Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-21-2018)
Kommentar von Stefan Rößle
 

► Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender:

 

Kommunalpolitische Tugenden für die „große Politik“ gefordert

Liebe Leserinnen und Leser,

wenige Wochen nach der Landtags- und Bezirkstagswahl sind in Bayern die Koalitionsverhandlungen für eine neue Staatsregierung schon in der Endphase angekommen. Die CSU wird die Staatsregierung weiterhin anführen und Dr. Markus Söder bleibt unser Bayerischer Ministerpräsident. Von Seiten der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) können wir damit unsere gute Zusammenarbeit mit ihm fortführen. Gut so. Er steht unter anderem für die Entwicklung der ländlichen Räume, für gleichwertige Lebensverhältnisse und (finanziell) leistungsfähige Kommunen.

Ich weiß ja nicht, ob es Ihnen genauso geht: Beim Stichwort Koalitionsverhandlungen denken viele sofort an Berlin, an die „Jamaika“-Sondierungen im Spätherbst 2017 und die Fotos von winkenden, teilweise rauchenden, weintrinkenden und irgendwie seltsam herumtänzelnden Spitzenpolitikern auf dem Balkon des ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais, dem Sitz der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft (DPG).

Eine menschlich vielleicht nachvollziehbare, aber trotzdem gefährliche Mischung aus emotionaler Anspannung, Wettbewerbsdenken und Selbstdarstellungsdrang haben zu diesen etwas skurrilen Bildern geführt. „Der Spiegel“ spitzte es damals folgendermaßen zu: „Merkel und ihre neue bunte Truppe machen Politik zum Reality-TV“. Ja, diese Aussage ist wahrscheinlich etwas überzogen, aber gänzlich vorteilhaft für die Glaubwürdigkeit der Politik waren diese Szenen auf jeden Fall nicht – und wie wir alle wissen, letztendlich auch nicht von Erfolg gekrönt. Die Jamaika-Flagge wurde wenige Tage später aufgrund einer „fahnenflüchtigen“ Partei schnell wieder eingeholt.

Aber nun zurück nach Bayern, dorthin, wo die Uhren üblicherweise anders gehen – und siehe da, dies gilt erfreulicherweise ebenso für die künftigen Koalitionäre im Bayerischen Landtag und der Staatsregierung: Die Sondierungsgespräche der CSU mit den Freien Wählern einerseits und den Grünen andererseits, dauerten nicht mehrere Wochen, sondern gingen zügig vonstatten.

Vielleicht hätte mancher noch intensivere schwarz-grüne Gespräche für wünschenswert gehalten, um Gemeinsamkeiten und Ausschlusskriterien gegenüber der Öffentlichkeit deutlicher darzustellen. Doch die Entscheidung fiel dann recht schnell und eindeutig für die Aufnahme der Verhandlungen von CSU und FW. Beide Gruppierungen setzten sich umgehend, in kleiner, überschaubarer Runde zusammen. Wasserstandsmeldungen gab es von beiden Seiten nur selten – und wenn, dann respektvoll, diplomatisch und sachlich. Dies schafft Vertrauen. Weiter so! Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch den Medien bislang wenig Gelegenheit für bissige Kommentare gegeben wurde. Bis auf eine Diskussion um die humoristische Bezeichnung der neuen, schwarz-orangenen Politikbeziehung, wie „Spezi“- oder „Tiger“-Koalition, war es auf diesem Feld auffällig ruhig.

Ebenfalls erfreulich: Vor einiger Zeit hatte ich an gleicher Stelle davon geschrieben, dass wir wieder mehr „kommunalpolitische Tugenden“, wie Sachorientierung, Gemeinsamkeit und Respekt in der „großen“ Politik brauchen, um die Menschen von den radikalen Populisten fernzuhalten. Das bisherige Procedere der neuen bayerischen Bündnispartner gibt mir viel Grund zum Optimismus, dass wir hier in Bayern auf einem guten Weg sind.

Mehr kommunalpolitische Denkweisen im Freistaat können sich letztendlich auch nur positiv auf die Fixierung der inhaltlichen Schwerpunkte einer neuen Staatsregierung auswirken. Deshalb gehen wir von einer Fortführung der kommunalfreundlichen Politik aus. Ebenfalls ist klar, dass wir uns als KPV weiterhin als starke Stimme der kommunalen Familie präsentieren und uns mit Nachdruck für die Anliegen der Bezirke, Landkreise, Städte und Gemeinden im Freistaat einsetzen. Ob die Koalition dann „Spezi“ oder „Tiger“ genannt wird, ist uns egal. Hauptsache, die Rahmenbedingungen für kommunales Handeln werden weiter verbessert und Themen wie Nachhaltigkeit, Flächensparen, Artenschutz, saubere Mobilität und Energiewende bekommen größere Bedeutung. Dies bleibt unser Anspruch. Um es mit den Worten von Altkanzler Helmut Kohl auszudrücken: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“

In diesem Sinne wünschen wir als KPV der neuen Bayerischen Staatsregierung einen guten Start.

Ihr Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender

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