Interviews & Gesprächezurück

(GZ-1/2-2023)
GZ-Interview mit Markus Last, Geschäftsführer der energie schwaben gmbh
 

► GZ-Interview mit Markus Last, Geschäftsführer der energie schwaben gmbh:

 

Die Gasversorgung ist gesichert

Deutschland will unabhängiger werden von fossilen Energien – für mehr Klimaschutz und eine sichere Energieversorgung. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gilt es, die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen schnell und massiv zu begrenzen. Wie stabil aber ist die Gasversorgung in Deutschland? Und welche Perspektiven bietet das Thema? Darüber sprach GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel mit Markus Last, Sprecher der Geschäftsführung der energie schwaben gmbh und Vizepräsident des DVGW.

Constanze von Hassel im Gespräch mit Markus Last. Bild: Kathrin Urbanek
Constanze von Hassel im Gespräch mit Markus Last. Bild: Kathrin Urbanek

GZ: Herr Last, ein hoher Gasspeicher- Füllstand ist für Deutschlands Gasversorgung in der Energiekrise essenziell. Wie ist die Lage?

Markus Last: Momentan liegt der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland bei 91 Prozent (Stand: 08.01.2023). Mitte November hatte er die 100- Prozent- Marke erreicht. Danach leerten sich die Gasspeicher zunächst mehrere Wochen lang, Ende Dezember füllten sie sich dann aber wieder langsam aufgrund der höheren Temperaturen.

GZ: Reicht das aus?

Last: Aus meiner Sicht ist die Gasversorgung in Deutschland stabil. Wir werden gut durch den Winter kommen.

GZ: Was macht Sie so sicher? Immerhin bekommt Deutschland aus Russland kein Gas mehr.

Last: Zunächst: Deutschland verbraucht im Jahr rund 1.000 Terawattstunden Gas, davon ca. 35 Prozent für industrielle Anwendung, etwa 42 Prozent für Gebäudeheizung, ca. 8 Prozent für Fernwärme und etwa 15 Prozent für Verstromung. Ohne russisches Gas bekommen wir vor allem aus Norwegen, aus den Niederlanden und deutlich erhöhten LNG- Mengen täglich rund 3 Terawattstunden Gas geliefert. Aus den Gasspeichern lässt sich im gesamten Winter durchschnittlich jeden Tag rund 1,5 Terawattstunden entnehmen, an Spitzentagen auch einmal 2,5-3 Terawattstunden. Das sind gigantische Mengen. Weitere Entlastungen werden fünf schwimmende Flüssigerdgas (LNG)- Terminals bringen. Der erste Anleger in Wilhelmshaven hat den Betrieb bereits aufgenommen und noch in diesem Winter sollen weitere Terminals in Brunsbüttel und Lubmin in Betrieb gehen. Für die allermeisten, auch kalten Wintertage reichen diese 5,3-6 Terrawattstunden gut aus. Auch hilft es, dass das Gewerbe den Gasverbrauch spürbar gesenkt hat.

GZ: Richtig spannend wird dann wohl der nächste Winter?

Last: In der Tat. Die Frage wird sein: Mit welchem Speicherfüllstand starten wir zur Befüllung für die Winterperiode 2023/24? Laut Gasspeichergesetz sollen am 1. Februar 2023 für den verbleibenden Restwinter noch 40 Prozent sichergestellt sein. Aktuell geht die Bundesnetzagentur sogar davon aus, dass die Speicher am Ende des Winters zu mehr als 50 Prozent gefüllt sein werden. Das stimmt mich optimistisch.

Erdgasförderung auch in Bayern möglich

GZ: Historisch war das Stromnetz auf die Versorgungsrichtung Erzeuger – Verbraucher ausgelegt. Inzwischen muss eine Einspeisung in das Stromnetz viel flexibler möglich sein und der Netzaus- und -umbau ist in vollem Gange. Bio-Methan, Wasserstoff, Erdgas: Das Puzzle Gasversorgung wird gerade genauso kräftig gemischt. Verträgt das bestehende Gasnetz einen Mix aus diversen Gasarten?

Last: Das ist kein Problem. Es ist aber technisch erforderlich, dass man die Gasqualitäten technisch so angleicht, dass sie auch in unser System passen.

GZ: Besteht die Möglichkeit, auch vor Ort Erdgas zu fördern?

Last: Ja, diese Möglichkeit wird geprüft. Es gibt Zusagen vom bayerischen Staat, dass bestimmte Förderstätten wieder reaktiviert werden dürfen.

GZ: Mit dem Thema Klimaschutz verbindet sich seit einigen Jahren auch ein enormes Interesse an dem Energieträger Wasserstoff. Geht es nach Minister Aiwanger, soll künftig in jedem Landkreis mindestens ein Elektrolyseur stehen, der mit Photovoltaik und Windstrom Wasserstoff erzeugt und Wasserstoff-Tankstellen und andere Verbraucher vor Ort versorgt. Ihre Meinung?

Last: In Deutschland werden etwa 3.200 Terawattstunden Primärenergie verbraucht. 70 Prozent dieser Energie importieren wir. Zu den Mengen, die wir auch in Zukunft einführen müssen, wird auch Wasserstoff zählen. Diesen können wir hierzulande auch über Elektrolyse zur Verfügung stellen. Dabei würde es sich zwar nur um kleinere Insellösungen handeln, jedoch macht es Sinn, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Die großen Mengen Wasserstoff müssen zukünftig jedoch importiert werden.

GZ: Die Wasserstoff-Transformation steht klar auf Ihrer Agenda. Ich denke dabei an die neue Gas-Hochdruck-Leitung, die Bayern und Baden-Württemberg verbindet.

Last: Bereits vor gut einem Jahr haben schwaben netz und Netze Südwest ein gemeinsames Gasleitungs-Großprojekt abgeschlossen. Die Hochdruckleitung führt vom bayerischen Illertissen über knapp sechs Kilometer nach Dietenheim in Baden-Württemberg. Sie verbindet jetzt die Gasnetze der beiden Bundesländer und trägt zur zukunftsfesten Energieversorgung von mehr als 50.000 Menschen in der Region Iller bei. Eine zweite HD-Leitung verbindet die Gasnetze in Bayern und Baden-Württemberg im Bereich Nördlinger Ries. Beide Leitungen sind bereits für den Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff ausgelegt.

GZ: Was heißt das?

Last: Wenn Wasserstoff anstelle von Methan durch die neuen Leitungen strömt, bedeutet dies eine veränderte Beanspruchung des Materials. Daher wurde bei der Auswahl der Komponenten besonderer Wert auf die Wasserstoff-Readiness gelegt. Die neuen Netzabschnitte sind optimal auf die Wasserstoff-Transformation eingestellt. In Bayerisch Schwaben sind bereits heute 90 Prozent des Gasnetzes bereit für Wasserstoff. Das bedeutet, wir verfügen über ein hervorragendes Transportsystem, durch das wir in Zukunft CO2-neutral grünen Wasserstoff leiten können.

GZ: Müssen sich Endkunden darauf einstellen, dass sie neue Heizsysteme kaufen müssen?

Last: Klares Ja, bei 100 Prozent Wasserstoff. Im Status quo können aber viele derzeit eingebaute Gasgeräte eine Wasserstoff-Beimischung von bis zu 20 Prozent problemlos vertragen. Es wurde gesetzlich festgeschrieben, dass ab 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Den Austausch von allen Ölkesseln durch Einbau eines wasserstofftauglichen Gaskessels würden wir natürlich begrüßen.

Kommunale regionale Informationsveranstaltungen

GZ: energie schwaben ist ein eng mit der Region verwurzelter Energieversorger und nah an den Privatkunden und der lokalen Wirtschaft. Welche Sorgen und Nöte werden an Sie herangetragen und was sagen Sie den Menschen?

Last: Seit einiger Zeit führt energie schwaben im Versorgungsgebiet kommunale Informationsveranstaltungen durch. Dort erörtern wir mit den kommunalen Entscheidungsträgerinnen und -trägern Fragestellungen wie die aktuelle Energieversorgung. Mit diesem Format haben wir bereits zahlreiche Amtsträger und -trägerinnen erreicht und festgestellt, dass sie dankbar sind, mit einer kompetenten Mannschaft vertrauensvoll über komplexe Themen sprechen zu können und somit die inhaltliche Einordnung besser funktioniert. Sehr beschäftigt hat die Rathauschefs das Thema Strom-Blackout. Auch hier lautet unsere Botschaft, kühlen Kopf zu bewahren. Im Nachgang stehen wir auch immer telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung.

GZ: Aufklärung steht also an erster Stelle.

Last: Der Austausch ist uns sehr wichtig. Zur Information darf ich auch auf den BNA-Lagebericht verweisen. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht hier von Montag bis Freitag eine Einschätzung zur Gasversorgung. Außerdem stellt sie die wichtigsten Daten zu Lastflüssen, Speicherfüllständen, Gasverbrauch und Preisentwicklung als interaktive Grafiken zu Verfügung.

GZ: Aus erdgas schwaben wurde dieses Jahr energie schwaben. Was wie ein schnelles Reagieren auf eine aktuelle Situation wirkt, ist im Grunde ein langer Transformationsprozess. Warum wurde dieser angestoßen?

Last: Der Bekanntheitsgrad der Marke erdgas schwaben in der Region war zugegeben phänomenal. Deswegen ist es uns auch nicht leichtgefallen, diesen Schritt zu gehen. Fakt ist aber auch, dass Stromvertrieb, Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, also Wasserkraft, PV und Wind, und ein breites Portfolio an Dienstleistungen wie Contracting oder Baugebietsentwicklungen seit langem zu unseren Kernkompetenzen gehören. Auf dieser Erfahrung bauen wir auf, und damit das noch deutlicher zu erkennen ist, heißt unsere Marke nun energie schwaben. Der Zeitpunkt der Umsetzung war sicherlich richtig gewählt.

GZ: Dauerhaft unabhängiger zu werden und konsequent alle Weichen in Richtung Ausbau der erneuerbaren Energien und Versorgung mit CO2-neutralen Gasen zu stellen, ist ihr Ziel. Dabei strebt energie schwaben auch die eigene Klimaneutralität bis 2040 an.

Last: Im Jahr 2021 haben wir den deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) als Führungsgröße eingeführt. Im Bericht zum DNK haben wir zusammengefasst, was energie schwaben für die nachhaltige Entwicklung unserer Heimat schon heute leistet und in Zukunft noch erreichen wird. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, zunächst unseren eigenen CO2-Fußabdruck zu ermitteln. Und für diese CO2-Emissionen, die wir selbst verursachen, haben wir uns auch bereits klimaneutral gestellt.

Aktuell erstellt unsere Netzgesellschaft den sog. Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP). Dieser ermittelt die Transformationsbedarfe auf lokaler Ebene, um die regionale und sichere Versorgung mit klimaneutralen Gasen konkret auszugestalten. Dies geschieht in Abstimmung mit den Kommunen und den ansässigen Industrie- und Gewerbekunden. Diesen Weg werden wir konsequent gehen, um künftig in der Lage zu sein, CO2-neutralen Wasserstoff durch unsere Netze zu transportieren und damit Industrie- und Gewerbekunden und unsere Wärmekunden zu beliefern.

GZ: Aus diesen eigenen Erfahrungen erwuchs eine Dienstleistung, nämlich die Unterstützung von Kommunen beim Erreichen der eigenen Klimaneutralität.

Last: Exakt. Aktuell erfährt das Thema einen deutlichen Schub, weil die Bundesregierung zum Jahresende eine bundeseinheitliche kommunale Wärmeplanung auf den Weg gebracht hat. Diese soll ein zentrales Koordinierungsinstrument für die dezentrale Wärmewende sein. Kommunen ab 10.000 bis 20.000 Einwohnern sollen verpflichtet werden, eine solche Planung vorzunehmen, sprich eine Strategie hin zu einem kompletten klimaneutralen Wärmemarkt zu entwickeln. Im Gespräch mit den Bürgermeistern bieten wir an, den Weg mit uns gemeinsam zu gehen, weil wir über eine Menge Know-how und Information verfügen. Der Wärmemarkt ist schließlich unser Kerngeschäft und wir sagen selbstbewusst „Der Wärmemarkt in Bayerisch Schwaben gehört uns“.

Mehr Technologieoffenheit

GZ: Die Liste an Aufgaben ist lang.

Last: Ja, aber jetzt in Ruhe und ohne Scheuklappen an der Energiewende zu arbeiten, ist eine wirklich tolle Aufgabe. Von der Bundespolitik wünschen wir uns mehr Technologieoffenheit. Besser wäre es, keine Verbote auszusprechen. Eine Regelung über die Einhaltung des CO2-Zielwerts wäre hier sicherlich sinnvoller. Grundsätzlich plädieren wir für eine größere Vielfalt an Lösungen und fordern dies auch immer wieder ein.

DK

 

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