(GZ-7-2022) |
► GZ-Interview mit Wolfgang Bauer, Präsident LDBV: |
Agile Entscheidungsstrukturen beim Standortfaktor Digitalisierung |
Die 51 Ämter für Digitalisierung, Breitband und Vermessung sind 2014 aus den bayerischen Vermessungsämtern hervorgegangen. Die dazugehörige Aufsichtsbehörde und Schnittstelle zum Finanzministerium ist das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) mit Sitz in München und dessen Präsident ist seit 2017 Wolfgang Bauer. Bereits zu seinem Amtsantritt sprachen wir mit ihm über die vielfältigen Aufgaben des Landesamts und die Dienstleistungen für Kommunen, die hier abgerufen werden (vgl. GZ 21/2017). Fünf Jahre später, im digitalen Zeitalter eine halbe Ewigkeit, ist es Zeit für ein Update.
GZ: Kaum eine Entwicklung der letzten Jahre hat so große Auswirkungen auf alle Lebensbereiche genommen, wie das Internet und die damit verbundenen Dienste und Möglichkeiten. Die anhaltende Pandemie hat diesen Prozess nochmals beschleunigt. Ist Bayern gut vorbereitet und ausgestattet auf dem Weg in das digitale Zeitalter? Bauer: Grundlage jeder digitalen Gesellschaft ist eine leistungsfähige digitale Infrastruktur. Diese ist mehr denn je Standortfaktor für Unternehmen und sichert das tägliche digitale Leben und Arbeiten für Bürgerinnen und Bürger. Der Freistaat hat bereits Ende 2013 entscheidende Weichen gestellt und die Bayerische Vermessungsverwaltung eng in diesen Transformationsprozess eingebunden. Mit der Breitbandförderung wurden wir mit dem größten Infrastrukturförderprojekt in Bayern betraut. Als sichtbares Zeichen trägt unsere Verwaltung deshalb diese Zuständigkeiten auch im Namen: Digitalisierung und Breitband. Freistaat, Kommunen und Bund haben seitdem insgesamt über 2,5 Mrd. Euro für den Ausbau gigabitfähiger Infrastruktur in Bayern zur Verfügung gestellt. Und das mit Erfolg! Insbesondere im ländlichen Raum kommen bayerische Fördergelder zur Wirkung. Seit Ende 2013 konnte dort die Versorgung mit schnellem Internet (mind. 30 Mbit/s) um 66 Prozentpunkte auf rund 94 Prozent der Haushalte gesteigert werden. Bayern ist gut vorbereitet Bayernweit können über 90 Prozent der Haushalte 100 Mbit/s oder mehr nutzen, 64 Prozent sogar Gigabitbandbreiten. Damit wurden Distanzunterricht und Homeoffice in der Pandemie fast überall möglich gemacht. Mit der im März 2020 in Kraft getretenen Bayerischen Gigabitrichtlinie geht der Ausbau nun verstärkt weiter. Kurzum: Bayern ist gut vorbereitet! GZ: Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche (z.B. Homeoffice, Distanzunterricht ...) ist eine gute Internetanbindung ein zentraler Standortfaktor für jede Kommune. Rückgrat aller digitalen Anwendungen ist der Breitbandausbau in Bayern. Als Maß aller Dinge gilt inzwischen die Glasfaser ins Haus. Trotzdem gehört die Versorgung mit schnellem Internet nicht zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge und ist damit „eigentlich“ keine ureigene kommunale Aufgabe. Wie sehen Sie das? Deutschlandweit einmalige Begleitung der Kommunen Bauer: Die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern ist hier eindeutig: Breitbandausbau ist keine kommunale Pflichtaufgabe. Vielmehr sind gemäß Grundgesetz der Bund und die privaten Netzbetreiber für die Versorgung mit Telekommunikationsdiensten zuständig. Das ergibt auch Sinn, da Netze und Kommunikation schließlich nicht an den Gemeindegrenzen enden. Da der Glasfaserausbau durch die Netzbetreiber seit Jahren jedoch nur dort umfassend erfolgt, wo es sich wirtschaftlich rechnet, unterstützen hier der Freistaat und seine Kommunen auf freiwilliger Basis. Bayern hat unter den Bundesländern den größten Anteil an ländlichen Räumen. Über ein Viertel aller bundesdeutschen Haushalte in ländlichen Räumen befinden sich im Freistaat. Das ist in diesem Kontext eine enorme Herausforderung, denn gleichwertige Lebensverhältnisse haben in Bayern Verfassungsrang. GZ: Die Regensburger Landrätin Tanja Schweiger sprach im GZ-Gespräch in Ausgabe 4/2022 von einem Glücksgriff, dass den Vermessungsämtern auch die Aufgabe übertragen wurde, als Breitbandmanager den Kommunen in Förderfragen hilfreich zu Seite zu stehen. Können Sie bitte diese Struktur skizzieren und erläutern, worin der Nutzen dieser Dienstleistung für unsere Städte und Gemeinden besteht? Bauer: Die Breitbandmanagerinnen und -manager sind als Leitung der Ämter für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in jedem bayerischen Landkreis vertreten und stehen im Tagesgeschäft im ständigen Austausch mit den dortigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie der Gemeindeverwaltung. Die Kolleginnen und Kollegen haben ein Geodäsiestudium und eine Referendarausbildung zusammen mit der Verwaltung für ländliche Entwicklung absolviert. Damit besteht ein umfassendes Hintergrundwissen zu allen Fragen mit Raumbezug und ein gutes Verständnis im Bereich kommunaler Planungsaufgaben. Dieses Verständnis und die guten Kontakte nutzen wir vor Ort für die Breitbandberatung der Kommunen. Gerade für kleinere Gemeinden mit knappen Personalressourcen ist diese kostenfreie Beratung und Begleitung durch die Förderverfahren eine große Hilfe. Eine Beratung und Begleitung in der Fläche ist in dieser Form deutschlandweit einmalig. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass Bayern das einzige Bundesland ist, das neben dem erst seit April 2021 verfügbaren sogenannten Graue-Flecken-Förderprogramm des Bundes eine eigenständige Gigabitförderung für seine Kommunen anbietet. GZ: In ihrem vorigen Berufsleben haben Sie sich in der Staatskanzlei um die eGovernment-Anfänge in Bayern gekümmert. Neben der Umstellung auf eine „Virtuelle Behörde“ sollen Kommunen nun insgesamt „smarter“ werden. Worauf sollten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister den Fokus legen? Bauer: Die Begriffe „Smart Cities“ oder „Smart Regions“ werden meiner Meinung nach etwas überstrapaziert. Im E-Government ging es schon immer um eine möglichst smarte, also für den Bürger möglichst einfache und unkomplizierte Abwicklung von Verwaltungsaufgaben. Die genannten Begriffe gehen natürlich weit darüber hinaus und haben alle Abläufe einer Ortschaft oder Region im Fokus. BayernPortal In einem ersten Schritt sollten alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Wert auf eine gute Infrastruktur – also Breitbandausbau – als Grundlage für alle weiteren Digitalisierungsmaßnahmen legen. In einem zweiten Schritt müssen Partnerschaften geschlossen werden, da eine Gemeinde alleine nicht alle Digitalisierungsaufgaben bewältigen kann und es darüber hinaus auch keinen Sinn ergibt, dass sich 2.056 Gemeinden, Märkte und Städte in Bayern mit den gleichen Dingen beschäftigen. Hier müssen die Landkreise und auch der Freistaat Bayern mit entsprechenden Angeboten unterstützen. Mit dem BayernPortal oder im Rahmen der Geodateninfrastruktur Bayern bietet der Freistaat hier hochwertige Infrastrukturdienste. GZ: Im Zuge der Frage, ob pandemiebedingte Schulschließungen rechtens waren, hat das Bundesverfassungsgericht ein Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung anerkannt. Das heißt: Sollten erneut Schulen geschlossen werden müssen, müssen Kommunen, als Sachaufwandträger der Schulen, auf digitalen Distanzunterricht vorbereitet sein. Wie ist es um die digitale Infrastruktur der bayerischen Schulen bestellt und welche Schritte sollten hier ggf. in naher Zukunft unternommen werden? Enorme Fortschritte bei der Breitbandversorgung Bauer: Die Breibandversorgung der Schulen wird immer wieder kritisch thematisiert, die tatsächlich sehr gute Versorgungslage wird häufig nicht gesehen. Tatsache ist, es gibt enorme Fortschritte. Bereits seit 2018 liegt der Fokus der Bayerischen Staatsregierung auf diesem Thema: mit der Glasfaser/WLAN-Richtlinie wurde 2018 eigens ein unbürokratisches und einfaches Förderprogramm für Schulen, Krankenhäuser und Rathäuser aufgelegt. Bislang wurden über 78 Mio. Euro allein für Schulen zugesagt, 80 Prozent der öffentlichen Schulen sind aktuell gigabitfähig versorgt. 56 Prozent aller öffentlichen Schulen sind direkt mit Glasfaser angebunden, Glasfaseranschlüsse von weiteren 31 Prozent der öffentlichen Schulen befinden sich im Bau. Die Träger von weiteren 12 Prozent der öffentlichen Schulen haben Interesse signalisiert oder befinden sich bereits in der Bauausschreibung. Unser Ziel ist die optimale Versorgung aller Schulen in Bayern unter Nutzung der verschiedenen Förderinstrumente. Die Versorgungslage der bayerischen Schulen wird übrigens im BayernAtlas über den Kartendienst „Digitaler Schulatlas“ transparent dargestellt. Bayern ist hier also gut aufgestellt. Synergien bei Vermessung und Digitalisierung GZ: Wie passt eigentlich „Vermessung“ mit „Breitband“ und „Digitalisierung“ zusammen? Bauer: Das passt sehr gut zusammen. Die Bayerische Vermessungsverwaltung hat schon immer versucht mit Hilfe der Digitalisierung die eigenen Prozesse zu optimieren. Aktuell machen wir beispielsweise sehr gute Fortschritte beim Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz zur Objekterkennung aus Digitalen Orthophotos. Der Breitbandausbau wäre ohne einen Raumbezug nicht organisierbar. Das Wissen, wo Infrastruktur vorhanden ist und wo wie viele Hausanschlüsse zu bedienen sind, erfordert eine genaue Georeferenzierung und einen geübten Umgang mit Geodaten. Dies sind Hauptkompetenzen von Geodätinnen und Geodäten. Im Zuge der Gigabitförderung werden verschiedene amtliche Geodaten der Bayerischen Vermessungsverwaltung verarbeitet. So werden beispielweise rund 3,7 Mio. amtliche Hauskoordinaten, welche von den Ämtern für Digitalisierung, Breitband und Vermessung erhoben und gepflegt werden, als wesentliche Grundlage im Förderprozess verwendet. Zusammen mit den Nutzungsdaten aus dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) können wir die Gemeinden bei ihrer Bestandsaufnahme in der Festlegung der gewerblichen Nutzung von Hausadressen unterstützen. Ein Angebot, das von den Gemeinden gerne angenommen wird. Über den tagesaktuellen Kartendienst „Gigabitrichtlinie“ im BayernAtlas kann sich jede Bürgerin und jeder Bürger informieren, ob seine Wohnadresse Teil eines geplanten geförderten Gigabitausbaus ist. GZ: Kommunen verfügen über den Rohstoff der Zukunft: Daten. Sollten Kommunen mit ihren Daten Geld verdienen? Bauer: Die staatliche und die kommunale Verwaltung existieren nicht zum Selbstzweck, sondern sollen der Gesellschaft dienen. Daher bin ich persönlich der Auffassung, dass es unsere vordringlichste Aufgabe ist, staatlich erhobene Daten in die Nutzung zu bringen. Gebühren sollten kein Einstiegshemmnis darstellen und dazu führen, dass sich die potentiellen Nutzer alternative Datenquellen suchen, die in der Regel keinen Rechtsanspruch auf Richtigkeit zulassen. Auch in Hinblick auf die PSI-Richtlinie der EU – nach dem englischen Titel Re-use of Public Sector Information – halte ich Diskussionen über Gebühren für kommunale Daten für nicht zielführend. Die Daten der Kommunen dienen im Übrigen in der Regel der Zielerreichung auf dem Weg zu Smart Cities und Smart Regions. GZ: Was wollen Sie unserer Leserschaft, den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Bayerns Kommunen, mit auf den Weg geben? Bauer: Die Digitalisierung erfordert oft ein Umdenken und das Beschreiten neuer Wege. Dazu gehört für mich an erster Stelle der Mut, Entscheidungen in diese Richtung zu treffen, um voran zu kommen. Bekannte Vorgehensweisen funktionieren in der Schnelllebigkeit der Digitalisierung nicht mehr, es werden agile Entscheidungsstrukturen notwendig. In diesem Zusammenhang ist auch eine offene Fehlerkultur wichtig. Um technisch voran zu kommen, müssen Bündnisse eingegangen werden, da die einzelne Gemeinde oder Stadt schnell an ihre Grenzen stoßen wird. Der E-Government-Pakt mit den Kommunen, die Geodateninfrastruktur Bayern oder Cloud-Dienste unseres IT-Dienstleistungszentrums sind hier richtige Ansätze. Kommunale IT-Sicherheit Immer wichtiger wird es auch, sich intensiv mit der IT-Sicherheit auseinander zu setzen. Die Bedrohungslage wird zunehmend komplexer und für die einzelne Kommune nicht mehr beherrschbar. Hier hat die Bayerische Staatsregierung mit der Gründung des Landesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) bereits richtungsweisend agiert. Die Kommunen erhalten hier Unterstützungs- und Beratungsleistungen. Mit dem Siegel „Kommunale IT-Sicherheit“ ermöglicht das LSI gerade kleinen Kommunen einen effektiven Einstieg in die IT-Sicherheit. Und schließlich ist es wichtig, digital souverän zu bleiben, sich also nicht durch die technische Umsetzung von einem Hersteller abhängig zu machen. Auch darauf sollten die kommunalen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger bei allen Projekten achten. GZ: Vielen Dank für dieses Interview!
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