Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-6-2015)
Kommentar von Stefan Rößle
 
Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender:
 
Ein kommunalfreundliches Europa

Liebe Leserinnen und Leser,

die Europäische Union garantiert uns seit Jahrzehnten Frieden, Freiheit und ein gesichertes Maß an Wohlstand - diese grundsätzliche Aussage ist selbst unter europakritischen Zeitgenossen weitgehend  unbestritten. Doch im politischen Alltag geht Europa, gerade für uns als kommunale Familie, weit mehr ins Detail. Hier treffen wir auf Schlagworte wie Bürokratie, TTIP, Finanzen und Asyl – alle auch gleichzusetzen mit großen gemeinsamen Aufgaben für die Zukunft.

Eine dieser Herausforderungen ist sicherlich die künftige Ausgestaltung von EU-Förderprogrammen. Denn es ist traurig, aber wahr: Bei vielen dieser Förderangebote stehen Aufwand und Nutzen leider in einem krassen Missverhältnis zueinander – besonders dann, wenn bei der Umsetzung sogar zusätzliches Personal eingestellt werden muss. Die KPV fordert deshalb im Sinne der Kommunen, die bürokratischen Anforderungen für die entsprechenden Förderprogramme auf ein vertretbares Maß zurückzufahren. Dies gilt übrigens auch für die Bundes- und Landesebene. Es kann nicht sein, dass Gelder für die Entwicklung unserer Heimat nicht abgerufen werden (können), weil das „Bürokratiemonster“ den Weg versperrt.

Den Weg versperren möchten wir als Kommunen sicherlich nicht, wenn es um TTIP geht, das transatlantische Freihandelsabkommen - über das viele reden, aber nur wenige so richtig Bescheid wissen. Denn grundsätzlich ist der Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA zu begrüßen - gerade im Zeichen der fortschreitenden Globalisierung und dem Aufkommen neuer dynamischer Weltwirtschaftsmächte. Die EU hat als größerer Partner die Chance, den Verhandlungen ihren Stempel aufzudrücken. Unser deutscher Mittelstand kann dadurch nachhaltig gestärkt sowie deutsche Standards letztendlich weltweit etabliert werden.

Doch wie bei fast allem im Leben hat auch das transatlantische Freihandelsabkommen eine Kehrseite der Medaille. So stehen den durchaus realistischen Chancen berechtigte Sorgen und Anliegen unserer Kommunen gegenüber. Aus diesem Grund fordert die KPV in diesem Zusammenhang unter anderem die Beibehaltung der kommunalen Organisationsfreiheit bei der Daseinsvorsorge (z. B. Wasserver- und Abwasserentsorgung, ÖPNV, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser und Kultur) und die Zuständigkeit für nationale Gerichte auch hinsichtlich ausländischer Investoren. Für uns ganz wichtig: Mit TTIP darf zudem kein Abbau von Schutzstandards im Umwelt- und Verbraucherschutz einhergehen. Darüber hinaus müssen kommunale Vertreter in die Beratergruppen eingebunden werden, um Transparenz zu gewährleisten.

Ein weiteres hochbrisantes Thema bleibt für die kommunale Familie auch der Euro. Denn eine sichere Währung gehört zu den volkswirtschaftlichen Grundvoraussetzungen unseres erfolgreichen Wirtschaftsstandortes Bayern. Als KPV fordern wir von der EU alles daran zu setzen, den Euro stabil zu halten und den haltlosen Forderungen der neuen griechischen Regierung jetzt und auch in Zukunft nicht nachzugeben.

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), wie z. B. das beschlossene Aufkaufprogramm für Anleihen, darf nicht dazu führen, dass der Reformdruck von den wirtschaftlich angeschlagenen EU-Mitgliedsstaaten genommen wird. Damit wird nur denjenigen politischen Kräften in Europa in die Hände gespielt, die sich wie im Fall Griechenland gegen dringend notwendige Strukturveränderungen sträuben. Im Endeffekt wird dies dazu führen, dass der Euro an Stabilität verliert, die deutsche Volkswirtschaft leidet und unsere Bürgerinnen und Bürger vor Ort schließlich die negativen Konsequenzen tragen müssen. Ein solches Szenario muss mit aller Kraft verhindert werden.

Auch die Asylproblematik bleibt eine Aufgabe, die Europa und alle politischen Ebenen darunter betrifft. Aufgrund des fortdauernden Zustroms von Flüchtlingen ist auf EU-Ebene eine Quotenregelung zu deren gerechter Verteilung dringend angeraten. Als KPV stehen wir dazu, alle Kräfte zu bündeln, um diejenigen Asylsuchenden zu unterstützen, die auch wirklich bedroht und hilfsbedürftig sind. Aber es wird sehr schwierig und die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet, wenn Menschen wie beispielsweise aus dem Kosovo nur aus rein wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen.

Die KPV fordert deshalb in diesem Fall deren rasche Abschiebung (noch vom Aufnahmelager aus), nachdem festgestellt wurde, dass kein Anspruch auf Asyl vorliegt. Darüber hinaus muss es von gemeinsamem EU-Interesse sein, dass durch gezielte Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen den Menschen in den sicheren Drittländern neue Perspektiven eröffnet werden, um sie in ihrer Heimat zu halten.

Als Kommunalpolitische Vereinigung haben wir vor kurzem genau über all diese gemeinsamen Herausforderungen mit dem Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, MdEP, einem der einflussreichsten europäischen Politiker, intensiv diskutieren können. Wir haben dabei ein klares Bekenntnis von Seiten der EU für die Anliegen der Kommunen eingefordert. Zu unserer großen Freude - denn wir wissen, sein Wort hat Gewicht - sagte er uns seine persönliche Unterstützung zu.

In der Folge wird es jetzt für uns darum gehen, weitere Mitstreiter zu finden, die in Europa für die Interessen unserer Bezirke, Städte, Märkte und Gemeinden lautstark ihre Stimme erheben. Denn für uns gilt folgende Prämisse: Nur ein kommunalfreundliches Europa wird für die Menschen die passenden Rahmenbedingungen für eine gute Zukunft in Frieden, Freiheit und Wohlstand bieten können.

Ihr Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender

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