(GZ-3-2024 - 1. Februar) |
► Interview mit Andreas Streb, Vorstandsmitglied der Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte, Ingolstadt: |
Bitcoin ist ein Rohstoff: „Im Grunde betreiben wir Verbraucherschutz“Als erste Regionalbank deutschlandweit unterstützt die Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte mit Hauptsitz in Ingolstadt ihre Mitglieder und Kunden bei der Verwahrung von Bitcoin mit Know-how. Wie das funktioniert, warum sich die Bank mit Bitcoin auseinandersetzt und ob Kommunen für das Thema sensibilisiert werden müssen, erklärt Vorstandsmitglied Andreas Streb im Gespräch mit Constanze von Hassel, Chefredakteurin der Bayerischen GemeindeZeitung. GZ: Herr Streb, seit wann und warum beschäftigen Sie sich persönlich mit dem Thema Bitcoin? Andreas Streb: Mein Nachbar wollte im März 2020 von mir wissen, ob wir als Bank uns mit dem Thema „Bitcoin“ auseinandersetzen. Ich persönlich war bis zu diesem Zeitpunkt der Meinung, dass Bitcoin nichts mit Geld zu tun hätte und Blockchain war für mich ein Fremdwort. Aber mein Interesse war geweckt und ich habe in einem Selbstversuch über die Börse Stuttgart Bitcoin gekauft. Das war nicht so einfach und mir wurde dadurch bewusst, dass für unsere Kunden Beratungsbedarf besteht, den wir als regionaler Ansprechpartner für unsere Kunden decken müssen. Sicherheit im System GZ: „Bitcoin ist Energieverschwendung und erleichtert Kriminalität“: Wie oft hören Sie das und was entgegnen Sie? Streb: Solche Fragen zeigen, dass die Person viel Meinung und wenig Ahnung hat. Das soll nicht herablassend klingen; es ist mein voller Ernst. Um Bitcoin zu verstehen, braucht es Zeit, die man bereit sein muss zu investieren. Verkürzt lässt sich sagen: Das System Bitcoin hat nichts mit Betrügereien zu tun, wie sie beispielsweise rund um den Crash der Krypto-Börse FTX passiert sind. Sonst müsste jede Bankenpleite auch stellvertretend eine Pleite unseres Finanzsystems sein. Bitcoin ist auch kein Schneeball- oder Pyramidensystem. Und zum Energiethema: Nur weil etwas Energie verbraucht, heißt das nicht, dass es schlecht ist: E-Mobilität verbraucht Energie, Streaming verbraucht unendlich viel Energie, reguläre Finanzdienstleistungen verbrauchen Energie. Bei Bitcoin, hinter dem ein dezentrales, Computer-Netzwerk mit offener Programmierung steht, resultiert der hohe Energieverbrauch aus der Verwendung des „Proof-of-Work“-Algorithmus, der der Bitcoin-Blockchain zugrunde liegt und der für Sicherheit im System sorgt. In diesem System wird jeder neue Bitcoin durch Energie erzeugt und die Erzeugung wird immer schwieriger, was Bitcoin so wertvoll macht. Zudem ist die Erzeugung sehr streng limitiert. Noch strenger als zum Beispiel der Goldabbau. Anders ausgedrückt: Der Wert von Bitcoin spiegelt sich im hohen Energieeinsatz, denn dieser ist die sichere Verbindung aus der digitalen in die reale Welt. Lebenslange Kundenbeziehungen GZ: Wie ist es Ihnen gelungen, Ihren Vorstand zu überzeugen, dass ein eigenes Angebot sinnvoll ist? Streb: Unsere Bank gibt es seit 125 Jahren und unsere Kunden betreuen wir selbst vor Ort und vermitteln sie nicht an jemand anderen für spezielle Angebote wie beispielsweise Bitcoin. Unsere Kundenbeziehungen halten ein Leben lang. Mit dieser Prämisse, verbunden mit unserem Anspruch, als Dienstleister Unterstützung in sämtlichen finanziellen Angelegenheiten zu liefern, war sich der Vorstand über die Sinnhaftigkeit einer Auseinandersetzung mit der Thematik sehr schnell einig. Schließlich hat sich so auch ein völlig neues Produkt für die Bank entwickelt. GZ: Gab es unerwartete Hürden? Wer hat Ihnen in der Umsetzung geholfen? Werden Sie von anderen (Regional-)Banken nach Ihrer Expertise gefragt? Streb: Lassen Sie mich hier etwas ausholen: Seit 2020 steht im Kreditwesengesetz (KWG), der Bibel aller Banker, dass Anbieter von Kryptowährungen eine Banklizenz brauchen. D.h. die deutsche Bankenwelt hätte spätestens dann wissen müssen, dass Kryptoverwahrung Bankgeschäft ist. Aber wie schon bei Paypal und Co. wurde auch hier die Entwicklung verschlafen und mit der Firma Coinbase war es wieder ein amerikanisches Unternehmen, das die erste Kryptoverwahrlizenz in Deutschland beantragt und auch bereits im Juni 2021 bekommen hat. Wir sind tatsächlich die erste heimische Bank, die ihren Kunden ein Bitcoin-Angebot machen kann. Und nur allein deswegen konnten wir über 100 Neukunden gewinnen, die nur deshalb auf uns gekommen sind. Die wären sonst zu einem anderen, vielleicht weniger seriösen Anbieter gegangen. Im Grunde betreiben wir Verbraucherschutz. Für uns war die Entwicklung dieses komplett neuen Produktes außergewöhnlich und absolutes Neuland. Wir haben uns die Expertise von Joe Martin, Bitcoin-Berater und Buchautor, ins Haus geholt und alle 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aus dem Vertrieb über die Innenrevision bis hin zur Compliance-Abteilung, sowie die Führungsriege intensiv geschult. Ich war in allen diesen Sitzungen dabei. Mit der rechtlichen Unterstützung des Genossenschaftsverbands Bayern und auch durch die Bundesbank war es uns möglich, 2022 an den Start zu gehen. Jetzt gibt es bundesweit Nachfragen und mit der Volksbank Mittlerer Schwarzwald hat das erste Institut unsere Idee übernommen. GZ: Was ist Ihr konkretes Angebot? Streb: Durch unsere gemeinsame intensive Beschäftigung mit Bitcoin haben wir den Mehrwert ermittelt, den wir unseren Kunden bieten können. Daraus haben wir ein Dienstleistungsangebot entwickelt, das die drei folgenden Hauptthemen abdeckt: Kundeninformation: Schritt 1 ist ein einstündiges Informationsgespräch, das Basiswissen vermittelt: Was ist die Blockchain, was ist eine Wallet, welche unterschiedlichen Wallets gibt es, was ist der Private-Key, usw. Im nächsten Schritt leisten wir Unterstützung bei der Verwahrung, denn Bitcoin ist im Grunde digitales Gold für dessen sichere Lagerung der Besitzer selbst sorgen muss. Nützliche Werkzeuge und ein gemeinsam mit Joe Martin entwickeltes Handbuch bieten wir in einem Online-Shop über unsere Website (https://www.vr-bayernmitte.de/privatkunden/sparen-geldanlage/bitcoin.html) an. Und schließlich können unsere Kunden über das Girokonto sehr einfach Bitcoin erwerben. Wichtig ist, dass die Bank nicht die Bitcoin der Kunden verwaltet. Der Kunde ist immer selbst verantwortlich, wird aber von uns kompetent unterstützt. GZ: Warum nur Bitcoin? Streb: Bitcoin ist die einzige echte dezentrale Blockchain-Anwendung, die weltweit sicher funktioniert. Sie ist für jeden nachvollziehbar und gegen Manipulationen gesichert. Bitcoin ist unabhängig, hat keine Zentrale, keinen Emittenten und keine Marketingabteilung. Gary Gensler, Vorsitzender der US-Börsenaufsicht SEC, verwendet folgendes Bild: Bitcoin ist Rohstoff, alle anderen Kryptowährungen sind Wertpapiere, hinter denen wieder ein erfolgsabhängiges Geschäftsmodell steht. Wenn wir noch das Beispiel Ethereum bemühen wollen, neben Bitcoin eine andere Kryptowährung. Hier konnte 2022 der Mechanismus von „Proof of Work“ zu „Proof of Stake“ mit dem Ziel geändert werden, den Energieverbrauch zu reduzieren. Aber allein die Tatsache, dass eine so drastische Änderung möglich war, zeigt ja, dass möglicherweise auch andere Änderungen an der Kryptowährung vorgenommen werden könnten. Daher ist Ethereum für uns keine Option, weil wir unseren Kunden keine solchen Risiken zumuten wollen. GZ: In El Salvador ist Bitcoin offizielles Zahlungsmittel. Der Schweizer Kanton Zug, die Gemeinde Zermatt und jetzt auch die Stadt Lugano erlauben die Bezahlung von kommunalen Dienstleistungen und Steuern in Bitcoin. Könnte das auch für unsere Kommunen denkbar sein? Streb: Dass Bitcoin offizielles Zahlungsmittel wird, das braucht noch Zeit. Dass er dafür taugt, habe ich bei einer Bitcoin-Konferenz in Lugano selbst erlebt. Dort kann inzwischen in 300 Geschäften mit Bitcoin gezahlt werden. Insbesondere in Ländern ohne funktionierendes Finanzwesen übernimmt Bitcoin bereits Funktionen z.B. als Wertspeicher. In El Salvador waren unter anderem die horrenden Gebühren auf internationale Transaktionen in US-Dollar der Grund, Bitcoin einzuführen und die Vielzahl der Menschen ohne Bankverbindung. Lösung für Unternehmen Dass bayerische Kommunen sich eine Wallet zulegen, das glaube ich vorerst nicht. Auch wir als Bank kaufen kein Bitcoin. Kommunen verwalten kein eigenes Geld und als Entscheider hat man dann schnell ein Rechtfertigungsproblem. Aber wer weiß, Aktien wurden bis vor 25 Jahren auch noch als Spekulationsobjekte abgelehnt. Bei Bitcoin besteht die Herausforderung, wie verhindert werden kann, dass eine Person, die die Bitcoin für die Gemeinde oder Behörde verwaltet, mit der Wallet verschwindet. Denken Sie an die Analogie zu Gold, nur das Bitcoin sehr viel leichter zu transportieren ist! Aber auch hier arbeiten wir an einer Lösung, einer sogenannten Multisignatur-Wallet, die z.B. für Unternehmen interessant werden könnte. Mit einer Multisig-Wallet können nur dann Transaktionen vorgenommen werden, wenn zwei von drei Verantwortlichen zustimmen. Einer dieser drei könnte aus Sicherheitsgründen die Bank sein. Was aber durchaus für Kommunen und deren Stadtwerke interessant werden könnte ist, dass Bitcoin tatsächlich zur Stromnetzstabilität beitragen kann. In Texas wird das schon gemacht, denn Mining-Maschinen können, anders als Rechenzentren, ohne Datenverluste schnell zu- und abgeschaltet werden, was sie zu einem interessanten Stromnetzstabilisator macht. Auch in Bayern gibt es innovative Unternehmen, wie die in der Kunststoffverarbeitung tätige Kläger Group aus Neusäß bei Augsburg. Deren Tochter Terahash sieht Bitcoin-Mining als innovativen Lösungsansatz, wenn es um Wärmegewinnung geht. Für die eigene wärmeintensive Produktion sind auch schon Mining-Maschinen im Einsatz. Wir arbeiten mit dem Unternehmen zusammen und stehen natürlich für weitere Informationen als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung. Kontroverse Digitaler Euro GZ: Der Digitale Euro wird vorbereitet. Ihrer Meinung nach: Brauchen wir einen Digitalen Euro? Streb: Niemand braucht den Digitalen Euro, er ist völlig unnötig. Ich denke auf der europäischen Ebene sieht man Bitcoin als Problem auf sich zukommen und meint daher ein digitales Angebot schaffen zu müssen. Aber wir haben bereits digitales Geld auf unseren Girokonten. Außerdem soll der Digitale Euro weder als Blockchain-Anwendung noch als Token konzipiert sein. Und damit ist er nichts weiter als ein Computerprogramm irgendwo in einer Cloud, das natürlich auch weiterhin programmierbar sein wird, da mache ich mir nichts vor. Wir gehen zwar immer davon aus, dass unsere Regierungen es gut mit uns meinen. Was aber, wenn wir mit dem Digitalen Euro etwas erschaffen, aus dem wir so einfach nicht mehr rauskommen? Daher müssen wir als Gesellschaft frühzeitig intervenieren. CH |
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