Interviews & Gesprächezurück

(GZ-18-2021)
GZ-Interview mit Manfred Ernst, Stadt Germering. Bild: privat
 

► GZ-Interview mit Manfred Ernst, Stadt Germering:

 

Beispiel der Stadt Germering: Kommunales Energiemanagement (KEM) in der Praxis

Manfred Ernst ist verantwortlich für das Areal-, Gebäude und Energiemanagement der Großen Kreisstadt Germering. Mit der Bayerischen GemeindeZeitung sprach der Fachmann über die Einführung eines Kommunalen Energiemanagement (KEM).

GZ: Was waren die Voraussetzungen dafür, dass ein kommunales Energiemanagement eingeführt wurde, und über was für einen zeitlichen Rahmen sprechen wir?

Ernst: Die Stadt Germering hat sich schon zu einem frühen Zeitpunkt der Diskussion um den Klimaschutz entschlossen, als einen ersten Schritt die Energieeinsparung und Effizienzsteigerung der städtischen Liegenschaften in den Vordergrund zu rücken. Hierfür wurden zunächst die organisatorischen Voraussetzungen für ein kommunales Energiemanagement (KEM) aufgebaut, bevor ablauforganisatorische Prozesse detaillierter untersucht wurden.

Um den Energieverbrauch zu senken, ist eine energieoptimierte Bewirtschaftung der Liegenschaft von Bedeutung. Ein schnelles Reagieren bei einem abweichenden Wert ist nicht möglich, wenn keine zeitnahe Dokumentation (monatlich, täglich, stündlich) geführt wird. Durch eine systematische Erfassung und Analyse von Energieverbräuchen ist die Voraussetzung zur Identifizierung von schnell umsetzbaren Maßnahmen geschaffen.

Wichtige Kriterien zur Realisierung waren der Zeitfaktor sowie die Kompatibilität der Komponenten , da sämtliche Maßnahmen zur Datenerfassung – Hard- und Software – im laufenden Betrieb stattfanden und unabhängig von den verbauten Zählerarten und Typisierungen möglich sein mussten.

Die Stadt Germering hat sich für das Auslese-, Datenfernübertragungs- und Visualisierungssystem der Firma ViWa GmbH entschieden. Jede Verbrauchsleitung wird mit einem batteriebetriebenen Modul zur Auslesung des Durchflusses versehen. Durch Funkübertragung werden die ausgelesenen Verbrauchsdaten zu einem Datenkonzentrator weitergeleitet, der zugleich als Sendeeinheit für die ausgelagerte Empfangsstation fungiert.

Die gesendeten Daten werden auf einem externen Server mit der Firmensoftware der ViWa GmbH zur Auslesungs- und Dokumentationsdatei aufbereitet. Für die Hardware-Ausstattung sind keine Verlegungsarbeiten von Übertragungsleitungen sowie Baumaßnahmen in Form von Mauerdurchführungen und Abschottungen von Nöten, da die Datenübertragung auf Funkbasis (MDM-Radio) läuft.

Innerhalb von nur zwei Tagen (Hardware-Installation, Einpflege und Anlegen in der Software) konnte schon mit den aufbereiteten Daten gearbeitet werden.

GZ: Für welche Gebäude/Anlagen werden Daten erfasst?

Ernst: Derzeit werden 12 Liegenschaften visualisiert und zwei weitere folgen voraussichtlich noch in diesem Jahr. Die Liegenschaften haben unterschiedliche Nutzungen:

Es handelt sich dabei um eine Grundschule mit Hort, eine Mittelschule, zwei Verwaltungsgebäude, den Bauhof, die Stadtbibliothek, zwei Feuerwehrgerätehäuser, eine Jugendbegegnungsstätte sowie drei Kinderbetreuungseinrichtungen. Bei den beiden noch ausstehenden Liegenschaften handelt es sich um eine Grundschule und eine Mittelschule.

GZ: Ihrer Erfahrung nach, hat sich ein Energiemanagement für diese Gebäude/Anlagen bewährt? Gibt es auch Gebäude/Anlagen, bei denen die Einrichtung eines KEM größeren Aufwand als Nutzen bedeutet?

Ernst: Das KEM hat sich auf jeden Fall bewährt. Es erleichtert die täglichen Kontrollen der einzelnen Liegenschaften. Einheitsverluste von Wärme, Strom und Wasser können schnell erkannt werden und dies dient der Schadensminimierung und -behebung.

Friedhofsgebäude werden bspw. nicht erfasst

Wir haben in Germering drei Friedhofsgebäude. Diese Liegenschaften werden nicht permanent genutzt. Hier wäre eine Einbindung in die Visualisierung im Rahmen von Kosten-/Nutzenüberlegungen nicht sinnvoll, da die Verbrauchseinheiten ohne größeren Aufwand auch weiterhin über einzelne Zähler auslesbar und dokumentierbar sind.

GZ: Seit Einführung des Energiemanagements, wie viel Energie konnte eingespart werden und kann das in Euro (jährlich oder komplett) beziffert werden?

Ernst: Hier ist eine Bezifferung äußerst schwierig. Wir haben bei ca. 25 Liegenschaften Germerings einen Vergleich der CO2-Werte (aus Strom, Gas, Öl und Fernwärme) über acht Jahre erstellt. Hier konnte man feststellen, dass die CO2-Jahreswerte konstant blieben – obwohl die Nutzungsintensität in den Liegenschaften jährlich angestiegen ist. Auch dies ist aber aus unserer Sicht positiv zu bewerten, obwohl dem keine klassische Einsparung gegenüber steht.

Ein kurzes Beispiel anhand unserer Schulen soll dies verdeutlichen: Hier haben wir eine jährlich steigende Auslastung der Liegenschaften. Die Schulen werden über die Woche von 7:00 Uhr bis 22:00 Uhr genutzt. Vormittags und teilweise nachmittags (Ganztagesklassen) Unterricht –, Hortbetreuung, Küchenbetrieb für die Verköstigung, externe Nutzer wie z. B. die Musikschule, VHS-Belegung sowie Vereinsbelegungen im Bereich Sport und Kultur am Nachmittag und Abend – teilweise auch am Wochenende.

Außerdem ist die Zahl der Verbrauchsstellen in Bezug auf Digitales Lernen gestiegen. Das beginnt mittlerweile schon in den unteren Jahrgangsstufen und wird jährlich mehr. Die Mehrungen ziehen sich aber durch alle unsere Bereiche – Verwaltung, Bildung, Kinderbetreuung, Bauhof und Feuerwehren.

GZ: Abgesehen von den finanziellen Einsparungen, hat sich der Einsatz gesamtgesellschaftlich gelohnt? Ist die Einführung eines KEM auch kleineren Kommunen zu empfehlen?

Ernst: Der Einsatz des KEM hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wir nutzen unsere Visualisierung nicht nur um die Verbräuche zu dokumentieren und Energieberichte zu erstellen, sondern auch um Fehlerquellen und Schäden aufzudecken.

Täglich werden alle Liegenschaften über die aufbereiteten Daten der Firma ViWa kontrolliert, um etwaige „Ausreißer“ zu lokalisieren, d. h. wenn einer der Verbrauchswerte aus dem Rahmen fällt, kann das sofort überprüft werden und wenn nötig die schadensminimierenden oder –behebenden Maßnahmen eingeleitet werden. Dies dient auch dazu, den Lebenszyklus der Liegenschaft zu verlängern.

GZ: Lüftungsanlagen haben seit Corona so viel Aufmerksamkeit wie noch nie. Werden auch die in Ihrem Energiemanagement erfasst? Haben Sie hier Anpassungen vornehmen müssen?

Ernst: Hier stehen wir gerade am Anfang. Bei den im Vorfeld erwähnten zwei Liegenschaften, die wir dieses Jahr noch in unser KEM integrieren wollen, handelt es sich um eine Grundschule mit Hort und eine Mittelschule.

Im Zuge der Sanierung und Erweiterung der beiden Schulkomplexe wollen wir über die Gebäudeleittechnik (GLT) die Verbrauchsdaten sowie die Werte der Lüftung auslesen und über die bereits verwendete ViWa-Software zur Auslesungs- und Dokumentationsdatei aufbereiten. Die Vorarbeiten hinsichtlich der Auslesung und Verarbeitung der Werte ist von Seiten der Firma ViWa schon abgeschlossen.

GZ: Welche „Sofortmaßnahme“ würden Sie als unbedingt umzusetzen empfehlen?

Ernst: Bei unserem „Pilotprojekt“ – eine Grundschule mit Hort – haben wir als „Sofortmaßnahme“ den Bereich Strom ausgewählt. Hier hat man mit relativ geringem Aufwand einen „schnellen“ hohen Nutzen.

Der Bestand der Leuchtkörper wurde auf LED-Beleuchtung umgestellt und mit einem Beleuchtungskonzept, in den Bereichen wo es möglich war, kombiniert.

Es wurden in den Sanitärbereichen Bewegungs- und Präsenzmelder sowie Treppenhaus-Automaten mit Zeittaktung in den Treppenbereichen verbaut. Mit diesem Beleuchtungswechsel und kombinierten Lichtkonzept konnten somit ca. 30% des Stromverbrauches eingespart werden.

GZ: Gibt es noch Aspekte auf die Sie unsere Leserschaft aufmerksam machen wollen?

Ernst: Die Stadt Germering hat mit der Einrichtung eines kommunalen Energiemanagements und dem darin enthaltenen Monitoring der Verbrauchsstoffe einen Grundbaustein für die energieoptimierte Gebäudebewirtschaftung gelegt.

Als positiven Nebeneffekt kann mit der systematischen Erfassung der Verbrauchsstoffe auch die Abdeckung der Dokumentationspflicht als Betreiber im Rahmen des Gebäudemanagements benannt werden.

Immerwährendes Ziel muss es sein, keine Datenfriedhöfe zu etablieren, sondern zeitnah die Verbräuche auszuwerten bzw. Maßnahmen zu ergreifen, um kurzfristig auf Abweichungen zu reagieren. Nur so kann die Optimierung der Energieeffizienz gelingen.

GZ: Vielen Dank, Herr Ernst, für das Gespräch!

 

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