Interviews & Gesprächezurück

(GZ-12-2021)
GZ-Interview mit Prof. Dr. Martin Grambow, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft und Bodenschutz im STMUV und Vorsitzender der LAWA sowie Dr. Wolf Merkel, hauptamtlicher Vorstand für das Ressort Wasser des DVGW
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► GZ-Interview mit Prof. Dr. Martin Grambow, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft und Bodenschutz im STMUV und Vorsitzender der LAWA sowie Dr. Wolf Merkel, hauptamtlicher Vorstand für das Ressort Wasser des DVGW:

 

Ist Wasser das neue Gold?

2018 war das wärmste Jahr seit 1881. Wir erinnern uns an Bilder von Spaziergängern im Rheinbett. Die Durchschnittstemperatur hierzulande lag bei 10,5 Grad Celsius, vergleichbar mit dem Klima in Ungarn. Die eigentliche Durchschnittstemperatur für unsere Breiten liegt bei 8,5 Grad Celsius. Der Klimawandel verändert auch Bayern und somit rückt das Ziel einer auch künftig gesicherten Wasserversorgung in den Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund konfrontierte GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel ihre Interviewpartner Prof. Dr. Martin Grambow (STMUV) und Dr. Wolf Merkel (DVGW) mit der Frage „Ist Wasser das neue Gold?“

V.l. Dr. Wolf Merkel und Prof. Dr. Martin Grambow
V.l. Dr. Wolf Merkel und Prof. Dr. Martin Grambow

 

GZ: War 2018 ein echter Stresstest für die Wasserversorgung?

Merkel: Bereits seit vielen Jahren gibt es Anzeichen, dass sich ausgedehnte Hitze- und Dürrephasen, wie sie 2018 auftraten, häufen werden. 2018 ist die Wasserversorgung zumindest in den Sommermonaten an gewisse Grenzen gestoßen. Geringe Grundwasser-Neubildungsraten und niedrigere Füllstände der Talsperren führten auf der Ressourcenseite punktuell und regional zu angespannten Situationen. In Summe war die Wasserversorgung in Deutschland aber zu jeder Zeit gesichert.

GZ: Wie reagierten die Wasserversorger darauf?

Merkel: Um genauer darüber Kenntnis zu erlangen, haben wir im selben Jahr eine Umfrage bei über 200 Wasserversorgungsunternehmen durchgeführt. Obwohl der Spitzenbedarf enorm stieg, hat die Wasserversorgung in fast allen Kommunen hierzulande den Stresstest bestanden. Etwa ein Drittel der Unternehmen sprach allerdings von einer hohen Anspannung bei den verfügbaren Wassermengen und Aufbereitungskapazitäten. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass in Zukunft erhöhte Anstrengungen erforderlich sind, wenn die klimatischen Entwicklungen so weitergehen. Aktuell werten wir eine weitere dazu Umfrage aus.

GZ: Herr Professor Grambow, wie bewerten Sie 2018? Verträgt die Wasserversorgung eine Wiederholung dieses Jahres?

Grambow: Fakt ist: Derzeit liegen wir schlechter als die pessimale Klimamodell-Prognose. Seit dem Jahr 2000 etwa beobachten wir ein signifikantes Absinken des Grundwasserspiegels sowohl im Quartär als auch zum Teil bereits in den tiefen Grundwässern. Hier ist ein kritischer Punkt erreicht, weil Grundwasserspeicher zum Teil Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte brauchen, um sich wieder zu füllen. Vermutlich hat dieser Prozess bereits vor geraumer Zeit begonnen, aber es dauert eben, bis dies statistisch signifikant festgestellt werden kann. Klar ist, dass Trockenheit ein bestimmendes Thema werden wird. Darauf müssen wir uns vorbereiten.

GZ: Wie gestaltet sich die Situation in Bayern? Leben wir hier vergleichsweise auf einer Insel der Seligen?

Grambow: Das ist regional sehr unterschiedlich. Während es im Alpenvorland große Grundwasservorkommen und somit auch keine (absehbaren) Probleme gibt, haben wir es zum Teil schon südlich der Donau, z.B. entlang der Osterhofener Platte, bereits mit den ersten Trockenzonen zu tun. Ähnliches, aber viel ausgeprägter, gilt für die Region nördlich der Donau, insbesondere Unterfranken, und den Bayerischen Wald. Tatsächlich gibt es auch in Bayern Gebiete, die weniger Niederschlag aufweisen als Nordjordanien. Aktuell verfügen wir aber über eine brauchbare Wassermenge und ein traditionell sehr gutes Wassermanagement. Deshalb kennen wir auch kaum Wassernot.

Merkel: Grundsätzlich beobachten wir am wasserwirtschaftlichen System eine extrem hohe Dynamik und Veränderungsgeschwindigkeit. Gewöhnlich plant und agiert die Wasserwirtschaft auf der Basis von 30-jährigen Zeiträumen. Jetzt aber stellen wir fest, dass sich der Wasserhaushalt in zahlreichen Regionen Deutschlands und Bayerns innerhalb von zehn Jahren enorm verändert hat. Dies erhöht den Handlungsdruck: Wir müssen Anpassungen der Leitungsnetze, zum Beispiel den Ausbau von Fernleitungen und Verbundnetzen, forcieren, oder die Auslegung von Talsperren oder Wassergewinnungsanlagen neu planen. Dafür sind andere Planungsfenster erforderlich.

Grambow: Es geht ja nicht nur um die Trinkwasserversorgung. Wir haben es mit der jahrelangen Veränderung eines kompletten Systems zu tun. Zum Beispiel setzen immer mehr Landwirte auf Bewässerung. In einigen Bereichen hat sich die Bewässerungsmenge vervielfacht. Und letztlich schlägt die Entwicklung sogar auf das Ökosystem durch. Wenn die Wälder Schaden nehmen, ist der Ofen aus. Deshalb müssen wir rechtzeitig Maßnahmen ergreifen.

GZ: Macht es überhaupt Sinn, als Verbraucher Trinkwasser zu sparen, wenn man den Wasserbedarf von Energieversorgung und Landwirtschaft betrachtet? Wenn ja, welche Instrumente stehen Kommunen zur Verfügung, um BürgerInnen zum Wassersparen zu ermutigen?

Merkel: Übertriebenes Wassersparen ist nicht die bevorzugte Strategie. Sinnvoll ist aber, wenn Kommunen in Engpasszeiten die BürgerInnen zum Wassersparen ermutigen. Außerordentlich kritisch sehen wir die Regenwassernutzung im Hausgebrauch, da diese mit großen hygienischen Herausforderungen verbunden ist. Hinzu kommt, dass die Bereitstellung von verschiedenen Wasserqualitäten in vielen Haushalten nicht zu handhaben ist.

Grambow: Ich darf ergänzen: Der Rückhalt von Regenwasser für die Gartenbewässerung ist immer richtig. Regentonnen verursachen keine Qualitätsprobleme.

Merkel: Noch eine Anmerkung: Die Ausweisung von Wasserschutzgebieten ist ureigenste Aufgabe der Kommunen in Verbindung mit den Wasserbehörden. Allerdings ist dieses Thema an vielen Stellen konfliktbehaftet. Wir müssen dafür sorgen, dass bestehende Schutzgebiete nicht aufgegeben und entsprechende Vorranggebiete erhalten bleiben. Denn jedes Gebiet, das einmal umgenutzt wurde, ist unwiederbringlich verloren.

GZ: Was halten Sie von Entwicklungen wie dem Schwammstadt-Prinzip?

Grambow: Schwammstadt ist zwar eine der wesentlichen Antworten auf den Klimawandel, löst aber nicht die Trinkwasserfrage. Sie bekommen Grün in die Stadt und Abkühlung. Im Übrigen wird mit dem Klimawandel Schatten die neue Währung.

GZ: Blicken wir in die Zukunft: Welche Maßnahmen sind jetzt zu ergreifen? Ist der rechtlich gesicherte Vorrang der öffentlichen Trinkwasserversorgung jederzeit gewährleistet?

Merkel: Am Rechtsrahmen für Trinkwasser im Wasserhaushaltsgesetz müssen wir nicht viel ändern. Allerdings sehen wir bei der Zuordnung bestimmter Wassermengen vor Ort wachsendes Konfliktpotenzial. Hier konkurrieren häufig wirtschaftliche und ökologische Interessen. Allein die Behandlung von Wasserrechtsanträgen zahlreicher Versorger dauert hierzulande immer länger. Hier müssen die Wasserbehörden den Vorrang der Wasserversorgung in der Praxis schneller umsetzen, auch bei widerstreitenden Interessen.

Grambow: Die Trinkwasserversorgung in toto hat absolute Priorität. Andererseits müssen wir aber auch unser Gesamtökosystem stabil halten. Die Gesellschaft fordert gerne hundertprozentige, fast totalitäre Priorisierungen für das jeweils als wichtig Empfundene. Die Kunst liegt aber darin, alle legitimen Belange so unter einen Hut zu bringen, dass sie nachhaltig nutzbar bleiben. Die Wasserwirtschaft sucht hier gemeinsam mit ihren Partnern nach vernünftigen Lösungen.

GZ: Auch die Neiddebatte spielt hier eine Rolle.

Merkel: Das ist richtig. Wir beginnen deshalb jetzt mit der Erarbeitung überregionaler Wasserversorgungskonzepte, die mit entsprechenden Plänen der Kommunen unterlegt werden. In diesen Prozess eingebunden sind letztlich alle Akteure, die Wasser benötigen.

Grambow: Einer der Gründe, weshalb wir uns global mit dem Schutz des Wassers schwertun, hängt auch mit einem weltweit gültigen Phänomen zusammen: mit knappen Gütern wird leichter Geld verdient. In manchen südlichen Ländern wie beispielsweise Indien oder Brasilien wird Wasserschutz manchmal aus wirtschaftlichen Gründen ruiniert, weil mit Wasserknappheit weitaus mehr Geld zu verdienen ist.

GZ: Wie steht es denn um den Fachkräftebedarf im Trinkwasserbereich?

Merkel: Das Thema demografischer Wandel und Fachkräftemangel betrifft auch unsere Branche. Es gab einzelne Bundesländer, die ganze Verwaltungsebenen gerade im wasserwirtschaftlichen Bereich abgeschafft haben. Das hat dazu geführt, dass wir jetzt auch branchenübergreifend dringend junge Leute brauchen. Hinzu kommt, dass die Wasserwirtschaft über viele Jahre nicht unbedingt als attraktiver Arbeitgeber auf sich aufmerksam gemacht hat. Hier findet gerade eine Kurskorrektur statt. Auch der DVGW hat spezielle Programme für die Nachwuchsgewinnung der Branche aufgelegt.

GZ: Der DVGW hat den Wasser-Impuls initiiert. Worum handelt es sich hier?

Merkel: Wir haben den Wasser-Impuls vor zwei Jahren auf den Weg gebracht. Er hat zu einem gesteigerten Bewusstsein für den Wert des Wassers in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft beigetragen. Die konsequente Fortsetzung dieser wichtigen Plattform ist das soeben vorgelegte DVGW-Zukunftsprogramm Wasser, ein Innovationsprogramm zur Sicherung der Wasserversorgung. Unter dem Leitmotiv „Zukunft Wasser: Eine sichere Ressource für uns alle“ wird gemeinsam mit Mitgliedern und Partnern in den kommenden drei Jahren eine strategische Agenda verfolgt. Damit soll den großen Herausforderungen der Wasserwirtschaft begegnet werden. Dazu zählen vor allem die Ressourcenverknappung durch den Klimawandel, die Gefährdung der Wasserqualität angesichts zunehmender Schadeinträge sowie der hohe Anpassungsbedarf der Infrastruktur im Sinne eines modernen Asset Managements.

GZ: Ihre abschließende Botschaft, Herr Professor Grambow?

Grambow: Die entscheidende Frage ist: Wie gehen wir als Gesellschaft mit Wasser um? Sauberes Wasser in einer funktionierenden Natur hat einen enorm hohen Wert für uns. Wir verfügen über ein qualitativ hervorragendes Trinkwasser, gesundes Wasser aus dem Wasserhahn ist für uns selbstverständlich. Und auch in unseren Seen kann in aller Regel gebadet werden. Das ist ein großer Reichtum für ganz kleines Geld, den wir uns erhalten sollten.

DK

 

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