(GZ-23-2024 - 5. Dezember) |
► Dachaus Landrat Stefan Löwl im Gespräch mit der Bayerischen GemeindeZeitung: |
Verkehrsfluss auf der A99 soll verbessert werden:Sanierung des Allacher Tunnels Seit den 1990iger Jahren fließt der Verkehr auf der A99 im Münchner Nordwesten durch den Tunnel Allach. Die Bauarbeiten wurden 1996 begonnen und 1998 beendet. Gekostet hat das Bauwerk damals 264 Mio. DM. Bald 30 Jahre später steht nun eine umfassende Sanierung an. Die Autobahn Südbayern hat im April 2024 den Planfeststellungsbeschluss für das Projekt „Sanierung Tunnel Allach und temporäre Seitenstreifenfreigabe“ von der zuständigen Regierung von Oberbayern erhalten. Damit ist das Projekt genehmigt und mit den Bauvorbereitungen kann begonnen werden. Die Kosten der Sanierung betragen schätzungsweise mind. 200 Mio. Euro und bis 2035 könnte die Tunnelsanierung abgeschlossen sein. Es wird mit einer Bauzeit (ohne Planungszeit) von 8 Jahren gerechnet. Das Projekt hatte im Bundesverkehrswegeplan 2015 die Dringlichkeitskategorie „Vordringlicher Bedarf“; Projekte dieser Kategorie sollten bis 2030 begonnen sein. Unmittelbar von den Baumaßnahmen betroffen ist der an die Landeshauptstadt München angrenzende Landkreis Dachau. Auch wenn die Bauzeit den Landkreis auf eine hohe Belastungsprobe stellen wird, sagt Dachaus Landrat Stefan Löwl im Gespräch mit der Bayerischen GemeindeZeitung, dass diese Sanierung alternativlos sei. GZ: Der teils sehr ländlich und teils sehr städtisch geprägte Landkreis Dachau befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Landeshauptstadt. In Bezug auf Mobilität, was sind die wichtigsten Diskussionspunkte im Landkreis? Stefan Löwl: Der Landkreis Dachau gehört zu den am stärksten wachsenden Regionen in Bayern. Mit einem kontinuierlichen Zuzug steigt auch die Nachfrage nach einer gut ausgebauten Infrastruktur, die den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht wird, denn die Mobilitätsbedürfnisse ändern sich kontinuierlich. Um diesen Bedarf zu decken, brauchen wir natürlich eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Allerdings sind das Projekte, welche noch lange nicht fertig werden. Stichworte sind hier „Stellwerk Ost“, „DB-Nordring“ sowie „Zweite Stammstrecke“, von der wir uns einiges an Entlastung, insbesondere aber Stabilität erwarten. Momentan haben wir keinerlei Redundanzen, was das System anfällig und unzuverlässig und damit für den Nutzer unattraktiv macht. Um die Mobilität im Landkreis Dachau langfristig sicherzustellen, sind daher weitere Investitionen in die Infrastruktur notwendig. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Region auch weiterhin attraktiv und wirtschaftlich erfolgreich bleibt. GZ: Welche Bedeutung hat der Tunnel Allach für den Landkreis Dachau? Löwl: Für die Landkreisbewohner selbst spielt der Tunnel eine eher untergeordnete Rolle, da diese die Durchfahrt durch den Tunnel vermeiden und meist andere Routen nutzen; abhängig wohin man möchte. Für viele andere Autofahrer und auch für den Schwerlastverkehr ist der Allacher Tunnel jedoch das entscheidende Nadelöhr, vor allem zu den großen Arbeitgebern im Münchener Norden sowie zu anderen wichtigen Zielen wie dem Flughafen oder auch der Allianz Arena. Ist der Tunnel gesperrt, kommt es zu Ausweichverkehr, der bis über Sulzemoos und Haimhausen hinaus reicht und alle umliegenden und untergeordneten Straßen stark belastet. Bevor der Tunnel gebaut wurde, gab es auf der B471 auch sehr häufig z.T. äußerst schwere Unfälle. Hier hat der Tunnel entscheidend zur Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer beigetragen! Daher ist es umso wichtiger, dass der Tunnel reibungslos funktioniert, um diese positiven Effekte für die Region zu erhalten und den Verkehr sicherer zu machen. GZ: Wie wird sich der Verkehr entwickeln? Löwl: Der motorisierte Individualverkehr im Landkreis Dachau geht aktuell leicht zurück: Vor der Corona-Pandemie fuhren bspw. täglich etwa 44.000 Fahrzeuge auf der B304 durch Karlsfeld – hier sind Unternehmen wie MAN und MTU ansässig und es ist die Hauptverbindung nach München – heute sind es knapp unter 40.000. Gründe dafür sind u.a. Homeoffice und die Vier-Tage-Woche, aber leider auch der allgemeine wirtschaftliche Abschwung. Doch es ist anzunehmen, dass das Verkehrsaufkommen im Großraum München künftig wieder zunehmen wird, im Münchner Westen spielen hier auch neue Wohngebiete wie Freiham eine Rolle. Kapazität am Limit GZ: Warum muss der Tunnel jetzt saniert werden? Löwl: Rund 132.000 Fahrzeuge nutzen den Tunnel Allach an einem typischen Werktag, am Wochenende etwas weniger. Zum Vergleich: Der bayerische Autobahn-Durchschnitt lag 2018 bei etwa 50.000 Fahrzeugen pro Tag. Damit zählt der Tunnel Allach auf dem Münchner Nordring zu den am stärksten befahrenen Strecken Bayerns und Deutschlands. In Spitzenzeiten, meist morgens und abends, durchfahren bis zu 10.000 Fahrzeuge pro Stunde beide Röhren, wobei der Lkw-Anteil werktags knapp 15 Prozent beträgt – im bayerischen Schnitt. Mit seiner sechsspurigen Kapazität von 115.000 Fahrzeugen ist der Tunnel bereits jetzt am – in den Hauptverkehrszeiten oft auch schon über – dem Limit. Ein zentrales Element der geplanten Sanierung ist die Ertüchtigung und auch im Allacher Tunnel die „temporäre Seitenstreifenfreigabe“ zu ermöglichen: Zwischen den Autobahndreiecken München-Allach und München-Feldmoching sollen künftig auch die Seitenstreifen für den Verkehr genutzt werden, sodass in den Stoßzeiten insgesamt vier Fahrstreifen je Fahrtrichtung zur Verfügung stehen. Damit wird die A99 auch im Tunnel für das steigende Verkehrsaufkommen besser gewappnet sein und Staus könnten reduziert werden. GZ: Acht Jahre Bauzeit, was ist geplant und mit welchen Einschränkungen ist zu rechnen? Löwl: Im Allacher Tunnel werden die Betonwände, -decken und -böden sowie die Sicherheitssysteme erneuert und die Seitenstreifen für eine dauerhafte Nutzung ertüchtigt. Ziel ist es, den Verkehr flüssiger und damit auch emissionsärmer zu gestalten. Der Bau soll in zwei Phasen erfolgen: In der ersten, voraussichtlich dreijährigen Phase bleiben beide Röhren offen, jedoch mit verengten Spuren. In der zweiten Phase, welche wohl vier bis fünf Jahre dauern wird, soll jeweils eine Röhre gesperrt werden, während der Verkehr auf jeweils zwei Spuren durch die andere Röhre geführt wird. Wichtige Maßnahmen umfassen dabei auch die Modernisierung der Brandbekämpfung, eine neue Kabelbrücke über die Würm und eben die Möglichkeit zur temporären Freigabe des Seitenstreifens; inkl. der dafür nötigen Signalisierungs- und Überwachungstechnik. Außerdem sind Naturschutzflächen entlang der Strecke und Ausgleichsmaßnahmen in Krailling mit eingeplant. Es gibt keine Alternative Da der Tunnel dringend saniert werden muss, gibt es zu den Maßnahmen auch keine Alternative. Als ein zentrales Nadelöhr ist er heute schon stauanfällig und eine Kapazitätserweiterung daher auch dringend notwendig. Um die Verkehrsströme in und durch den Landkreis Dachau sowie in der Landeshauptstadt während der Sanierungszeit zu steuern, suchen wir gemeinsam mit allen Akteuren sowie im Dialog mit Arbeitgebern und den anliegenden Kommunen nach Lösungen, um Stau und Schleichverkehre zu reduzieren. Gedacht wird hier etwa an angepasste Schichtzeiten bei den großen Arbeitgebern im Münchner Norden, aber auch an Autobahn-Abfahrverbote, ähnlich denen rund um Kufstein. Wichtig ist, dass die innerörtlichen und lokalen Verkehre auch während der Bauzeit funktionieren und insbesondere die zahlreichen Buslinien nicht gemeinsam mit den Autos im Stau stehen. GZ: Mit welchen Folgen aus der Sanierung wird im Landkreis gerechnet? Löwl: Während der Bauzeit wird – wie bereits gesagt – der Umgehungsverkehr im ganzen südlichen Landkreis zunehmen. Nach Projektabschluss kann der Tunnel dann bis zu 25 Prozent mehr Verkehr bewältigen, was durch flüssigeren Verkehr zu weniger Stau, Lärm und Schadstoffen sowie zu einer besseren Luftqualität und vielleicht sogar zu einer Entlastung der Bundes- und Staatsstraßen im Landkreis Dachau führen wird. Parallel geplante Verkehrsprojekte wie das sog. Kleeblatt an der Autobahnanschlussstelle Oberschleißheim und der vierspurige Ausbau der B471 mit einer anschließenden Ostumfahrung von Dachau werden erst nach der Tunnelsanierung fertiggestellt sein. GZ: Der Tunnel ist von 1996. Das sind keine 30 Jahre. In Zeiten klammer Kassen, können wir uns die Pflege und Instandhaltung und ggf. den Ausbau unserer Alt-Infrastruktur überhaupt leisten? Löwl: Wir müssen. Eine funktionierende Infrastruktur ist die Basis unserer Gesellschaft, sowohl wirtschaftlich aber eben auch sozial und kulturell. Sie ermöglicht und sichert die Lebensqualität, welche wir schätzen. Pendlerverkehr ist Wirtschaftsverkehr – er sorgt dafür, dass Menschen zur Arbeit kommen und Unternehmen produktiv bleiben. Und auch die Wirtschaftsverkehre sind für uns existenziell. Mobilität ist unverzichtbar für unsere Lebensart und unseren Wohlstand. Damit wir aber mobil sein können, muss die zentrale Infrastruktur – sowohl die Straße wie auch die Schiene - verlässlich sein. Dass wir aufgrund der aktuellen Situation in Berlin und den fehlenden Haushaltmitteln aktuell noch nicht wissen, wann diese und viele andere dringende Maßnahmen umgesetzt werden, macht mir ernste Sorgen. Ein ungeplanter „Ausfall“ des Allacher Tunnels wäre für die Region München eine Katastrophe. GZ: Vielen Dank für das Gespräch! |
CH
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