Interviews & Gesprächezurück

(GZ-20-2022)
GZ-Interview mit Roland Schmautz, Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern
 

► GZ-Interview mit Roland Schmautz, Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern:

 

Kernbotschaften zum Abschied

Die Zeichen stehen auf Wechsel: Am 31. März 2023 tritt Roland Schmautz, Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern, in den Ruhestand. Seit April 2013 verantwortet er das Ressort Sparkassen, das für Fragen des effizienten Betriebs-, der Steuerung und der Vertriebsförderung der Sparkassen sowie die Weiterbildung der Mitarbeitenden zuständig ist. Sein Nachfolger wird Stefan Proßer, derzeit Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Freyung-Grafenau. Über aktuelle finanzpolitische Herausforderungen auf europäischer und deutscher Ebene sowie Fragen der Sparkassen vor Ort äußerte sich Schmautz im Gespräch mit GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel.

Constanze von Hassel und Roland Schmautz. Bild: Eva Mang / SVB
Constanze von Hassel und Roland Schmautz. Bild: Eva Mang / SVB

GZ: Herr Schmautz, in naher Zukunft werden Sie ihr Amt an Stefan Proßer übergeben. Rückblickend gesehen: Wo lagen die Herausforderungen bei Ihrem Amtsantritt und wo sehen Sie momentan dringenden Handlungsbedarf?

Schmautz: 2013 lagen die Herausforderungen in den Themenfeldern Regulierung, Digitalisierung und Niedrigzinsphase. Aktuell beschäftigen uns nach Corona immer noch die Regulierung und Digitalisierung, jetzt vor allem aber auch die Energiekrise, die Inflation sowie das Thema Nachhaltigkeit bzw. die ökologische Transformation der Wirtschaft.

GZ: Sparkassen sind die Mittelstandsfinanzierer. Haben die bayerischen Sparkassen nach Pandemie, Ukraine-Krieg und Energiekrise noch Spielraum für drohende Insolvenzen?

Schmautz: Die Sparkassen verfügen über Kreditspielraum, d.h. sie können ihren Kunden im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit Krediten helfen und für finanzielle Stabilisierung sorgen. Sie können aber auch nur Kredite gewähren, die ein mittelständisches Unternehmen aller Wahrscheinlichkeit nach wieder zurückzahlen kann. Deshalb ist hier auch staatliche Unterstützung vonnöten. Insgesamt ist das eine große Herausforderung in diesen unsicheren Zeiten.

GZ: Wie betroffen sind die Sparkassen von Inflation und Lohnsteigerungen? Wie sieht es mit der Energieversorgung der Filialen aus?

Schmautz: Die Sparkassen kümmern sich bereits um Energieeinsparungen und sie stellen die Energieversorgung sicher, insbesondere für die kritische Infrastruktur- für Zahlungsverkehr, Rechenzentren etc. Wir sind hier auf einem guten Weg. Die Kostensteigerungen dafür betreffen sowohl Sparkassen als auch Dienstleister in hohem Maße. Wir sind dabei, Lösungen zu finden, damit die hohen Kosten letztlich für alle verkraftbar sind.

GZ: Der Deutsche Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis hat große Sorge, dass jetzt viele Bürger auf ihre Altersvorsorge zurückgreifen, weil das Geld nicht mehr zum Leben reicht.

Schmautz: Das bereitet auch mir Kopfschmerzen. Wir haben viele Kunden, die wenig oder gar nicht sparen können. Diese Kunden trifft die Inflation hart. Hier versuchen wir in Gesprächen zu erkennen, wo mittels Finanzierung und Überbrückung Hilfe möglich ist.

GZ: Hat die Entscheidung der EZB, den Leitzins massiv zu erhöhen, Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt?

Schmautz: Bei langfristigen Investitionen wird sich der höhere Zins sicherlich niederschlagen. Grundsätzlich haben wir in Bayern einen überschaubaren Anteil an Kassenkrediten, weil die Kommunen in aller Regel noch ausreichend Liquidität besitzen. In den kommunalen Haushalten wird weniger der Zinsanstieg, als vielmehr der Energiekostenanstieg in den Städten und Gemeinden eine Rolle spielen.

GZ: Ist der Beschluss somit im Grunde eine Erleichterung für den gesamten Finanzmarkt?

Schmautz: Aus meiner Sicht kommt die Entscheidung der EZB zu spät. Wir hatten bereits im vergangenen Jahr wiederholt auf die steigende Inflationsrate hingewiesen. Den Leitzins zu erhöhen, war grundsätzlich richtig und ist für den Sparer sicherlich von Vorteil. Für die Kunden, die sich z.B. ein Haus finanzieren möchten, wird es dagegen schwer, die Finanzierungsraten zu stemmen. Das beobachten wir an den Immobilienmärkten und insgesamt an der Nachfrage im Baufinanzierungsbereich, die bereits stark nachlässt. Insofern gehen wir auch davon aus, dass der Fokus künftig eher auf Renovierungs- und Sanierungsinvestitionen liegen wird.

GZ: Eine Frage an Sie als Digitalexperte zum Thema elektronische Bezahlverfahren: Wo geht die Reise hin?

Schmautz: Zunächst: Die bayerischen Sparkassen wollen Partner für jeden und jede sein. Wir merken aber z. B. massiv, dass Barzahlungen abnehmen. Die Kartenzahlung hingegen, immer häufiger auch kontaktlos, wird – vor allem unterstützt durch Corona – immer beliebter. Dabei ist die Girocard die meistgenutzte Karte im bundesweiten Zahlungsverkehr – Tendenz steigend. Und auch die Online-Bezahlung wird immer populärer. Schnell, einfach und sicher: Diese Vorteile digitaler Bezahlmöglichkeiten wollen die Menschen immer stärker in Anspruch nehmen.

Internationale Konkurrenz

GZ: Immer mehr (auch internationale) Konkurrenz (Paypal, Trade Republic und Co.) tummelt sich auf dem Finanzmarktplatz. Wie positionieren sich die bayerischen Sparkassen?

Schmautz: Neo-Broker sind vom Geschäftsanteil eher nicht die Konkurrenz der Sparkassen, und immer mehr unserer Kunden investieren in Wertpapiere und Fonds. Im Payment ist insbesondere Paypal ein starker Wettbewerber. Wir bieten den Kunden hier mit unseren Bezahllösungen allerdings andere leistungsfähige, sichere und einfache Bezahlverfahren an und bauen sie immer weiter aus.

GZ: Vor einigen Monaten fielen bundesweit Bezahlterminals aus – ein gravierender Vorfall für den Kartenzahlungsverkehr. Wie beurteilen Sie diesen Vorgang?

Schmautz: Das war ein Sonderfall, damit hat tatsächlich niemand gerechnet. Mittlerweile hat man erkannt, an welchem Softwarefehler es lag. Bezahlterminals sind insgesamt sehr stabil. In der Regel fallen nur einzelne aus. Aus dem Sonderfall haben alle Beteiligten ihre Lehren gezogen. Insofern gehe ich davon aus, dass so etwas nicht mehr passieren wird.

GZ: Wie ist es um die Zukunft des Bargelds bestellt?

Schmautz: Ich gehe davon aus, dass wir noch sehr lange Bargeld haben werden. Die deutschen Bürger haben im europäischen Vergleich schon immer eine Vorliebe für Bargeld. Wir werden allerdings feststellen, dass immer mehr, insbesondere junge Kunden, den Bargeldbestand für sich kleinhalten und einfach per Karte oder App bezahlen. Der Nebeneffekt ist ja auch eine bessere Buchhaltung, ein besserer Überblick über die Kaufaktivitäten. Bargeld wird also weiter im Umlauf sein, insbesondere bei Kleinstzahlungen, aber immer mehr durch Karten- und App-Zahlungen verdrängt werden. Da bin ich mir sicher. Das wird aber noch ein paar Jahre dauern.

GZ: Das OZG verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. 60 Prozent der Verwaltungsleistungen sind mit Gebühren verbunden. Das heißt, dass alle Verwaltungsleistungen, die digital in Anspruch genommen werden, auch online bezahlt werden müssen. Wie setzen die bayerischen Sparkassen diese Anforderungen um und welche Onlineservices bietet die S-Finanzgruppe den bayerischen Kommunen schon jetzt an?

Schmautz: Knapp 90 Prozent der bayerischen Kommunen setzen mittlerweile auf unsere Multi-Bezahllösung „GiroCheckout“. Über diese Plattform werden alle gängigen elektronischen Bezahlverfahren zur Integration in die kommunalen Bürgerportale angeboten: vom neuen „giropay“ bis hin zu Kreditkarten- oder Lastschriftzahlungen – allesamt Bezahlverfahren, die eine einfache, schnelle und vor allem sichere Abwicklung unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards ermöglichen. Die zehn Prozent, die noch fehlen, sind oftmals kleinere Kommunen, die bisher noch keine digitalen bezahlpflichtigen Leistungen eingeführt haben.

Einige Kommunen nutzen auch unser Eintrittsmanagement

„Access by S-Public Services“ in Stadien, für Events oder Schwimmbäder sowie beispielsweise auch Vereine für ihre verschiedenen Kurse. Auch unser E-Ladesäulen-Konzept inkl. kompletter Paymentlösung wird stark nachgefragt. Auch hier zeigt sich einmal mehr: Die Sparkassen sind ein starker Finanzpartner der Kommunen. Allerdings ist gerade beim Thema kommunale Digitalisierung noch viel Luft nach oben.
Digitalisiert euch!

GZ: Nach vielen Jahren Tätigkeit in der bayerischen Finanzwelt: Welche Botschaft geben Sie an unsere Leser, die bayerischen, kommunalen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, weiter? Was werden Sie in die Verantwortung Ihres Nachfolgers übergeben?

Schmautz: Meine Kernbotschaft an die Kommunen lautet: Digitalisiert euch! Ihr besitzt jede Menge Potenzial, um die digitalen Prozesse voranzutreiben und damit sowohl die Bürger und Unternehmen als auch die Verwaltung zu entlasten. Unsere Bürger sind schon digitaler unterwegs, als wir es selbst glauben. Deshalb gilt es die bereits vorhandenen digitalen Lösungen zu nutzen und weiter auszubauen. Es lohnt sich.

Nachhaltigkeit und Klima

Ein weiteres Kernanliegen ist das Thema Nachhaltigkeit und Klima. Wir sollten hier alle Möglichkeiten vor Ort nutzen, uns vernetzen, und alles tun, um sowohl private, unternehmerische als auch kommunale Initiativen in Sachen Klimaschutz zu fördern.

Wir machen dies bereits, sowohl bei der Finanzierung von Unternehmen in Sachen ökologische Transformation als auch z.B. für Hausbesitzer mit einem zinsgünstigen Klimakredit für energetische Sanierung. Und auch wir Sparkassen tragen selbst zur CO2-Reduktion bei.

Mein Nachfolger ist Sparkassenpraktiker und kennt die Herausforderungen und Anliegen der Sparkassen und Kommunen bestens. Er wird die sehr gute Zusammenarbeit mit den Kommunen partnerschaftlich fortsetzen.

DK 

 

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