Interviews & Gesprächezurück

(GZ-20-2015)
Interview mit Landrat Josef Niedermaier
 
► Josef NiedermaierLandrat:
 
Bayerischer Innovationsring - Motor der Verwaltungsmodernisierung

Um die 71 Landratsämter in Bayern auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten, haben sich im Innovationsring des Bayerischen Landkreistags 21 Landkreise zusammengeschlossen. Zum Nachfolger des ehemaligen Miltenberger Landrats und Ersten Vizepräsidenten des Bayerischen Landkreistags, Roland Schwing, der den Innovationsring seit seiner Gründung im Jahr 1997 geleitet hatte, wurde im Frühjahr 2014 Landrat Josef Niedermaier, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, bestimmt. Mit ihm sprach GZ-Chefredakteurin Anne-Marie von Hassel über die Rolle des Innovationsrings als Motor der Verwaltungsmodernisierung.

GZ: Mit welchen Herausforderungen sieht sich der Innovationsring aktuell konfrontiert?

Niedermaier:  Wir betrachten insbesondere die Themen demographische Entwicklung, die Anforderungen unserer Informations- und Wissensgesellschaft, die Auswirkungen des Fiskalvertrags sowie die veränderten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an den Service und die Qualität von Verwaltungsleistungen. Als praktische Hilfestellungen veröffentlicht der Innovationsring regelmäßig Leitfäden, die von den Projektgruppen „Personal und Führung“, „Betriebswirtschaft“, „Organisation/ eGovernment“ sowie „Service- und Kundenorientierung“ erarbeitet werden. Die Projektgruppen bilden die thematischen Schwerpunkte des Bayerischen Innovationsrings ab und verdeutlichen seinen ganzheitlichen Ansatz der Verwaltungsmodernisierung. Sie setzen sich aus erfahrenen Praktikern aus den Mitgliedslandkreisen zusammen und werden jeweils von einem Landrat geleitet.

GZ: Lenken wir zunächst den Blick auf die Projektgruppe „Service- und Kundenorientierung“. Welche Grundüberlegungen haben dazu geführt, dass der Bayerische Landkreistag sich mit der entsprechenden Projektgruppe diesem Thema zugewandt hat?

Niedermaier: Die Projektgruppe „Service und Kundenorientierung“, die Landrat Robert Niedergesäß (Ebersberg) demnächst von Landrat a. D. Gebhard Kaiser (Landkreis Oberallgäu) übernehmen wird, hat sich zum Ziel gesetzt, die Behörde zugunsten des Bürgers so umzubauen, dass insgesamt ein Dienstleistungszentrum entsteht. Ich denke hier zum Beispiel an den Faktor Zeit. Es gilt, die Durchlaufzeit für den Bürger angenehmer, sprich geringer zu gestalten. Die Bearbeitung der Kundenanliegen und die Erreichbarkeit sind zwei weitere Beispiele. 

GZ: Wo gab es denn Probleme?

Niedermaier: Die größten Schwierigkeiten bestanden zunächst darin, den Bürger darüber aufzuklären, was er von seinem Landratsamt zu erwarten hat. Nur die Insider wissen um das Innenleben einer solchen Behörde. Die leicht verständliche Beantwortung von Fragen wie: ‚An wen muss ich mich im Falle eines auftretenden Problems wenden?‘ steht dabei ebenso im Fokus wie beispielsweise die Optimierung von Kontaktabläufen. 

GZ: Können Sie Ergebnisse nennen? 

Niedermaier: Aktuelle Projektergebnisse sind insbesondere die Handlungsempfehlungen für ein service- und kunden- orientiertes Landratsamt, der Leitfaden zur Entwicklung und Umsetzung einer Bürger-/Kundenbefragung für die Landratsämter sowie der Leitfaden zur Einrichtung eines zentralen Kundenservice in den Landratsämtern. Ein zentrales Ergebnis der Befragung war, dass gerade jene Landratsämter wie Starnberg oder Oberallgäu, die über einen zentralen Kundenservice verfügen, eben deutlich besser abgeschnitten haben.

Grundsätzlich lautet die Devise des Innovationsrings: Eine Idee wird geboren, erprobt und umgesetzt. Erfolge und Misserfolge werden dargestellt und somit können alle von dieser Erfahrung profitieren. Letztlich geht es um Effizienz. Es ist faszinierend zu sehen, was hier alles entstanden ist und wie groß die Bereitschaft der Mitarbeiter gerade auch in meinem Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen war, die entsprechenden Projekte zu leben.

GZ: Womit wir bei der Projektgruppe „Personal und Führung“ wären…

Niedermaier: Diese von Landrat Armin Kroder, Landkreis Nürnberger Land, geleitete Projektgruppe befasst sich insbesondere mit den Herausforderungen, die sich aus der demografischen Entwicklung für das Personal und die Führung an den Landratsämtern ergeben. Aktuelle Projektergebnisse sind insbesondere die Empfehlungen zur Führungskräfte-Entwicklung in den Landratsämtern sowie der hervorragende Image-Film „Komm in unser Team!“ (nur intern), der die Landkreise bei der Gewinnung von Nachwuchskräften unterstützen soll. Um auch in Zukunft Personal zu generieren, aus dem Führungsnachwuchs gewonnen werden kann, ist es notwendig, nachhaltige Strategien und Konzepte zu entwickeln. Hierzu dient unser Leitfaden.

GZ: Passende Mitarbeiter einerseits zu finden und diese andererseits einzubinden, sind zwei verschiedene Dinge. Oftmals ist eine fachliche Qualifikation zwar vorhanden, aber das Teamwork mangelhaft. Wie kann dieser Schieflage begegnet werden? 

Niedermaier: In der Tat muss man das in der Behörde, im Landratsamt immer wieder hinterfragen. Das tun wir, auch und gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Wir haben Prognosen mit dem Ergebnis erstellt, dass in den nächsten 15 bis 20 Jahren ca. 40 Prozent der Mitarbeiter ausscheiden. Diese muss ich aber in einer Zeit nachbesetzen, wo das Arbeitskräfteangebot wegen der demografischen Entwicklung tendenziell eher geringer wird. Wir werden noch in diesem Jahr einen Leitfaden mit entsprechenden Hilfestellungen veröffentlichen.

GZ: Auf der einen Seite sind Sie der politisch gewählte Landrat, auf der anderen Seite der Chef der staatlichen Behörde Landratsamt. Wie alle anderen Landratsämter im Freistaat leidet auch Ihre Behörde unter einer gravierenden Unterbesetzung. Was ist zu tun?

Niedermaier: Die Projektgruppe „Betriebswirtschaft“, die ich in der Vergangenheit leiten durfte und den nun Kollege Michael Fahmüller (Landkreis Rottal-Inn) übernehmen wird, hat diese Tatsache anhand einer genauen Kostenerhebung erstmals sehr deutlich nachgewiesen. Tatsache ist: Die Landratsämter in Bayern tragen durchschnittlich ein bis zwei Millionen Euro Verwaltungs- und Personalkosten, die eigentlich der Staat zahlen müsste. Die Erhebung wurde bei der jüngsten Sitzung des Präsidiums des Bayerischen Landkreistags vorgestellt; meine Einschätzung dazu werde ich in Kürze bei der Landrätetagung im Landkreis Donau-Ries geben. 

GZ: Für die eingeforderten Aufgaben gibt es also von staatlicher Seite oftmals weder das Personal noch die finanzielle Ausstattung? 

Niedermaier: Es ist doch so: Wir, die Landratsämter, bekommen Einnahmen zugewiesen, die schlichtweg nicht ausreichen, um das Personal zu bezahlen. Das bewerkstelligen wir auf Gemeindekosten über die Kreisumlage. Obwohl dies ureigenste Aufgabe des Staates wäre. Dieser Nachweis wurde jetzt erbracht. 

GZ: Stichwort Gemeindekosten: Inwiefern profitieren die Gemeinden von dieser inhaltlichen Arbeit? 

Niedermaier: Momentan hat der Innovationsring die thematische Arbeit bewusst auf das Landratsamt hin ausgerichtet. Eine Ausnahme bildet hier die Projektgruppe „Organisation/eGovernment“, geleitet vom Mühldorfer Landrat Georg Huber. Die dort behandelten Themen wie etwa die Einführung und der Einsatz von Dokumentenmanagementsystemen (DMS) sind auch für die Gemeinden hilfreich. Im Übrigen ist der Innovationsring ja nur für die Entwicklung von Projekten und die Suche nach Schnittstellen zuständig. Laufen die Projekte, ist der Innovationsring eher außen vor. 

GZ: Wie ist es um die Weiterbildung der Mitarbeiter in den Landratsämtern allgemein bestellt?

Niedermaier: Im Verwaltungsbereich sieht es sehr gut aus – ich denke hier in erster Linie an die Bayerische Verwaltungsschule. Und auch die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement KGSt hat extrem viel anzubieten. In der Weiterbildung sind wir also alles andere als schlecht aufgestellt. 

6. und 7. Juli 2015: Bayerische Innovationstage in Landshut

In diesem Zusammenhang darf ich auf die Bayerischen Innovationstage 2015 am 6. und 7. Juli in Landshut verweisen. Bei dieser Veranstaltung des Bayerischen Landkreistages gemeinsam mit der Bayerischen Akademie für Verwaltungs-Management soll sozusagen die Innovationskommunikation angeregt werden. Ziel ist es, innovative Konzepte auszutauschen und Raum für Gespräche zu schaffen.

GZ: Stichwort Frauenförderung in den Behörden und Arbeitsplatzgestaltung für Frauen und Männer. Werden diese Aspekte auch im Innovationsring berücksichtigt? 

Niedermaier: Ja, und zwar in der Projektgruppe „Personal und Führung“. Die Förderung von Frauen als Führungskräfte ist in der Tat ein immens wichtiges Thema. Die Mitarbeiter des Nürnberger Landrats Kroder haben sich damit explizit und mit dem notwendigen Nachdruck auseinandergesetzt. Das Thema wird noch heuer in einem Leitfaden aufgegriffen.

GZ: Gerade vor dem Hintergrund der angesprochenen dünnen Personaldecke stellt sich die Frage nach ehrenamtlichen Potenzialen. Denkt der Innovationsring in diese Richtung? 

Niedermaier: Gerade in den fränkischen Landratsämtern finden sich sehr gut funktionierende Ehrenamtsbörsen. Ansonsten verfügt wohl jedes Landratsamt in Bayern über eine Ehrenamtsstelle, die berät und Leute vermittelt. Eine einheitliche Regelung bzw. Koordination gibt es aber direkt nicht. Als sichtbares Zeichen der Anerkennung für besonderes bürgerschaftliches Engagement hat der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ebenso wie viele weitere Landkreise die Bayerische Ehrenamtskarte eingeführt – und das mit großem Erfolg. Als Sponsoren fungieren hier unter anderem die Sparkassen.

Herr Niedermaier, vielen Dank für das Interview.

DK

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