Das Urteil dürfte richtungsweisend für ganz Deutschland sein. Einige wichtige Fakten dazu: Als gesetzliche Grundlage dient die EU-Luftreinhalterichtlinie von 2008. Nach Aussagen des Umweltbundesamtes wurden 2017 in ca. 70 deutschen Kommunen die Stickoxid-Grenzwerte überschritten – primär werden dafür die Dieselabgase verantwortlich gemacht. Geklagt wird derzeit von der Deutschen Umwelthilfe in 19 Städten, darunter auch in der bayerischen Landeshauptstadt München.
Wie erwartet, jubilieren nach dem Urteil die Naturverbände und freuen sich über einen erhöhten Druck bei Politik und Autobauer, nun schnell effektive Maßnahmen ergreifen zu müssen. Doch wirklich gangbare Lösungen können die Aktivisten selbst nicht vorweisen. Handwerker und Mittelständler hingegen befürchten existenzielle Nöte, die im Zuge von städtischen Fahrverboten entstehen könnten – bis hin zu spürbaren Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Nahversorgung. Hierbei ist anzumerken, dass das Gericht aber bestimmte Ausnahmen schon für zulässig hält. Eine Schockwirkung hinterlässt das Urteil natürlich bei all denjenigen Pendlern, die jeden Tag auf ihre älteren Dieselfahrzeuge angewiesen sind, um zu ihren Arbeitsplätzen in den großen Innenstädten zu gelangen. Sind sie jetzt gezwungen, ihr oftmals lange abgespartes Auto mit Wertverlust zu verkaufen und sich einen neuen „sauberen“ Diesel zulegen? Oder kauft man sich gleich einen Benziner, der aber dann wieder mehr CO2 ausstößt und vielleicht im nächsten Jahr aus Klimaschutzgründen am Pranger steht? Die Lage ist in der Tat unübersichtlich!
Doch wie geht’s jetzt konkret weiter mit dem Autoverkehr in den Ballungsräumen? Das Gericht sagt also im Prinzip: Die Städte sollen es richten – mit Fahrverboten. Na bravo! Allein der bürokratische Aufwand wäre ja enorm: In München müssten laut Angaben der örtlichen Verkehrsbehörde unter Umständen bis zu 130.000 (!) neue Schilder aufgestellt werden. Mal ehrlich: Wo wäre hier der gesunde Menschenverstand?
Doch sind Fahrverbote, die Bürger und Kommunen unverschuldet belasten, überhaupt die geeignete Lösung, die grundsätzlichen Schadstoffprobleme älterer Diesel in den Griff zu bekommen. Ich glaube nicht. Für mich sind in diesem Zusammenhang die Automobilhersteller in hohem Maße gefragt. Sie haben bei den Abgaswerten bewusst getrickst und müssen mit einem umfangreichen Sofortprogramm den Schadstoffausstoß „ihrer“ betroffenen Diesel-Fahrzeuge reduzieren – auf ihre Kosten. Einige schnelle Klicks in der Software, verbunden mit wohlklingenden Erfolgsmeldungen ihrer Presseabteilungen, werden dazu aller Voraussicht nach nicht ausreichen. Man wird laut den meisten Experten an bestimmten Hardware-Nachrüstungen nicht vorbeikommen, damit die versprochenen Grenzwerte in der Praxis eingehalten werden und sich letztendlich an den Messstationen niederschlagen. Dies ist zudem eine Frage der Glaubwürdigkeit einer gesamten Leitbranche unseres Landes!
Glaubwürdig muss auch die Politik bleiben. Die Bayerische Staatsregierung und die künftige Bundesregierung wollen gleichermaßen eine Vermeidung von Fahrverboten. Gut so!
Deshalb sollten sie zum einen auf die Autoindustrie einwirken und zum anderen die im Koalitionsvertrag zahlreich beschlossenen Maßnahmen zur Verkehrswende hin zu einer smarten, schadstoffarmen Mobilität zeitnah mit allem Nachdruck angehen. Die Kommunen in Ballungszentren, aber auch in ländlichen Räumen werden dazu sicherlich ihren Beitrag leisten. Die Rahmenbedingungen hierfür müssen auf den höheren Ebenen und bei den technischen Anbietern gesetzt werden.
Aktuell ist aber erst einmal wichtig, dass die Auswirkungen des Urteils zum Fahrverbot weder zu Lasten der Kommunen, noch der Bürger gehen und mit den Automobilherstellern diejenigen aktiv werden, die eine große Verantwortung für die aktuelle Dieselproblematik tragen.
Terminhinweis: Die Kommunalpolitische Vereinigung (KPV) wird sich unter der Leitung unseres Landesvorsitzenden Landrat Stefan Rößle mit der wichtigen Thematik „Mobilität“ bei einer Diskussionsrunde am 7. Mai 2018 in München auseinandersetzen, die gemeinsam mit dem Arbeitskreis Umweltsicherung und Landesentwicklung (AKU) durchgeführt wird.
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