Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-05-2020)
Kommentar von Dr. Klemens Gsell
 

► Dr. Klemens Gsell, Stv. Landesvorsitzender der KPV Bayern, 3. Bürgermeister der Stadt Nürnberg:

 

Broken-windows-theory für die Politik oder keine Toleranz für Intoleranz

Liebe Leserinnen und Leser,

sie galt international als die Erkenntnis der Verbrechensprävention in den 80er und 90er Jahren, die „broken-windows-theory“ der amerikanischen Sozialforscher Wilson und Kelling, die der damalige Bürgermeister von New York Bratton dann zu seiner politischen Agenda erhob: wer zerbrochene Scheiben nicht sofort repariert und gegen die Sachbeschädigung nicht vorgeht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn dann schwere Kriminalität nachfolgt. Daher muss im Kampf gegen Verbrechen frühzeitig eingegriffen werden.

Bayerns Innenminister damals, Günther Beckstein formulierte es für Bayern so: die gute bayerische Sicherheitslage beruhe auf der seit Jahrzehnten im Freistaat praktizierten Strategien „Null-Toleranz“ und „keine rechtsfreien Räume“.

Es scheint an der Zeit, diese Zusammenhänge des „wehret den Anfängen“ auch für die Politik in Erinnerung zu rufen! Über 80% der Bürgermeister gaben an, in Ihrer Gemeinde schon Fälle von Beleidigung und Gewalt (-androhung) erlebt zu haben.

In der politischen Auseinandersetzung ist die zerbrochene Scheibe die allgemeine Verschärfung des Tons gegenüber Repräsentanten des Staates. Der Bayerische Städtetag machte im Januar bei einer Blitzumfrage unter den Bürgermeistern der Mitglieder die Erfahrung, dass über 80 % der Antwortenden schon Fälle von Beleidigungen und Gewalt gegen sich oder Gemeindemitarbeiter erlebt hatten. Nur knapp die Hälfte der Taten wurde angezeigt und meistens gab es als Resultat eine Einstellung der Staatsanwaltschaft mit dem Verweis auf den Zivilrechtsweg. Ist denn der Schutz der Staatsmitarbeiter kein öffentliches Interesse?

Von der kleinen Gewalt in Briefen oder Mails ist es sicher noch ein weiter Weg zu den Gewalttaten der letzten Monate wie z.B. gegen den Kasseler Regierungspräsidenten. Sie ist aber die erste Stufe dazu. Wenn Hass, Beleidigung oder Bedrohungen im Internet oder in anonymen Briefen keine Sanktion hervorrufen, dann ist das die offene Tür für die nächste Stufe der Eskalation.

Ermutigt dürfen sich all die Schmäher der politisch Verantwortlichen durch Richter fühlen, die wie im Berliner Prozess gegen Renate Künast mit dem juristisch nicht haltbaren Argument, Politiker im öffentlichen Leben müssen mehr aushalten, eindeutige Beleidigungen tolerierten. Den Damen und Herren in Berlin sei der kollegiale Rat ins Stammbuch geschrieben, das GG zu lernen. Das kennt keine Unterscheidung in Menschen und „Politisch Verantwortliche“, es sieht die Menschen alle gleich an!

Endlich Reaktionen

Nach einem Gespräch des Städtetages mit dem Justizministerium kam Bewegung in die Angelegenheit. Bayern hat jetzt einen „hate-speech-Beauftragten“, der als Oberstaatsanwalt auch die Straftaten gegen kommunale Mandatsverantwortliche aufnehmen soll oder in Zusammenarbeit mit den Beauftragten bei den 22 Staatsanwaltschaften im Land bearbeiten wird. Auch im Bund sind Initiativen zur Gesetzesverbesserung im Gange. Hoffentlich wirkt das bald, damit die Konsequenz der Fenster-Theorie nicht eintritt und schwere Gewalttaten gegen die Politik noch mehr um sich greifen.

Wie meinte Kurt Gribl so zutreffend: „Zum Amt des Bürgermeisters gehört es nicht, Beleidigungen und Hetze aushalten zu müssen … Wir brauchen keine dickfelligen Mandatsträger sondern Menschen mit Empathie …“ Und ich füge hinzu: im Sinne der broken-windows-theory keine Toleranz für Intoleranz!

Ihr Dr. Klemens Gsell, Stv. Landesvorsitzender der KPV Bayern, 3. Bürgermeister der Stadt Nürnberg

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