Interviews & Gesprächezurück

(GZ-5-2025 - 27. Februar)
GZ 05 2025 Interview Wolfgang Beier Haiming Windkraft
 

► GZ-Interview mit Bürgermeister Wolfgang Beier, Gemeinde Haiming:

Zukunft der Windkraft vor Ort

Die Diskussion um erneuerbare Energien ist längst in den Gemeinden angekommen – so auch in Haiming im Südosten Bayerns. Der geplante Bau von 27 Windkraftanlagen im Altöttinger und Burghauser Staatsforst sorgt für Gesprächsstoff. Sieben davon sollen auf dem Gebiet der Gemeinde Haiming entstehen. Während die einen die Notwendigkeit von Windkraft als wichtigen Schritt hin zu einer nachhaltigen Energiezukunft sehen, äußern andere Bedenken, insbesondere in Bezug auf Naturschutz und den Abstand zur Wohnbebauung. Die Bayerische GemeindeZeitung konnte mit Bürgermeister Wolfgang Beier sprechen, um mehr über die geplanten Projekte, die Herausforderungen und die Chancen zu erfahren.

Planungsstand und technische Vorbereitungen

GZ: Herr Bürgermeister Beier, wie weit ist die Planung für Windkraftprojekte in der Gemeinde Haiming fortgeschritten?

Wolfgang Beier: Die Planungen sind schon recht weit vorangeschritten. Der Projektträger Qair Deutschland ist mitten in der Vorbereitung der Genehmigungsunterlagen. Die Windmessungen sind abgeschlossen und haben die erwarteten Ergebnisse bestätigt. Anlagen mit einer Nabenhöhe von 200 Metern können hier wirtschaftlich betrieben werden. Aktuell läuft das Auswahlverfahren für den Anlagentyp. Ergänzende Gutachten zu Schall, Schattenwurf und anderen Umweltaspekten sind noch in Arbeit. Ein Zeitpunkt, wann die Unterlagen eingereicht werden können, steht aktuell jedoch noch nicht fest. Laut Aussage des Unternehmens soll ein Großteil der Anlagen 2028 in Betrieb gehen.

Bürgerbeteiligung und Entscheidungsprozesse

GZ: Wie wurden die Bürger der Gemeinde in die Planung und Entscheidungsprozesse eingebunden?

Beier:
In unserer repräsentativen Demokratie obliegt die Entscheidungskompetenz grundsätzlich dem Gemeinderat, der der Flächennutzung für Windkraft durch die Bayerischen Staatsforsten zugestimmt hat. Mit dem Wegfall der Kommunalklausel entfällt zukünftig diese Zustimmungspflicht der Kommune. Zwei Anträge auf Bürgerentscheide wurden als unzulässig abgelehnt.

Zur Erklärung: Das Wind-an-Land-Gesetz und die Fortschreibung des Regionalplans in Bayern markieren einen grundlegenden Wandel: Vormals ausgeschlossene Gebiete, wie der Staatsforst, sind nun Vorrangflächen. Der Ausbau der Windkraft liegt im besonderen öffentlichen Interesse und dies ist bei allen Entscheidungen über Windkraftanlagen zu berücksichtigen.

Mit dem Ziel, bis 2032 mindestens 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraft auszuweisen, hat sich der Fokus der Kommunen auf eine mitwirkende Rolle verlagert. Der Richtungswechsel unterstreicht die Dringlichkeit der Energiewende und die Bedeutung eines gemeinsamen Handelns über verschiedene Ebenen hinweg.

GZ 05 2025 Windkraft Haiming Mehring Qair Visualisierung des Projektes: Blickrichtung Haiming von Mehring aus. Bild: Quair

GZ: Wie geht die Gemeinde mit möglichen Vorbehalten oder Widerstand aus der Bevölkerung um, etwa in Bezug auf Lärmbelästigung, Schattenwurf oder das Landschaftsbild? Wie werden die Bürger über den aktuellen Stand der Planungen informiert?

Beier:
Transparenz und Dialog stehen bei uns an erster Stelle. Bürger wurden frühzeitig durch neutrale Informationsveranstaltungen eingebunden, bei denen Fachleute alle Fragen beantworteten. Das hat viele Emotionen aus der Debatte genommen. Auch kontroverse Diskussionen wurden offen geführt, um Bedenken direkt zu adressieren. Anpassungen, wie die Reduzierung der geplanten Anlagen von neun auf sieben oder deren Verschiebung weiter weg von der Bebauung, zeigen, dass Anliegen der Bevölkerung berücksichtigt werden.

Wir planen weitere Informationsveranstaltungen, sobald die Genehmigungsunterlagen vorliegen, und führen viele persönliche Gespräche, um Bürger individuell abzuholen. Wichtig ist: Keine Dinge schönreden. Wir sprechen offen über Herausforderungen wie Veränderungen des Landschaftsbildes und stellen umfassende Informationen z.B. zu Schall und Schattenwurf bereit, damit jeder die Auswirkungen für sich selbst einschätzen kann. Unser Ziel ist es, unterschiedliche Meinungen zu respektieren und den Austausch sachlich und respektvoll zu gestalten.

Umwelt- und Naturschutz

GZ: Wie wird sichergestellt, dass die Windkraftanlagen möglichst geringe Auswirkungen auf Natur und Tiere haben?

Beier:
Der Schutz von Natur und Tieren ist uns ein großes Anliegen, insbesondere in der Nähe des Vogelschutzgebiets Inn-Salzach. Wir setzen bspw. auf moderne Warnsysteme, die Vogelschlag minimieren, und werden deren Einsatz konsequent einfordern. Die geplanten Waldrodungen werden auf das notwendige Minimum beschränkt, waldverträgliche Standorte wurden sorgfältig ausgewählt, und die gerodeten Flächen sollen durch Maßnahmen wie z.B. die Schaffung von Äsflächen für Tiere einen Mehrwert bieten. Ersatz für gerodeten Bannwald wird im regionalen Zusammenhang geschaffen. Umfangreiche Gutachten und gesetzlich vorgegebene Vermeidungsmaßnahmen gewährleisten, dass die Eingriffe so gering wie möglich ausfallen.

GZ: Wie viel des Energiebedarfs der Gemeinde kann durch die geplanten Windkraftanlagen gedeckt werden? Werden Überschüsse regional genutzt?

Beier:
Der jährliche Strombedarf der Gemeinde beträgt etwa 8 Millionen kWh, davon entfallen 4,1 Millionen kWh auf private Haushalte. Eine einzige Windkraftanlage mit 2.000 Vollaststunden pro Jahr kann zwischen 12 und 16 Millionen kWh erzeugen – also mehr als den gesamten Bedarf der Gemeinde. Im Vergleich: Alle bestehenden Photovoltaikanlagen innerhalb der Gemeinde erzeugen derzeit zusammen 5,8 Millionen kWh, was nicht einmal die Hälfte der Leistung einer einzigen Windkraftanlage ausmacht. Dies ist eine rechnerische Bilanz. Physikalisch wird die Energie ins Netz eingespeist und trägt zur Deckung des steigenden Strombedarfs in der Region bei, insbesondere im Chemiedreieck mit dem stark wachsenden Energiebedarf. Jede Kilowattstunde zählt, und Windkraft liefert einen wichtigen Beitrag, auch wenn sie wetterabhängig ist. Dieses Projekt ist daher ein entscheidender Baustein für die regionale Energieversorgung.

Energieversorgung und wirtschaftliche Perspektiven

GZ: Welche wirtschaftlichen Vorteile erwartet die Gemeinde durch die Nutzung von Windkraft?

Beier:
Als Standortgemeinde profitieren wir direkt von der gesetzlichen Abgabe in Höhe von 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde. Bei einer Windkraftanlage mit einer Leistung von 12 bis 16 Millionen kWh pro Jahr bedeutet dies Einnahmen von etwa 20.000 bis 30.000 Euro jährlich – eine willkommene Unterstützung, die nicht umlagepflichtig ist. Zusätzlich erwarten wir langfristige Gewerbesteuereinnahmen.

Auch für die Bürger schaffen wir Möglichkeiten zur Beteiligung: Es wird sowohl direkte Investitionsmodelle mit Risiko als auch risikoarme Varianten geben. So können alle von der regionalen Windkraft profitieren – wirtschaftlich und nachhaltig.

GZ: Gibt es weitere Projekte, die die Gemeinde aktuell beschäftigen?

Beier:
Neben den Windkraftprojekten stehen wir vor weiteren großen Herausforderungen, wie dem Bau einer 380-kV-Leitung verbunden mit einem großen Umspannwerk und dem Ausbau einer Bundesstraße zur Autobahn. Auch eine Deponie für belasteten Boden ist in Planung. Wir gehen all diese Projekte mit der gleichen Sorgfalt an und versuchen, die Bürger frühzeitig und umfassend einzubinden.

GZ: Möchten Sie unseren Lesern noch etwas mitgeben?

Beier:
Die Energiewende ist eine gewaltige Aufgabe, die uns alle betrifft. Es ist entscheidend, dass wir uns dieser Herausforderung offen und mutig stellen, um eine nachhaltige Zukunft für unsere Gemeinde zu sichern.

GZ: Vielen Dank für das Gespräch! CH

GZ 5 2025 Wolfgang Beier Haiming
Bürgermeister Wolfgang Beier. Bild: Gemeinde Haiming

 

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