Europa. Die Konsequenz eines Austritts aus der EU ist aber falsch, und der jetzt vorgezeichnete Weg einer chaotischen Trennung ist nicht vertretbar.“
Der DSGV-Präsident plädierte deshalb dafür, notfalls über ein Moratorium Großbritannien die Zeit zur Neujustierung ihrer Position zu geben und die Tür zur EU offenzuhalten. Gleichzeitig rief der DSGV-Präsident die deutschen Unternehmen auf, sich in ihrer Geschäftsplanung auch auf die Möglichkeit eines ungeregelten Brexit einzustellen. Bei den Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe seien umfangreiche Vorbereitungen hierzu bereits abgeschlossen. So hätten beispielsweise die Landesbanken bereits die Rechtsformen ihrer Töchter in London angepasst.
Dennoch verblieben Risiken für Unternehmen der Realwirtschaft und aus dem Finanzsektor. Deshalb könne aktuell auch nicht ausgeschlossen werden, dass es kurzfristig zu Beeinträchtigungen in den Lieferketten und Dienstleistungsbeziehungen kommt, betonte Schleweis.
Standhafte EZB
Als „richtige Entscheidung“ wertete er zudem die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), ihr Anleiheportfolio nicht mehr auszuweiten. Die EZB habe sich trotz aller Unsicherheiten rund um den Brexit, die italienische Finanzpolitik, die Proteste in Frankreich und die Aktienmarktturbulenzen nicht von dieser Weichenstellung abbringen lassen. „Das begrüßen wir“, konstatierte der DSGV-Präsident.
Zwar sind die Aussichten für Preise und Wachstum im Euroraum gemessen an den neuen Prognosen der EZB ein wenig verhaltener. Doch seien sie nicht so schlecht, als dass sie der ersten vorsichtigen Normalisierung der weiterhin sehr expansiven Geldpolitik im Wege gestanden hätten.
Dass das Anleiheportfolio auch brutto abgeschmolzen wird, sei angesichts der anhaltenden Gemengelage nicht so bald zu erwarten. Schleweis sprach sich jedoch dafür aus, im Laufe des Jahres 2019 an den Leitzins heranzugehen, damit die sowohl für Sparer als auch für Kreditinstitute belastende Negativzinswelt überwunden werden könne.
Digitalisierung
Stichwort Digitalisierung: Laut einer repräsentativen Umfrage, die der Deutsche Sparkassen- und Giroverband bei tausend mittelständischen Unternehmen Ende 2018 durchgeführt hat, gehen mehr als zwei Drittel aller Unternehmen in Deutschland davon aus, dass die Digitalisierung ein Erfolgsfaktor ist, der an Bedeutung zunimmt. Dabei teilen sich die Mittelständler in drei etwa gleich große Gruppen auf:
37 Prozent der Befragten sehen einen großen Einfluss der Digitalisierung auf Produkte, Services und das eigene Geschäftsmodell; weitere 32 Prozent gehen davon aus, dass die Digitalisierung in bestimmten Bereichen Auswirkungen hat. Ein knappes Drittel sieht keine wesentlichen Auswirkungen der Digitalisierung auf ihr Unternehmen.
„Die Unternehmen in Deutschland sollten die Möglichkeiten digitaler Services für ihre Unternehmen sehr genau prüfen und sich weiter fit für die Zukunft machen“, urteilte Helmut Schleweis. Dies sei auch angesichts eines sich aktuell eher abflachenden Wirtschaftsaufschwungs wichtig.
Wesentlich für die Entwicklung des Mittelstands seien aber auch die digitalen Rahmenbedingungen. „Beispielsweise ist ein zügiger Ausbau des 5G-Netzes bundesweit und eben nicht nur in ausgewählten Regionen Deutschlands von enormer Bedeutung. Hier muss die Politik schnell Entscheidungen treffen“, so der DSGV-Präsident. Schnelle und moderne Datenbahnen seien im weltweiten Vergleich wesentliche Erfolgsfaktoren für mittelständische Unternehmen.
Sorgen bereitet den Unternehmen auch die weiter völlig unklare Situation rund um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Ein Großteil der mittelständischen Unternehmen in Deutschland würde eine längere Übergangsphase begrüßen. Das gaben 43 Prozent der mittelständischen Unternehmen an. „Die Unternehmen sind aufgefordert, sich auf alle Szenarien, also insbesondere auch auf einen ungeregelten Brexit mit allen seinen Auswirkungen, einzustellen“, erklärte Schleweis.
Dies sei besonders wichtig, da sich Ende 2018 die Mehrheit der Befragten – 53 Prozent – noch keinen Überblick über die Auswirkungen für das eigene Unternehmen verschafft hatte. 29 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, sich „ein wenig“ damit beschäftigt zu haben; erst gut 14 Prozent hatten sich bereits „intensiv“ mit den Auswirkungen des Brexit auseinandergesetzt. Vor diesem Hintergrund, so der Präsident, sei es für Unternehmen höchste Zeit, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
DK
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