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(GZ-10-2024 - 16. Mai)
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► 26. Internationaler bvse-Altpapiertag:

 

Turbulente Zeiten in der Recyclingbranche

 

Zwei große Themenkomplexe bestimmten die diesjährige Tagung des bvse-Fachverbandes Papierrecycling, zu der bvse-Vizepräsident und Fachverbandsvorsitzender Werner Steingaß die internationale Altpapierbranche nach Berlin einlud. Die Zukunft der Recyclingfähigkeit faserbasierter Verpackungen stand ebenso im Vordergrund wie die Suche nach konstruktiven und tragfähigen Lösungen, die auch in Zukunft die Versicherbarkeit der von hohem Brandrisiko betroffenen Branchenunternehmen gewährleisten. Ein begleitendes Ausstellerforum rundete die Veranstaltung ab.

Vor rund 500 Teilnehmern sprach Steingaß von einer Achterbahnfahrt der Herausforderungen, die die Altpapierrecyclingbranche in Deutschland seit den turbulenten Ereignissen der Pandemie und des Ukraine-Konflikts erlebe. Das Herunterfahren verschiedener Wirtschaftsbereiche während der Pandemie habe zu einem Rückgang der Altpapiermengen in der Bundesrepublik geführt, während gleichzeitig die Nachfrage im Verpackungsbereich gestiegen sei. Die Folge: ein drastischer Preisanstieg, der bis Mitte 2022 anhielt und die Branche vor nie dagewesene Herausforderungen stellte.

Die Folgen des Ukraine-Konflikts hätten die Situation zusätzlich verschärft: Extrem gestiegene Energiepreise erhöhten die Produktionskosten für energieintensive Papierfabriken, während ein plötzlicher Einbruch der Nachfrage im Verpackungsbereich aufgrund des Konsumentenrückgangs zu existenziellen Bedrohungen für die Industrie führte. Dies zwang Papierfabriken zu Abstellmaßnahmen und Preiskorrekturen. Laut Steingaß ist die Schmerzgrenze langsam erreicht, weshalb die Politik dringend gegensteuern müsse. Aus seiner Sicht „ist es unbestreitbar, dass die Politik, obwohl sie einige wenige Punkte regeln konnte, insbesondere wirtschaftlich vor großen Herausforderungen steht. Es scheint, dass die Regierung hier vollkommen überfordert ist.“

Bürokratische Hürden

Den Mittelstand als tragende Säule der Wirtschaft sieht Steingaß zunehmend mit bürokratischen Hürden konfrontiert, die das eigentliche Geschäft erschweren. Neue Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, Auflagen, Verbote und langwierige Genehmigungsverfahren belasteten die Unternehmen. Gleichzeitig kämpften sie mit gestiegenen Frachtkosten aufgrund erhöhter Mautsätze, die je nach Fahrzeug teilweise verdoppelt wurden. Dies schwäche die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf internationaler Ebene.

„Wir müssen unsere Risiken minimieren und den Gürtel enger schnallen. Die schwierigen Zeiten sind noch nicht vorüber, und wir müssen uns darauf vorbereiten“, unterstrich der Fachverbandsvorsitzende. In diesem Kontext wird die kürzlich von der Europäischen Union verabschiedete Abfallverbringungsverordnung als weiterer Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung der Altpapierbranche bewertet. „Obwohl dank unserer intensiven Lobbyarbeit, insbesondere über unseren Dachverband EuRIC, nicht alle unsere Befürchtungen eingetreten sind, wird die neue EU-Abfallverbringungsverordnung den Export von Altpapier in Länder außerhalb der Europäischen Union erheblich erschweren“, kritisierte Steingaß.

Extreme Preisverfälle verhindern

Laut seinen Ausführungen wird gemäß der neuen EU-Verordnung ab Mai 2027 Altpapier nur noch in OECD-Staaten exportiert werden können, wenn der Empfänger alle zwei Jahre ein Audit einer unabhängigen Stelle vorweisen kann. „Wir sind uns alle bewusst, dass in Europa mehr als sieben Millionen Tonnen Altpapier keinen Bedarf finden. Wir sind auf den Export in Übersee angewiesen, um extreme Preisverfälle zu verhindern, die bis hin zu Kosten für die Entsorgung führen könnten“, erklärte der bsve-Vize. Für Nicht-OECD-Staaten seien die Hürden noch höher. Um den Export zu ermöglichen, müsse der Nicht-OECD-Staat zunächst auf die Liste der EU gelangen, die es ihm erlaubt, Abfälle aus der EU zu importieren. Voraussetzung hierfür sei ein Abfallbewirtschaftungsplan des Nicht-OECD-Staates, der Informationen über das Abfallaufkommen, die Behandlungskapazitäten und die umweltverträgliche Entsorgung enthält. Nach Überprüfung durch die EU-Kommission und Aufnahme in die Liste müssten auch hier alle zwei Jahre unabhängige Audits bei den konkreten Empfängern stattfinden.

„Diese umfangreichen Anforderungen bergen die Gefahr, dass wichtige Absatzmärkte für hochwertiges Altpapier ernsthaft gestört werden und sich die Importeure anderen Ländern zuwenden, in denen solche Hürden nicht existieren“, warnte der Fachverbandsvorsitzende eindringlich. Eine positive Aussicht bestehe darin, dass die neue Abfallverbringungsverordnung keine detaillierten Vorgaben für die Inhalte der Audits im Empfängerstaat enthält. Die EU-Kommission werde eine Expertengruppe beauftragen, um dies zu klären.

Trotz der vorherrschenden Unsicherheiten besteht Steingaß zufolge die Hoffnung, dass die Altpapierrecyclingbranche ihre Resilienz unter Beweis stellen und sich langfristig erholen wird. Es sei jedoch unerlässlich, dass sowohl die Politik als auch die Industrie gemeinsam Lösungen finden, um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen.

DK

 

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