Interviews & Gesprächezurück

(GZ-24-2015)
Interview mit GVB-Vorstand Dr. Jürgen Gros
 
► Dr. Jürgen GrosGVB-Vorstand:
 
Veto gegen Enteignung deutscher Banken

Europäische Einlagensicherung schafft keinen Nutzen, verursacht aber viel Schaden

GZ: Herr Gros, die EU-Kommission will ein europäisches Einlagensicherungssystem aufbauen. Was bedeutet das für die Kunden der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken?

Dr. Gros: Das bedeutet, dass sie sich darauf einstellen müssen, dass ihre Hausbank künftig für andere Banken in Europa mithaftet. Das heißt, wenn Banken irgendwo in Europa riskante Geschäfte tätigen und dabei in Schieflage geraten, dann müssen deutsche Institute mit dafür geradestehen, dass diese Banken ihre Kunden im Pleitefall entschädigen können. Für die Volksbanken und Raiffeisenbanken bedeutet das zum Beispiel, dass sie Gelder, die sie zum Schutz ihrer Kunden ansparen, künftig in eine europäische Einlagensicherung integrieren müssen.

GZ: Das klingt nach Enteignung ...

Dr. Gros: Das ist in der Tat so. Bislang entscheiden die Volksbanken und Raiffeisenbanken gemeinsam darüber, wie die angesparten Gelder verwendet werden. Zum Beispiel für ein Frühwarnsystem, das uns hilft, Risiken in der genossenschaftlichen Gruppe frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Das macht ja auch Stabilität und Erfolg unseres Systems aus. Sein Wert liegt darin, dass wir den Entschädigungsfall durch Vorsorge erst gar nicht entstehen lassen wollen. Wenn uns die EU-Kommission aber die Mittel dazu nehmen will, dann ist das zum Nachteil der Sparer.

GZ: Die EU-Kommission betont, mit einem europäischen System seien die Einleger viel besser geschützt als mit einem nationalen Sicherungssystem.

Dr. GrosDas Gegenteil ist richtig. Die europäische Einlagensicherung schafft keinen Nutzen, sondern schwächt die in Deutschland bestehenden Einlagensicherungssysteme. Europa ist nach wie vor sehr heterogen. Eine europäische Einlagensicherung macht allenfalls Sinn, wenn in allen EU-Staaten die gleichen rechtlichen, wirtschaftlichen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen für Banken gelten. Davon ist die EU aber noch weit entfernt. Insofern ist nicht nachvollziehbar, warum eine deutsche Bank für die Kunden zum Beispiel einer zypriotischen Bank mithaften soll.

GZ: Warum eigentlich nicht?

Dr. Gros: Dazu will ich Ihnen gerne ein Beispiel nennen. Während der Anteil notleidender Kredite am gesamten Kreditbestand in Deutschland bei 1,8 Prozent liegt, sind es in Zypern 44,4 Prozent. Dort ist also fast jeder zweite Kredit ausfallgefährdet. Das ist ein immenses Bilanzrisiko und macht die Banken ziemlich instabil. Eine gemeinsame Einlagensicherung würde dann dazu führen, dass über kurz oder lang auch stabile Banken für Verluste aus den Problemkrediten unsolider Banken haften müssten. Das käme einem ordnungspolitischen Sündenfall gleich.

GZ: Weil die Gemeinschaft für risikoreiche Geschäfte Dritter eintreten müsste?

Dr. Gros: Ja. Denn bei einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme müssen im Schadensfall alle Banken haften, nicht allein der Dr. . Damit wird ein zentrales Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt: das Prinzip der Eigenverantwortung. Geht bei einem riskanten Geschäftsmodell alles gut, profitiert einer. Klappt es nicht, muss die Gemeinschaft einstehen. In der Praxis wären das vor allem die deutschen Banken, die den europäischen Sicherungstopf zu einem Drittel füllen sollen. Sie haften damit vor allem für die südeuropäischen Staaten mit.

GZ: Inwiefern?

Dr. Gros: Viele vor allem südeuropäische Banken halten umfangreiche Bestände von Staatsanleihen ihrer zum Teil hoch verschuldeten Heimatländer. Bei einem Zahlungsausfall drohen diesen Instituten drastische Abschreibungen. Die europäische Einlagensicherung müsste einspringen. Damit würden die Risiken aus den nationalen Staatshaushalten gesamteuropäisch vergemeinschaftet. Somit würde ein Mechanismus in Gang gesetzt, der dem der sogenannten Eurobonds entspricht. Die hat die Bundesregierung bislang aus gutem Grund abgelehnt.

GZ: Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Vorschläge der Kommission für eine europäische Einlagensicherung abgewehrt werden können?

Dr. Gros: Wir haben ein hartes Stück Arbeit vor uns. Es gilt jetzt, der EU-Kommission bei diesem Vorhaben Paroli zu bieten. Das ist auch meine Erwartungshaltung an die Bundesregierung. Sie muss bei ihrem Veto bleiben. Gut, dass sie dabei auf die Mehrheit im Bundestag und die Unterstützung der Bayerischen Staatsregierung bauen kann. Der Wert unserer Sicherungssysteme in Deutschland ist anerkannt von nationaler Politik, Bundesbank und Wissenschaft. Es wird Zeit, dass auch Herr Juncker und seine Beamten das respektieren.

GZ: Herr Dr. Gros, vielen Dank für das Interview.

RED

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