(GZ-23-2021) |
► GZ-Interview mit Norbert Müller, Hauptstraßenmeister im Landkreis Schweinfurt und Sprecher der Bayerischen Straßenmeister: |
Landkreis Schweinfurt mäht ökologisch |
Die bayerischen Straßenmeister sorgen für Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den Straßen. Zu den Aufgaben gehören die drei Bereiche Verkehrssicherung (Beschilderung, Markierung, Schutzplanken), Straßeninstandhaltung (Deckenbau, Risse vergießen und Oberflächennachbehandlung) und Straßenunterhaltung (Mähen, Winterdienst, Reinigung der Entwässerungsrinnen und Grabenräumung). Als sich eine Änderung im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) durch das Volksbegehren „Artenvielfalt“ abzeichnete, begann Norbert Müller, Hauptstraßenmeister im Landkreis Schweinfurt und Sprecher der Bayerischen Straßenmeister, sich mit dem Thema „Ökologisches Mähen“ zu befassen. Mit ihm und seinem Lieferanten, Stefan Dülk von der Firma Kurt Herold, sprach die GZ über die Herausforderungen, die eine ökologische Flächenbewirtschaftung mit sich bringt. GZ: Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema „Ökologisches Mähen“? Müller: Den Ausschlag gab die Diskussion um das Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“. Im Sommer 2020 bestellte der Landkreis Schweinfurt den Grünpflegekopf ECO 1200 plus der Firma Mulag und seit Frühjahr 2021 ist er im Einsatz. Dem war vorausgegangen, dass wir uns selbst für das Thema sensibilisieren und Abläufe neustrukturieren mussten; z.B. haben wir unser Mähkonzept angepasst. Dülk: Der Mähkopf hätte von Mulag auf der IFAT 2020 als Weltneuheit präsentiert werden sollen. Leider konnte die Messe nicht stattfinden. In Bayern gehört der Landkreis Schweinfurt mit zu den ersten Anwendern. GZ: Ökologisches Mähen und Konventionelles Mähen, können Sie den Unterschied kurz skizzieren? Müller: Im Mähkonzept wird unterschieden zwischen „Intensiven Flächen“ und „Extensiven Flächen“. Zu den „Intensiven Flächen“ gehören Bankette, Sichtdreiecke und die straßenseitige Grabenböschung. Die Pflege dieser Flächen betrifft die Verkehrssicherheit, deshalb werden sie weiterhin konventionell mit dem Randstreifenmäher zweimal pro Jahr abgemäht. Eine Änderung gibt es nur bei den „Extensiven Flächen“ also bei Böschungen, Grabenaußenseiten und Nebenflächen. Diese, so sieht es unser landkreiseigenes Mähkonzept vor, werden nur noch im Wechsel alle zwei Jahre mit dem neuen Mähkopf gemäht. Hier wird also 50 Prozent weniger gemäht. Wir orientieren uns dabei an unserem Straßennetz, so werden dieses Jahr die Extensivflächen der Kreisstraßen im nördlichen und nächstes Jahr die im südlichen Landkreisgebiet bearbeitet. Der Freistaat Bayern hat ein anderes Konzept. Auch hier werden die extensiven Flächen im Wechsel gemäht, aber im Schachbrettsystem. Dülk: Erklären muss man an dieser Stelle, dass „konventionell“ heißt, dass das Gras abgeschlegelt wird und größtenteils liegen bleibt. Das nennt man „mulchen“. Mit dem neuen Mähkopf wird, wie in der Landwirtschaft auch, das Grüngut mit kleinen Messern abgeschnitten. Das Schnittbild beim ökologischen Mähen ist ein anderes. Bisher wurden zwischen vier und acht cm Gras stehengelassen. Jetzt beträgt die Schnitthöhe zwischen zehn und 15 cm. Da die überrollte Fläche sehr gering ist, werden am Boden lebende Tiere geschützt. Eine gezielte Luftstromführung in einem geschlossenen Gehäuse ermöglicht, dass mehr am Boden liegen bleibt und nicht mit abgesaugt wird. Das schließt aber auch z.B. liegende Gräser mit ein, die dann auch nicht mitgemäht werden. GZ: Hinter der Idee des insektenfreundlichen, ökologischen Mähens steckt viel Hand- und Aufklärungsarbeit. Werden Sie auch gelegentlich angesprochen, wann denn endlich wieder jemand zum Mähen vorbeikäme? Müller: Ökologisch heißt nicht unbedingt schöner und natürlich kommt auch Kritik, meistens aus der Landwirtschaft und teilweise auch aus der Bevölkerung. Wir alle, Landwirtschaft, Bevölkerung und Fahrer, sind ein sauberes Schnittbild gewöhnt, denn das haben wir in der Vergangenheit abgeliefert. Jetzt sieht es anders aus. Zusätzlich kommt aus der Landwirtschaft die Befürchtung, durch Aussamung von Wildkräutern auf den eigenen Flächen einen höheren Aufwand betreiben zu müssen. Wir alle brauchen Zeit und Verständnis für die Umstellung. GZ: Wenn Sie heute einen Strich unter Ihre Bemühungen ziehen, hat sich denn etwas verändert? Erkennen Sie z.B. ein größeres Nahrungsangebot für Insekten? Müller: Ich bin kein Biologe und der Beobachtungszeitraum ist jetzt noch zu kurz. Aber ich denke schon, dass die Umstellung für Insekten und Kleinlebewesen eine gute Entscheidung ist. GZ: Welche Anschaffungen haben Sie getätigt und haben Sie ein paar Tipps, was unsere Leser und Leserinnen beachten sollten? Müller: Wir haben uns für einen Mähkopf entschieden, der zu unserem bestehenden Zugfahrzeug passt. Alle weiteren Gerätschaften, wie auch die Absauganlage inklusive Hänger, waren bereits vorhanden. Dülk: Wer sich heute für einen ECO 1200 Grünpflegekopf entscheidet, muss momentan mit bis zu neun Monaten Lieferzeit rechnen und das bei einem hohen Anschaffungspreis. GZ: Entlang von Straßen, insbesondere Autobahnen und Bundesstraßen, liegt viel Müll. Bisher hat das Mähverfahren dafür gesorgt, dass z.B. Glasflaschen sowie sämtlicher anderer Abfall in kleinste Splitter zerlegt dem Grüngut beigemischt sind. Das wiederum führt dazu, dass das abgemähte und eingesaugte Straßenbegleitgrün nicht überall abgeladen werden kann. Oft bleibt nur noch die Verbrennung als Sondermüll. Wenn nun der neue Mähkopf das Schnittgut nicht mehr ansaugt und der Müll ganz bleibt, was bedeutet das für die Straßenmeisterei? Müller: Der Landkreis Schweinfurt saugt die Mahd, wie bisher auch, komplett ein und lässt nichts liegen, um den Nitrateintrag gering zu halten. Deshalb ändert sich für uns nichts. Unser Grüngut wird im Anschluss abgesiebt und untersucht. Sobald eine Freigabe durch das Landwirtschaftsamt erteilt wurde, wird der Kompost an die Landwirtschaft übergeben. Das übrige Siebgut kommt auf die Deponie. Das ist eine aufwendige Nachbehandlung, aber immer noch billiger, als alles zu verbrennen. Jedes Frühjahr werden zusätzlich alle Straßen abgefahren und der Müll per Hand aufgesammelt. GZ: Ihrer Erfahrung nach, hat der Müll in Coronazeiten zugenommen? Müller: Nein. Es liegt viel Müll am Straßenrand, nach wie vor. Nur die Einführung des Dosen- und Flaschenpfands hat zu einer Verhaltensänderung geführt. GZ: Beschäftigt Sie die Müllsituation? Müller: Ja. Auch nach 35 Jahren Berufserfahrung als Straßenmeister macht es mich immer noch wütend. Jeder will die Umwelt retten, aber niemand fängt bei sich selbst an. GZ: Ihre Aufgaben erfordern ein hohes Maß an Sachkenntnis und sind in der Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern nicht immer einfach zu vermitteln. Haben Sie Schwierigkeiten mit dem Fachkräftemangel in Ihrem Bereich? Müller: Es wird immer schwieriger Fachkräfte zu gewinnen. Das ist schade, denn wir haben einen schönen Beruf. Wir haben nur noch die Möglichkeit, unseren Nachwuchs selbst zum Straßenwärter auszubilden. GZ: Wenn Sie in Bezug auf Ihren Verantwortungsbereich einen Wunsch freihätten, welcher wäre das? Müller: Ich wünsche mir von der Bevölkerung mehr Verständnis und Rücksicht auf unsere Mitarbeiter in Orange. Viele Verkehrsteilnehmer halten sich weder an Beschilderungen noch an Geschwindigkeitsbegrenzungen und vergessen, dass unsere Arbeit nur zum Wohle derer ist, die uns anvertraut sind. GZ: Vielen Dank für das Gespräch! CH
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