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(GZ-9-2018)
Neues von Sabrina
 

Digitale Transformation forcierend

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Es kommt nicht darauf an, die Zukunft voraus zu sagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein“, zitiert der Bürgermeister Perikles. Für den Rathauschef bedeutet dies, dass man hierzulande die Chancen der Digitalisierung effizient nutzen sollte.

„Digitalpakte, Digitalisierungsoffensiven, Digitalisierungsministerien – jetzt geht es wirklich darum, das richtige Bewusstsein für die Herausforderungen der digitalen Transformation zu wecken und entsprechend auch Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit wir in Deutschland und Europa nicht total von den künftigen Entwicklungen abgehängt werden.“ Mein Chef, der Bürgermeister, hat gerade die Ergebnisse einer EU-Studie zu den Chancen der Künstlichen Intelligenz (KI) gelesen.

Die zeigen, dass wir noch einen erheblichen Weg vor uns haben, wenn wir Spitze in der schönen neuen Welt des Digitalen sein wollen. So werden nur 4 Prozent aller Daten, die weltweit verarbeitet werden, in der EU gespeichert. Zu Deutsch: Wir lassen das Gold des 21. Jahrhunderts im Boden liegen.

Gut, diese Klage mag drei Wochen vor Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung vielleicht etwas deplatziert wirken. Aber nur auf den ersten Blick, denn effektiver Datenschutz und zielgerichtete Datennutzung schließen sich nicht aus. Zumal gerade wir Deutschen so bereitwillig Daten von uns preisgeben. Fast jeder hat ein Konto bei ein oder mehreren Onlineshops und wir sammeln mit Leidenschaft Rabattpunkte, die wir in Gartenscheren, Topfsets und Gewürzstreuer eintauschen. Dafür geben wir detailliert Auskunft über unsere Einkaufsgewohnheiten, Vorlieben und Lebensumstände. Damit machen wir uns ganz freiwillig und aus Lust am Schnäppchen zur gläsernen Datenmelkkuh.

Zudem haben 37 Prozent der europäischen Arbeitnehmer nicht einmal Grundfertigkeiten im Umgang mit Computer und Co. Das klingt plausibel. Was will ein Pflasterer, ein Abbruchunternehmer oder ein Möbelpacker schon mit einem Computer anfangen? Naheliegend, aber kurzsichtig. Denn schon jetzt könnte ein Computerprogramm dem Pflasterer oder Fliesenleger die ideale Anordnung der Steine ausrechnen und vorschlagen. Der Abbruchunternehmer könnte bald nur noch hinter einem Schaltpult sitzen, wenn Maschinen die Drecksarbeit alleine machen. Und auch der Möbelpacker könnte zum reinen Logistiker werden, wenn Roboter lernen, Treppen zu steigen und überlange Sofas optimal im Raum eines engen Treppenhauses zu drehen.

Sodann attestiert der Bericht Europa Bärenstärke bei Forschung und Entwicklung, aber Mäusekräfte bei der marktreifen Anwendung von Innovationen. Das erinnert an das berühmte Faxgerät, das in Deutschland entwickelt wurde, man aber nicht glaubte, dass es ein Bedürfnis gäbe, mit hohem Aufwand Texte zwischen A und B zu kopieren, wenn man sie doch für ein paar Pfennige per Post schicken konnte. Japaner faszinierte die Technik, sie entwickelten sie zur Marktreife weiter und landeten damit einen Megacoup.

Dabei ist es sicher nicht so, dass damals oder heute jemand bei der Betrachtung seiner Briefmarkensammlung denkt, er befasse sich mit einer Zukunftstechnologie des Kommunikationswesens. Aber Europa ist zu risikoscheu. In vielen deutschen Ohren klingt das Wort Risikokapital wie der obszöne Aufruf zur Geldvernichtung, statt wie den Amerikanern als Musik der Rendite. Deshalb können sich auch Wirtschaftsjournalisten und Leserbriefschreiber hierzulande seitenweise über niedrige Sparzinsen echauffieren, aber keiner prangert die unzureichende steuerliche Förderung von Kapital an, das in Start-ups gesteckt oder für die Marktreife von innovativen Produkten aufgewendet wird.

Mein Chef, der Bürgermeister, hat eine Befürchtung. Nämlich, dass der Schwung und die Entschlossenheit, die es jetzt bräuchte, um die digitale Transformation voranzubringen und zu gestalten, über kurz oder lang durch fehlende Investitionsmittel, kleinliche Bedenken oder der puren Bräsigkeit einer satten Gesellschaft gebrochen werden. Dabei wusste schon Perikles, der große Staatsmann der griechischen Antike: „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft voraus zu sagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.“

Ihre Sabrina

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