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(GZ-11-2022)
MdL Johannes Becher, Sprecher für kommunale Fragen bei Bündnis 90/Die Grünen
 

► GZ-Gespräch mit MdL Johannes Becher, Sprecher für kommunale Fragen bei Bündnis 90/Die Grünen:

 

Grüne Umfrage zur Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung: Kommunale Spielregeln  auf dem Prüfstand

Offener Beteiligungsprozess über Parteigrenzen hinweg: Die Grüne Landtagsfraktion lädt alle Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, aber auch alle interessierten Bürger im Freistaat zu einer Umfrage zu den Bayerischen Kommunalverfassungen ein. Hintergrund ist die anstehende Novelle der Gemeinde-, Landkreis- und Bezirksordnung im zweiten Halbjahr 2022, einhergehend mit der Vorlage eines Änderungsgesetzes durch die Staatsregierung. Die Teilnahme an der Umfrage, die im Sommer ausgewertet wird, ist im Zeitraum 1. Mai bis 30. Juni 2022 möglich, wie der Initiator der Umfrage, Johannes Becher, Grünen-Sprecher für kommunale Fragen, gegenüber der Bayerischen GemeindeZeitung erläuterte. Der Link zur Umfrage ist unter https://www.surveymonkey.de/r/5Z6N3S3 zu finden.

„Wenn man die Verfassung der kommunalen Demokratie reformieren will, muss man sich insbesondere die Stimmen der Rätinnen und Räte anhören. Dazu gab es bisher keine Befragung oder Beteiligung und wir wollen daher alle Gemeinde-, Kreis- und auch die Bezirksräte, Bürgermeister, Landräte und allen weiteren Interessierten die Möglichkeit geben, Vorschläge einzubringen, wo Sie Verbesserungsbedarf sehen oder sich mehr Praxistauglichkeit wünschen“, betonte Becher.

Ideen proaktiv einbringen

In der bisher vorgenommenen Evaluation habe das Innenministerium die Gemeinden und Landkreise nur indirekt über die kommunalen Spitzenverbände eingebunden. Wie der Grünen-Sprecher ausführte, „werden wir uns jeden Vorschlag ansehen und prüfen, welche Anregungen wir übernehmen können“. Die grüne Landtagsfraktion werde sich proaktiv mit eigenen Ideen einbringen.

Für Becher, der sich trotz seines jungen Alters bereits lange Jahre leidenschaftlich in der Kommunalpolitik engagiert, ist es wichtig, die kommunalen Spielregeln von Zeit zu Zeit zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um möglichst gute Lösungen vor Ort zu finden. Mit 30 Jahren wurde er 2018 erstmals in den Bayerischen Landtag gewählt. Seit 2008 ist Becher Kreisrat im Landkreis Freising sowie Stadtrat in Moosburg a. d. Isar, wo er bis 2020 als Jugendreferent fungierte. Darüber hinaus war er von 2013 bis 2018 als Bezirksrat im Bezirk Oberbayern tätig.

Eigene Herzensanliegen einbringen

Die nicht repräsentative Umfrage beinhaltet ca. 30 Fragen, die nicht nur im Multiple Choice-Verfahren gestellt werden, sondern auch die Möglichkeit bieten, in Textfeldern gezielt eine eigene Meinung zu äußern. Becher zufolge bedeutet dies einen erheblichen Aufwand in der Auswertung, bietet jedoch den Teilnehmern die Möglichkeit, ihre Herzensanliegen präzise mitzuteilen. Möglich ist dies sowohl anonym als auch per Datenhinterlegung.

Betrachtet man die Umfrage zur Gemeindeordnung – daneben gibt es auch Teilumfragen zur Landkreis- und Bezirksordnung –, so trifft man etwa auf die Frage nach der Zufriedenheit mit bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Sitzungsvorbereitung, zur Ladung der Mitglieder, und zur Durchführung der Gemeinderats- und Stadtratssitzung. Im Anschluss daran können Verbesserungswünsche mitgeteilt werden.

Vereinbarkeit von Ehrenamt, Familie und Beruf

Als eine der größten Baustellen auf der kommunalen Ebene definiert Becher die Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt, sprich die Vereinbarkeit von Ehrenamt, Familie und Beruf. Sich über einen Zeitraum von sechs Jahren zu verpflichten, sei mit zahlreichen Belastungen verbunden, erklärte der Landtagsabgeordnete. Damit die Demokratie vor Ort gut funktioniert, sei es notwendig, das kommunale Ehrenamt zu stärken und attraktiver zu machen, um letztlich dafür auch mehr Frauen zu gewinnen. Hierzu stünden etwa Vorschläge wie die Übernahme von Betreuungskosten während der Sitzungen oder die Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Raum. Damit einher geht die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Kommunalpolitik.

Informationsrecht und Transparenz

Eine weitere Frage widmet sich der aktuellen Rechtslage beim Thema Informationsrecht, wonach dieses, anders als dem einzelnen Kreisrat, nur dem Gemeinderat in seiner Gesamtheit zusteht, nicht jedoch dem einzelnen Mitglied. Das Recht erstreckt sich nicht auf beliebige Informationen, sondern ist beschränkt auf den Aufgabenbereich des Gemeinderats, d. h. auf Fragen der Verwaltung der Gemeinde und zur Überwachung der Gemeindeverwaltung. Ist der Umgang untereinander vernünftig und harmonisch, gibt es nach Bechers Erfahrung wenig Probleme. Anders stelle sich die Situation dar, wenn die Fronten verhärtet sind, weshalb aus seiner Sicht das Modell auf Kreisebene auch auf die Gemeindeebene übertragen werden sollte.

Immer mehr Gewicht erhält das Thema Transparenz und die Frage nach der Veröffentlichung von Beschlussvorlagen öffentlicher Sitzungen oder weiteren Protokollen im Internet. Beispiele aus zahlreichen Kommunen zeigen inzwischen, dass sich Transparenz in der Praxis mittels eines digitalen Ratsinformationssystems erfolgreich umsetzen lässt.

Berufsmäßige und/oder ehrenamtliche Bürgermeister

Der Frage nach gesetzlichen Regelungen zur Bildung und Besetzung der Gemeinderats- und Stadtratsausschüsse schließt sich die Bitte um Auskunft darüber an, ab welcher Gemeindegröße ein hauptamtlicher, berufsmäßiger Erster Bürgermeister zwingend erforderlich bzw. empfehlenswert ist. Es folgen die Themen Höchstaltersgrenze und Amtszeitbegrenzung. Bei hauptamtlichen Bürgermeistern gibt es eine Höchstaltersgrenze von 67 Jahren, bei ehrenamtlichen nicht. Die Regelung ist umstritten, nicht selten ist von „Altersdiskriminierung“ die Rede.

Direkte Mitbestimmung und echtes Meinungsbild

Klärungsbedarf besteht auch bei der Frage: Wieviel direkte Mitbestimmung brauchen wir? Sind Erleichterungen beim Thema Bürgerbegehren und Bürgerentscheide wünschenswert oder sollte die sog. Negativliste erweitert werden, wie aus Reihen der kommunalen Spitzenverbände zu vernehmen ist? Exemplarisch nennt der Bayerische Gemeindetag hier das Bauleitplanungsverfahren.

Für Johannes Becher ist es grundsätzlich wichtig, ein echtes Meinungsbild aus der Bevölkerung zu erhalten. Die Wahlbeteiligung müsse deshalb auch bei Bürgerentscheiden noch weiter erhöht werden. Als eine gemeinschaftlich erbrachte „grandiose Leistung“ und „Faustpfand“ bezeichnete er in diesem Zusammenhang den Bürgerentscheid gegen die dritte Startbahn auf dem Münchner Flughafen vom 17. Juni 2012.

„Im Sinne der Partizipation, aber auch der politischen Bildung“ zeigt sich der Landtagsabgeordnete „absolut vom Thema Jugendbeteiligung“ überzeugt. Schließlich war er selbst sechs Jahre Mitglied des Moosburger Jugendparlaments und drei Jahre dessen Vorsitzender.

Digitalisierung in der Kommunalpolitik

Kommunale Demokratie in Corona-Zeiten: Der bayerische Landesgesetzgeber hat mit Wirkung ab 17.03.2021 auch für 2022 hybride Gemeinderatssitzungen für zulässig erklärt. Wie es 2023 weitergeht, muss der Landtag noch in diesem Jahr entscheiden. Es gilt, datenschutzrechtliche Fragen in Bezug auf Livestreams oder Videoaufnahmen zu klären. Auch steht eine mögliche Speicherung in Mediatheken auf dem Prüfstand. Gleiches gilt für die kommunalen Pflichtaufgaben. Hier stellt sich die Frage: „Sollte das Thema Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zu einer Pflichtaufgabe werden?“

„Insgesamt versuchen wir, mit dem Fragenkatalog ein breites Meinungsbild zu bekommen“, bilanzierte Becher. Er sieht darin durchaus Potenzial für einige neue Anregungen, „die wir möglicherweise in der Form noch nicht auf dem Schirm hatten. Auf diese Weise könnten wir unsere ohnehin geplanten Änderungsanträge auch ein Stück weit ergänzen oder verfeinern. Ich bin da ganz zuversichtlich.“

DK

 

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