(GZ-20-2024 - 24. Oktober) |
► GZ-Interview mit Matthias Dießl, Präsident des Sparkassenverbandes Bayern: |
Kommunen und Sparkassen: Heimat mit Zukunft„Die Regionalität muss erhalten und die Sparkasse als lokales Institut wahrgenommen werden. Grundlage für den Erfolg ist die starke wirtschaftliche und gesellschaftliche Verankerung in unserer Heimat“, betont Matthias Dießl, seit 1. Januar 2024 Präsident des Bayerischen Sparkassenverbandes. Seit mehr als 200 Jahren stünden die Sparkassen für das, was heute unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ zusammengefasst wird. Im Gespräch mit GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel nahm der langjährige Fürther Landrat Stellung zu aktuellen Themen, wie etwa dem Spannungsfeld zwischen öffentlichem Auftrag und regulatorischen Anforderungen. GZ: In der Bayerischen GemeindeZeitung gibt es eine Rubrik „Zu Gast bei ...“. Wir reisen durch Bayern und stellen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern Fragen, um frühzeitig herauszufinden, mit welchen Themen sie sich auseinanderzusetzen haben. Auch bei Ihnen waren wir schon zu Gast. Auffällig ist, dass viele kommunal engagierte Persönlichkeiten entweder einen Sparkassenhintergrund haben oder aus der Verwaltung kommen. Warum engagieren sich viele Sparkassler auch kommunal? Dießl: Wir Sparkassen sind in der Region zu Hause. Das beeinflusst auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv in ihrem täglichen Tun. Denn Sparkassen kennen natürlich die kommunalen Strukturen, und sie geben der Region durch ihr soziales Engagement etwas zurück aus dem Erfolg ihrer Arbeit. Auch bieten wir in unseren Instituten die Möglichkeit, sich im Ehrenamt und kommunalpolitisch zu engagieren. Zum anderen geht es bei der Sparkassenausbildung natürlich um Finanzthemen, die immer auch Lebensthemen sind. Es werden viele Kompetenzen vermittelt, die man gut einsetzen kann, wenn man in einem Gremium mitarbeitet oder eben auch, wenn man z.B. im Hauptamt Bürgermeister wird. GZ: In besagtem GZ-Interview haben Sie sich auch dazu geäußert, wie Sie in Erinnerung bleiben wollen. „Ich stehe für nachhaltige Politik, sowohl in Bezug auf die konsequente Umsetzung von Konzepten und Maßnahmen für die Entwicklung unseres Landkreises als auch hinsichtlich der Schaffung einer gesunden Finanzbasis, damit in Zukunft ebenfalls Spielräume zur Gestaltung bestehen.“ Dießl: Das Thema Finanzen konnte ich an der Stelle nicht ganz ausschließen. Alle Maßnahmen, die wir in einer Kommune, in der Organisation, ergreifen, spiegeln sich am Ende immer auch in Zahlen wider. Nur wenn ich die Ressourcen habe, in bestimmte Bereiche zu investieren, kann ich auch etwas umsetzen. Erkennt und versteht man diesen wechselseitigen Bezug, hilft es, Organisationen und Gemeinden entsprechend zu entwickeln. Auch in der öffentlichen Verwaltung schadet Finanzkompetenz nicht. GZ: Ureigenste Aufgabe der Sparkassen ist die Bereitstellung einer soliden Finanzinfrastruktur vor Ort, gerade auch im ländlichen Raum und in einem Flächenstaat wie Bayern. Wie sehr belastet das die Sparkassen in Zeiten permanent steigender regulatorischer Anforderungen aus Brüssel und Berlin in ihren eigentlichen Arbeitsfeldern und in ihrer Kostenstruktur? Dießl: Dort, wo die Menschen sind, wollen wir aktiv sein und ihren Bedürfnissen gerecht werden, indem wir gute Dienstleistungen anbieten. Was eine Sparkasse erwirtschaftet, fließt nicht irgendwohin ab, sondern wird wieder in der Region investiert. Die Steuerzahlungen landen direkt vor Ort in den Gemeindekassen. Dies ist ein fest etabliertes System, das eine regionale Wertschöpfung sicherstellt. Wenn nun aus Brüssel, häufig auch von der Europäischen Zentralbank, Regelungen kommen, belastet uns das auch als Sparkassen. Die Regelungen werden oft vereinheitlicht, es wird nicht differenziert zwischen einem international tätigen oder einem regional vor Ort verankerten Institut. Wir sehen dies manchmal als überbordend an. Klar ist es wichtig, Dinge zu regeln, eine Regulatorik und eine Aufsicht zu haben, um eine Finanzstabilität sicherstellen zu können. Aber diese Regulierungen sind äußerst umfangreich. Das belastet uns in der Tat und bindet teilweise erhebliche Ressourcen in den jeweiligen Häusern. Finanzstabilität sicherstellen GZ: Wie kann der Sparkassenverband hier unterstützend wirken? Dießl: Wir unternehmen große Anstrengungen, um unsere Belange auf übergeordneter Ebene deutlich zu machen. Wir versuchen, auf angepasste Regelungen in der Aufsicht oder in der Bürokratie hinzuwirken. Für uns ist die Proportionalität, die Anpassung der Regeln an die Größe eines Instituts, wichtig. Auch wir Sparkassen arbeiten daran, Komplexität zu reduzieren und Dinge zu standardisieren, um kosteneffizient arbeiten zu können. In Teilen hilft uns dabei die Digitalisierung. Wir wollen vor Ort vor allem Ansprechpartner und Berater sein und unsere Leistungen effizient und gut erledigen. GZ: Fühlen Sie sich denn auch gehört? Dießl: Wir stehen in einem intensiven Dialog und unsere Anliegen werden auch zur Kenntnis genommen. Auch BaFin-Präsident Mark Branson hat darauf hingewiesen, dass die Kalibrierung der europäischen Finanzregulierung nicht abgeschwächt werden dürfe, stellt aber weniger Komplexität und mehr Proportionalität in Aussicht. Manche Auflagen, so wurde angekündigt, sollen jetzt erleichtert werden – Beispiel: die Meldepflichten. Das geht in die richtige Richtung, aber wir können uns noch einiges mehr vorstellen. Kein Zusatznutzen durch digitalen Euro GZ: Sie sprachen eben die Digitalisierung an. Diskutiert wird gerade die Einführung eines digitalen Euro. Markus Ferber erklärte im GZ-Interview in der Weihnachtsausgabe 2023: „Wir müssen extrem vorsichtig sein, dass wir durch den digitalen Euro nicht unser eigenes Bankensystem schwächen.“ Was unternehmen die Sparkassen, um diese Vorsicht walten zu lassen? Dießl: Die Sorgen, die Herr Ferber formuliert, teilen wir natürlich. Deswegen stehen wir auch in einem intensiven Dialog mit der Europäischen Zentralbank. Wir wollen verstehen, warum sie der Meinung ist, dass wir einen digitalen Euro brauchen. Denn so wie er aktuell konzipiert ist, sehen wir keinen Zusatznutzen. Banken und Sparkassen arbeiten jetzt zum Beispiel ohnehin sehr intensiv daran, mit der digitalen Wallet Wero ein europäisches Zahlungssystem aufzubauen, das funktionstüchtig, transparent und sicher ist. GZ: Können Sie konkrete Bedenken benennen? Dießl: Falls wir den digitalen Euro in der jetzt geplanten Form einführen müssten, würde das auch bei den Banken massive Investitionen nach sich ziehen und Ressourcen binden. Möglicherweise könnten z.B. wir in der Sparkassen-Finanzgruppe über einen längeren Zeitraum keine weiteren Innovationen im Payment umsetzen, was uns im Wettbewerb mit Banken aus anderen Ländern außerhalb Europas eher schwächen würde. Dies kann nicht im Sinne der Europäischen Union sein, daher suchen wir den Dialog. Wir sagen, dass es sicherlich sinnvoll sein mag, über eine digitale Variante des Euro nachzudenken. Die Ausgestaltung muss aber sehr klug überlegt sein. Am Ende dürfen wir nicht überfordert und geschwächt werden. Eine Schwächung wäre es zum Beispiel, wenn größere liquide Mittel in digitale Wallets abflössen. Damit stünde den Banken weniger Liquidität zur Verfügung, die sie z.B. Unternehmen oder Bauherren in Form von Krediten geben könnten. Auch das ist eine Gefahr. GZ: Ihre Prognose: Kommt der digitale Euro? Dießl: Die Europäische Zentralbank verfolgt das Ziel des digitalen Euro aus unserer Sicht äußerst konsequent. Am Ende muss natürlich auch auf europäischer Ebene eine politische Entscheidung getroffen werden. Finanzbildung im Visier GZ: Obwohl eine Einführung einen immensen Eingriff in unser Währungssystem darstellen wird, kommt eine Diskussion darüber in der breiten Öffentlichkeit noch nicht so recht in Gang. Was auf uns zukommt, ist wenig greifbar und es wird generell wenig über Geld gesprochen. Kenntnisse in Finanz- und Wirtschaftsfragen sind aber entscheidend für die Gestaltung unseres kompletten Lebensumfeldes. Was unternehmen die bayerischen Sparkassen, um eine entsprechende Bildung in der Bevölkerung zu fördern? Dießl: Den Sparkassen ist die Finanzbildung seit jeher wichtig. Wir bieten vor Ort z.B. Workshops an, informieren etwa über das Thema Altersvorsorge oder geben Tipps zur privaten Finanzplanung. Dabei stellen wir auch fachspezifische Materialien zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir vor Ort sehr früh einen Sparkassen-SchulService eingerichtet. Damit unterstützen wir die Schulen im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags mit einem breiten Medienangebot. Das digitale Lernprojekt „Planspiel Börse“ beispielsweise ermöglicht jungen Menschen einen spielerischen und praxisnahen Zugang zum Handel mit Wertpapieren. Aktuell denken wir mit unserer Stiftung über ein Bildungszentrum nach. Aber auch jedes Kundengespräch ist ein Rahmen für die Aufklärung unserer Kunden, hier sprechen wir detailliert über Geld. GZ: Ihr Vorgänger Prof. Ulrich Reuter vertrat in einem GZ-Interview des Jahres 2021 die Auffassung, dass nach der Corona-Krise Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimakriterien in der Finanzindustrie eine wichtigere Rolle spielen werden. Ist das jetzt der Fall? Dießl: Ja, das ist so, aber im Moment spielen gerade gesellschaftspolitische Themen eine große Rolle. Wir erleben eine gewisse Spaltung in der Gesellschaft. Wir haben im Moment schwierigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. An unseren Kreditierungen sehen wir auch, dass Unternehmen leider teilweise nicht vor Ort investieren, sondern dafür ins Ausland gehen. Belastend sind für sie hierzulande vor allem die überbordende Bürokratie und hohe Energiekosten. Grundsätzlich müssen wir darauf achten, uns wirtschaftlich weiterzuentwickeln und gleichzeitig Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimathemen im Blick zu haben. Das geben auch die regulatorischen Anforderungen vor. Es darf aber nicht so weit kommen, dass wir einem regionalen, zukunftsträchtigen Unternehmen keine Finanzierung mehr unterbreiten können, nur weil es in keiner grünen Technologie unterwegs ist. Fakt ist: Der Prozess der Veränderung muss leistbar bleiben. Weibliches Führungspersonal: Luft nach oben GZ: Nachhaltigkeit bedeutet auch, mehr weibliches Führungspersonal in den Chefetagen zu etablieren. Wie kommen die bayerischen Sparkassen und der Verband hier voran? Dießl: Sparkassen sind überwiegend weiblich. 62 Prozent unserer Belegschaft sind Frauen. Anders verhält es sich in den Führungsebenen, wo wir einen Frauenanteil von lediglich 22 Prozent verzeichnen. Hier ist noch Luft nach oben. Damit mehr Frauen Führungsverantwortung übernehmen können, sind wir als Verband in einem guten Austausch mit unseren Sparkassen. In unserer Akademie bieten wir beispielsweise verschiedene Mentoringprogramme für Frauen an. Zum anderen haben wir mit unseren Sparkassen vereinbart, dass bis spätestens 2030 in jeder Sparkasse mindestens eine Frau als Stellvertretendes Vorstandsmitglied fungieren soll, damit sie danach berufungsfähig ist. Die besondere Herausforderung ist hierbei die sogenannte Geschäftsführereignung, die von der Aufsicht genehmigt sein muss. GZ: Können Sie dies näher erläutern? Dießl: Die Aufsicht entscheidet darüber, ob Bewerber die Anforderungen erfüllen, ein Kreditinstitut zu führen. Der Nachweis eines entsprechenden Abschlusses genügt hierfür nicht, man muss u.a. auch Kreditvergabekompetenz vorweisen. Der Weg muss also vorbereitet werden. Mit dem Ziel, in jeder Sparkasse ein stellvertretendes weibliches Vorstandsmitglied zu haben, schaffen wir eine breitere Basis für Bewerbungen auf Vorstandspositionen. Wir sollten als Organisation stets darauf achten, die Gesellschaft möglichst gut abzubilden. Dies ist bei uns in den Führungsebenen derzeit noch nicht gegeben. Wir arbeiten daran aber sehr intensiv. GZ: Wagen Sie für uns einen Blick in die Glaskugel. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen und Chancen für die Sparkassen in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Blick nach vorn Dießl: Ein ganz großes Thema für uns ist Personal. Wir erwarten, dass uns in den nächsten zehn Jahren 30 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter planmäßig verlassen werden, weil sie in Rente gehen. Sich darauf vorzubereiten, ist eine große Herausforderung für die Sparkassen. Deswegen nehmen wir unsere personelle Aufstellung, auch mit Blick auf den Fachkräftemangel, sehr stark in den Fokus. In diesem Zusammenhang gilt es zudem, über die Bedeutung neuer Technologien – Stichwort Digitalisierung und KI – nachzudenken. Die Frage, ob uns Künstliche Intelligenz an der einen oder anderen Stelle helfen kann, liegt nahe und beschäftigt uns sehr. Gleiches gilt unter anderem für das Thema Regulatorik in der Sparkassen-Finanzgruppe. GZ: Vielen Dank für das Gespräch! |
DK
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