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(GZ-12-2015)
Neues von Sabrina
 
Absurde Streikwelle
 

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Wieder keine Briefe heute? Von mir aus kann das so bleiben – es wird eh nur mehr Werbung per Post verschickt.“ Mein Chef, der Bürgermeister, erkundigte sich nach dem Sachstand an der „Streikfront“, also der Posteinlaufstelle. Fazit: Wer was vom Rathaus will, legt es selber in den amtlichen Briefkasten ein, nutzt private Zustelldienste oder mailt es uns. Richtig spürbar ist der Poststreik nicht.

Nicht mal die Tatsache, dass die „Bayerische GemeindeZeitung“ nicht zugestellt wurde, erschüttert meinen Chef, denn wir sind natürlich registrierte Nutzer des ePapers. Und so sehr es der Bürgermeister liebt, die Zeitung haptisch zu greifen, die Füße auf den Schreibtisch zu legen und darin zu blättern – die kompletten Infos gibt es auch digital. Wichtige Rubriken, wie etwa meine Kolumne, sind eh für jeden Nutzer frei zugänglich, also auch hier keine Entzugserscheinungen wegen des Poststreiks. Die Post selbst macht ja auch das Beste aus der Situation, indem sie intensiv auf den neuen Service ePost für sicheren Mailaustausch verweist und damit auf die elektronische Alternative zum analogen Brief aus dem eigenen Haus.

Gefühlt toben in Deutschland seit einigen Monaten lauter absurde und äußerst lästige Streiks, die eher an England oder Italien in den 1980er Jahren erinnern als an unser Land der Tarifpartnerschaft und der maßvollen Vernunft bei Arbeitskämpfen. Kluge Köpfe haben dafür natürlich eine Erklärung: Wir haben einen langen Aufschwung mit erheblichem Wohlstandsgewinn hinter uns, da wollen jetzt möglichst viele ein möglichst großes Stück abhaben, bevor es mit dem Wachstum vorbei ist – und sorgen damit dafür, dass sich Wachstum und Wohlstandsgewinn verlangsamen. So weit, so schlecht. Aber immerhin noch legitim, denn Streiks für eine andere Verteilung des Erwirtschafteten gehören selbstverständlich zur Sozialen Marktwirtschaft.

Insoweit ist der derzeit durch die Schlichtung unterbrochene Streik der Erzieher und sozialen Berufe rational nachvollziehbar. Die Beschäftigten möchten für ihre ohne Zweifel herausfordernde und wichtige Arbeit mehr Geld. Dies soll aus den Taschen der kommunalen Steuerzahler und der Eltern, die für ihre Kinder Gebühren zum Besuch der Krippen und Kindergärten berappen müssen, in die Taschen der Erzieherinnen und Sozialarbeiter fließen. Das kann man verstehen, wenn auch über das Ausmaß des Transfers geteilter Meinung sein.

Schwieriger wird es bei der Lufthansa, wo Vereinigungen mit Namen wie Cockpit oder Ufo ein in einer schweren Wettbewerbssituation stehendes Unternehmen zwingen wollen, Vorruhestandsmodelle aus goldenen Zeiten weiter zu führen, gegen die das griechische Rentensystem wie ein Ausbund neoliberaler Traumvorstellungen aussieht. Immer nach dem Motto „Für meinen Ruhestand wird’s schon noch reichen, die nach mir kommen scheren mich nicht.“ Schöne Solidarität.

Vollends absurd ist aber der Streik bei Bahn und Post. Bei der Bahn streiten sich zwei Gewerkschaften in der Art zweier Rotzlöffel, die beide zeigen wollen, wer der größere Quälgeist auf dem Spielplatz ist. Der bedauernswerte Personalvorstand macht ein Zugeständnis nach dem anderen, es könnte einen legendär hohen Tarifabschluss geben, aber es kehrt keine Ruhe ein, weil die wechselseitigen Eitelkeiten zu bedienen sind. Die Bahnkunden suchen sich derweil Alternativen und die Busbranche boomt. Genauso bei der Post: Da wird nicht nur der Paketdienst bestreikt, der im Zuge des Versandhandels immer wichtiger wird, sondern auch der Briefdienst, zu dem es viele Alternativen gibt. Im Grunde streiken die Leute gegen ihre eigenen Arbeitsplätze. Ist das zu begreifen?

Mein Chef, der Bürgermeister, ist da pragmatisch. Vielleicht werden im Zuge dieser absurden Streikwelle neben dem Tarifeinheitsgesetz noch andere bisher fehlende Spielregeln für Arbeitskämpfe in Kraft gesetzt, damit volkswirtschaftlicher Schaden vermieden wird. Und noch dürfte wahr sein, was der ehemalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt einmal humorvoll bemerkte: „In Deutschland geht mehr Arbeitszeit durch Grußworte verloren als durch Arbeitskämpfe.“

Ihre Sabrina

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