(GZ-5-2024 - 29. Februar) |
► GZ-Interview mit René Schoof, Technischer Geschäftsführer der schwaben netz gmbh: |
Lösungen nach Maß für die klimaneutrale EnergiezukunftSichere Versorgung, erneuerbare Energien und ein breites Portfolio an Dienstleistungen für Privathaushalte, Kommunen und Gewerbe – das bietet die energie schwaben Gruppe. Mehr als 210 Städte und Gemeinden versorgt die energie schwaben-Tochter schwaben netz über ein 7.100 Kilometer langes Leitungsnetz. Fließt heute noch überwiegend Erdgas durch die Leitungen, werden in Zukunft zunehmend klimaneutrale Gase wie Biogas und Wasserstoff transportiert werden. Wie sich das Unternehmen für die Herausforderungen der Zukunft wappnet und welchen Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz der traditionelle Gasnetzbetreiber schon jetzt leistet, darüber sprach GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel mit René Schoof, Technischer Geschäftsführer der schwaben netz gmbh. GZ: Herr Schoof, seit Sommer 2023 sind Sie Technischer Geschäftsführer der schwaben netz gmbh. Wo waren Sie vorher beruflich tätig und warum sind Sie nach Augsburg gewechselt? René Schoof: Bei E.ON und zuletzt Uniper war ich zehn Jahre für das Thema Wasserstoff zuständig und habe große technische Projekte begleitet, die uns die grüne Transformation ermöglichen werden. Tatsächlich hat mich bei schwaben netz neben dem attraktiven Standort Augsburg die Aufgabe gereizt, meinen gesammelten Erfahrungsschatz in die Praxis umzusetzen, denn der Umbau unserer Energieversorgung ist eine Herausforderung, die regional bewältigt wird und bei der die bestehende Infrastruktur Teil des künftigen nachhaltigen Energiesystems sein muss. Ohne Kohlenstoff gibt es kein Leben GZ: Das heißt, das bestehende Gasnetz muss auf eine Weise ertüchtigt werden, dass es nicht überflüssig wird, sondern weiterhin an der Wertschöpfung teilhaben kann? Schoof: Exakt. Das ist unser Hauptaugenmerk. Das Gasnetz in Deutschland verfügt über 550.000 Kilometer Rohrleitungen im Untergrund sowie 25 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität. Der DVGW hat diese Infrastruktur mit rund 260 Milliarden Euro Volksvermögen bewertet. Das ist gesellschaftlich akzeptiert. Fakt ist: Wir müssen den Energieträger Gas defossilisieren, zum Beispiel mit Hilfe von Biomethan. Ich sage bewusst nicht dekarbonisieren, denn ohne Kohlenstoff gibt es kein Leben. Klar ist schon jetzt, es wird nicht nur die eine Lösung geben, sondern viele, damit wir die Anforderungen an eine klimaneutrale Energieversorgung erfüllen können. GZ: Wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat schwaben netz und was bietet das Unternehmen seinen Kunden an? Schoof: Aktuell sind wir etwa 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Bereichen Technik, Planung, Bau und Betrieb sowie kaufmännisch tätig sind. Bislang war die Verteilung von Gas und der Anschluss an das Verteilnetz unser Hauptangebot. 120.000 private Haushalte und 850 Industriekunden sind an unser Netz angeschlossen. Mit Blick auf die Energiewende ist unsere Leistungspalette allerdings vielfältiger geworden: Neben dem klassischen Geschäft unterstützen wir die Industriekunden etwa bei der Umstellung auf grüne Energien (Stichwort H2-Readiness). Aktuell führen die Ferngasnetzbetreiber in Zusammenarbeit mit uns eine Abfrage nach dem Wasserstoffbedarf in den einzelnen Regionen durch. Das Ergebnis fließt in einen Szenariorahmen, den die Bundesnetzagentur prüfen wird. Daraus werden sich Bedarfe ergeben, die in den Netzausbau und -neubau für die Jahre 2025 bis 2028 einfließen werden. GZ: Vor zwei Jahren noch konnte niemand die energiepolitische Entwicklung absehen. Bereits zehn Jahre beschäftigen Sie sich mit dem Thema Wasserstoff. War es damals schon das Ziel, langfristig die fossilen Brennstoffe zu ersetzen? Schoof: In den vergangenen zehn bis 15 Jahren hat sich in puncto Wasserstoff sowohl in Deutschland als auch in Europa viel getan. Als ich mit dem Thema Power-to-Gas in Berührung kam, ging es darum, langfristige Speichermöglichkeiten für erneuerbare Energien zu finden. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass es mit dem Zubau von Erneuerbaren – Windkraft im Norden und Photovoltaik im Süden Deutschlands – Situationen geben wird, in denen die Netze nicht in der Lage sind, den Strom aufzunehmen oder aber Kapazitäten fehlen, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind. 2013 war ich E.ON-Projektleiter für eine der ersten Power-to-Gas-Anlagen im brandenburgischen Falkenhagen. Sie erzeugte mit Hilfe von Elektrolyse rund 360 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde. Dieser wurde vor Ort in das regionale Ferngasnetz eingespeist und stand damit als Beimischung im Gas für die Erzeugung von Wärme und Strom zur Verfügung. Das war die damalige Grundidee. GZ: Und wie gestaltete sich der weitere Prozess? Schoof: Letztlich setzte sich in der Branche die Erkenntnis durch, dass Wasserstoff nicht nur auf die Energiespeicherung und den Transport beschränkt ist, sondern auch stofflich genutzt werden kann. Seit dem russischen Angriffskrieg wurden deutschlandweit zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht. Es besteht aber die Gefahr, dass Deutschland aufgrund ungünstiger politischer Rahmenbedingungen hier den Anschluss verliert. Dies gilt es zu verhindern. Vergesst nicht die Physik, die Investitionen und die Versorgungssicherheit! GZ: Aber auch in der Energiebranche sind verlässliche Strukturen doch unverzichtbar? Schoof: Investitionsentscheidungen, die wir heute treffen, haben zum Teil Amortisationszeiten von mehreren Jahrzehnten. Die Halbwertszeit bestimmter Gesetzgebungsverfahren ist aber mittlerweile sehr kurz. schwaben netz hat mit 210 Kommunen Gasnetzkonzessionen vereinbart. Vor allem als 2023 eine Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) beschlossen wurde, war die Verunsicherung im Netzgebiet groß. Wir haben Ruhe bewahrt und Aufklärungsarbeit geleistet. Sowohl technisch als auch regulatorisch versuchen wir als Partner der Kommunen, unsere Erfahrungen und Sichtweisen einzubringen. Wir betonen aber schon: Vergesst nicht die Physik, die Investitionen und die Versorgungssicherheit! ‚Transformation in ein Erneuerbare-Gase-System‘ GZ: Trotz der unsicheren Rahmenbedingungen: Halten Sie daran fest, bis 2040 klimaneutral sein zu können? Schoof: Ab 2045 hat sich Deutschland gesetzlich verpflichtet, klimaneutral zu wirtschaften, für Bayern gilt dies schon ab 2040. Das ist der Rahmen, unter dem wir uns aufstellen. Deshalb verfolgen wir auch genau jetzt das Thema ‚Transformation des Erdgassystems in ein Erneuerbare-Gase-System‘. Wenn der Rahmen passt, ist das Vorhaben umsetzbar. GZ: Wir sprechen hier vom schrittweisen Abschied von fossilem Erdgas. Wie wollen Sie dieses ersetzen bzw. den Bedarf sicherstellen? Schoof: Es gibt zwei Varianten. Ein wichtiger Baustein für die Energiewende ist Biomethan. Deutschland verfügt über etwa 8.000 Biogasanlagen, die allerdings überwiegend Strom aus Gas erzeugen. Die 20 Jahre währende EEG-Förderung wird in den nächsten Jahren auslaufen, so dass sich die Betreiber überlegen, wie sich eine solche Anlage in Zukunft rechnet. Speziell bei uns im Netzgebiet besteht großes Interesse, Biogas einzuspeisen. Momentan baut schwaben netz mehrere Einspeiseanlagen, zuletzt auf dem Hof Burgösch bei Baisweil im Ostallgäu. Damit werden wir zwar nicht das komplette Gassystem umstellen können. Wir gehen davon aus, dass wir in Bayerisch-Schwaben perspektivisch 20 bis 25 Prozent an Erdgas ersetzen können. GZ: Und was geschieht mit dem Rest des zu verteilenden Erdgases? Schoof: Hier kommt der grüne Wasserstoff ins Spiel. Mit dem Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) wird der Transformationsbedarf auf lokaler Ebene ermittelt, um die regionale und sichere Versorgung mit klimaneutralen Gasen konkret auszugestalten. Dies geschieht in Abstimmung mit den Kommunen und den Industrie- und Gewerbekunden vor Ort. Als Teil der energie schwaben Gruppe war schwaben netz von Anfang an Mitbegründer der Initiative H2vorOrt, deren Mitglieder den GTP erarbeiten. Mehr als 95 Prozent des regionalen Verteilnetzes von schwaben netz ist bereits H2-ready. Die vor uns liegende Aufgabe ist, bis 2045 zu 100 Prozent klimaneutrale Gase im Netz zu haben. Laut der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB), die an der finalen Modellierung des Wasserstoff-Kernnetzes und dessen Optimierung gearbeitet haben, werden wir voraussichtlich 2032 nördlich von Augsburg ein neues Wasserstoff-Kernnetz mit einer Leitungslänge von ca. 9.700 Kilometern bekommen. Es wird zu etwa 60 Prozent auf bestehenden Gasleitungen basieren, die umgestellt werden. GZ: Zu wieviel Prozent werden wir in Deutschland unseren Wasserstoffbedarf decken können? Schoof: Deutschland verbraucht jährlich etwa 2.500 Terawattstunden an Primärenergie, davon werden 70 Prozent aus dem Ausland importiert. Diese Größenordnung wird sich in Zukunft kaum verändern, Deutschland wird sich auch in Zukunft nicht vollständig selbst versorgen können. Die Frage ist: Was haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Begeben wir uns wieder in direkte Abhängigkeiten? Und hier bietet der Wasserstoff vielleicht den Vorteil, nicht auf einen einzigen Lieferanten angewiesen zu sein. GZ: Als regional starker Netzbetreiber ist schwaben netz Ansprechpartner der Kunden vor Ort. Ob Gebäudeenergiegesetz oder Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung – es kommt einiges auf uns zu. Wie ist aktuell die Stimmung bei Ihren Kunden, spüren Sie Unsicherheit? Wie können Sie Unterstützung bieten? Schoof: Momentan sind Ruhe und Sachlichkeit in die Diskussion eingekehrt. GEG und WPG geben die Leitplanken vor, in denen sich die Kommunen bewegen müssen. Viele unserer Konzessionskommunen sind klein und haben nicht die Ressourcen, alle Neuerungen hauptamtlich in vollem Umfang umzusetzen. Als energie schwaben-Gruppe bieten wir an, mit ihnen gemeinsam eine kommunale Wärmeplanung durchzuführen. Und wie ich schon sagte: Es gibt nicht die eine Lösung. Das geplante Einbauverbot von Gasheizungen der Bundesregierung war ein Fehler. Wir sagen hier ganz deutlich: Im Neubau wird Gas in Zukunft keine große Rolle spielen. Da ist die Wärmepumpe sicherlich das Mittel der Wahl. Im Bestand aber muss es andere Optionen geben. Mit dem WPG ist das jetzt gut gelungen, da es jeder Kommune die Pflicht, aber auch das Recht gibt, für sich selbst zu entscheiden, was die beste Lösung ist. Mehr Diskurs, mehr Sachlichkeit, Ruhe und Pragmatismus GZ: Wenn Sie sich etwas wünschen dürften, das Ihnen die Arbeit erleichtert: Was wäre das? Schoof: Ich kann hier für die gesamte Energiebranche sprechen: mehr Verlässlichkeit vonseiten der Politik! Wir wünschen uns, dass sachlich gearbeitet wird, dass man Expertinnen und Experten zu Wort kommen lässt, ihnen zuhört und sie richtig interpretiert. Im Moment scheint mir die Politik getrieben von sich selbst. Ich wünsche mir mehr Diskurs, mehr Sachlichkeit, Ruhe und Pragmatismus. Deutschland wurde einmal als das Land der Dichter und Denker bezeichnet. Diese Tradition sollten wir wieder aufleben lassen. Dann finden wir auch die richtigen Lösungen. DK |
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