Interviews & Gesprächezurück

 
(GZ-9-2025 - 2. Mai)
GZ 09 2025 Interview Staatsminister Christian Bernreiter

► Wohnungsbau in Bayern unter Druck:

Mit Plan und Pragmatismus

Bauminister Christian Bernreiter über Förderengpässe, neue Spielräume, kommunale Verantwortung – und warum er trotz Krise beim Wohnen zuversichtlich bleibt

Steigende Baukosten, Fachkräftemangel, überlastete Förderprogramme: Der Wohnungsbau in Bayern steht unter massivem Druck. Im Interview mit der Bayerischen GemeindeZeitung erläutert Bayerns Bauminister Christian Bernreiter, wie der Freistaat auf die Herausforderungen reagiert, was Kommunen jetzt erwarten dürfen – und warum der Traum vom Eigenheim weiterhin politische Unterstützung verdient.

Hohe Nachfrage trifft auf begrenzte Mittel: Die Lage der Wohnraumförderung

GZ: Herr Minister, der Staat ist laut Bayerischer Verfassung verpflichtet, für angemessenen Wohnraum zu sorgen. Gleichzeitig berichten zahlreiche Kommunen vom Förderstopp bei EOF und KommWFP – obwohl der Bedarf weiter steigt. Wie erklären Sie diese Situation, und wie bewerten Sie sie im Kontext Ihrer politischen Verantwortung?
Staatsminister Christian Bernreiter: Um es gleich vorweg zu sagen, angesichts von Rekordinvestitionen in den bayerischen Sozialwohnungsbau von über einer Milliarde Euro für dieses Jahr kann von einem Förderstopp keine Rede sein. Aber: Bauen ist in den vergangenen Jahren immer teurer geworden, da macht der Wohnungsbau leider keine Ausnahme. Die Gründe sind vielfältig und reichen von gestiegenen Kosten für Baumaterialen, gestörten Lieferketten durch den Krieg in der Ukraine über Fachkräftemangel und gestiegene Grundstückspreise bis hin zu gestiegenen Zinsen und fehlender Unterstützung aus der Bundespolitik in den vergangenen Jahren. In Bayern haben wir das Problem früh erkannt. Ich habe bereits Anfang 2023 den Wohnbau-Booster Bayern ins Leben gerufen, mit dem wir als Staatsregierung unsere Förderungen deutlich ausgeweitet haben und auch unsere drei staatlichen Wohnungsbaugesellschaften schaffen trotz des herausfordernden Marktumfelds weiterhin bezahlbaren Wohnraum in ganz Bayern. Ich habe immer und überall betont, dass uns die Mittel förmlich aus der Hand gerissen werden. Allerdings muss jedem klar sein, dass auch das attraktivste Förderprogramm an seine Grenzen kommt.

GZ: Wie viele Mittel standen in den Jahren 2023 und 2024 für diese Programme zur Verfügung – und wie viele Wohnungen konnten damit konkret gefördert bzw. gebaut werden? Gibt es transparente Zahlen, auch aufgeschlüsselt nach Regionen?
Bernreiter: Die Wohnraumförderung hat sich in den vergangenen Jahren klar als Stabilitätsanker für die Wohnungs- und Bauwirtschaft bewährt. Dies wird durch die deutlich gestiegene Nachfrage bestätigt. Mit Bewilligungsmitteln in Höhe von rund 2,2 Milliarden Euro in den letzten zwei Jahren und Zustimmungen zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn konnten wir die Bauwirtschaft in der Krise stützen und so zahlreiche Projekte fördern – und das in ganz Bayern. Insgesamt haben wir 2023 und 2024 die Schaffung und den Erhalt von mehr als 22.700 Wohnungen unterstützt.

GZ: Allein im Landkreis Ebersberg drohen über 400 dringend benötigte Wohnungen zu scheitern. Wie gehen Sie mit der Kritik um, dass Kommunen und Bürgermeister mit diesen Projekten politisch bereits geworben haben – und nun, ein Jahr vor der Kommunalwahl, möglicherweise ohne Ergebnisse dastehen?
Bernreiter: Es ist absolut nachvollziehbar, dass die Kommunen und auch andere Bauträger mit der Situation nicht zufrieden sind. Ich selbst bin es ja auch nicht. Alles, was möglich war, wurde in Aktion gebracht. Und selbstverständlich werden alle Bewilligungen wie erteilt abfinanziert. Das gilt auch für alle erteilten vorzeitigen Maßnahmenbeginne. Sie werden im Zeit-
ablauf vollumfänglich bewilligt werden, hierauf können sich alle Projektträger verlassen. Das umfasst natürlich insbesondere alle Projekte, die bezugsfertig werden – sie werden selbstverständlich rechtzeitig vor Erstbezug bewilligt.  

Neue Spielräume und Zukunftsperspektiven: Was Kommunen und Bauherren erwarten können

GZ: Viele Kommunen berichten, dass sie für geplante Projekte keinen vorzeitigen Maßnahmenbeginn bewilligt bekommen – und deshalb nicht bauen dürfen. Können Sie diesen Stillstand nachvollziehen, und sehen Sie Handlungsspielräume für eine Übergangslösung?
Bernreiter: Ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn berechtigt zum förderunschädlichen Start der Baumaßnahme, allerdings ohne, dass es eine Förderung garantiert. Wir wollen aber jeden vorzeitigen Maßnahmenbeginn dann auch bewilligen! Daher können wir neue vorzeitige Maßnahmenbeginne nicht einfach so erteilen. Die müssen dann auch bis zur Bezugsfertigkeit finanziert werden können. Daher kann über neue vorzeitige Maßnahmenbeginne erst entschieden werden, wenn konkret feststeht, inwieweit sich die Rahmenbedingungen durch politische Entwicklungen vor allem auf Bundesebene kurzfristig ändern. Sollten sich hier neue Spielräume ergeben, werden wir sie natürlich unverzüglich nutzen.  

GZ: Wird es zeitnah eine Entscheidung über die Weiterführung oder Aufstockung der Programme geben? Und was ist nötig, damit Fördermittel und Bedarf künftig besser aufeinander abgestimmt werden – gerade in Wachstumsregionen wie dem Münchner Umland?
Bernreiter: Es ist schlichtweg nicht möglich, die großen Wohnraumbedarfe gerade in den Ballungsräumen alleine oder vorwiegend durch staatliche Förderprogramme zu decken. Deshalb muss primär von den politischen Akteuren auf allen Ebenen jetzt alles dafür getan werden, dass der frei finanzierte Wohnungsbau aus der Krise kommt. Das betone ich seit Beginn meiner Amtszeit gebetsmühlenartig. Die Voraussetzungen dafür konnten wir im Koalitionsvertrag verankern.  Für den sozialen Wohnungsbau in Bayern kann ich sagen, dass spätestens zu Beginn des kommenden Jahres Neubewilligungen insbesondere in der Mietwohnraumförderung in größerem Maße wieder möglich sein werden. Der Bewilligungsumfang sowie die Auszahlungsmodalitäten und -zeitspannen sind von der Umsetzung der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene sowie der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2026/2027 in Bayern abhängig.

GZ: Angesichts hoher Baukosten, Fachkräftemangel und regulatorischer Anforderungen – braucht es aus Ihrer Sicht einen politischen Neustart beim Thema Bauen in Bayern? Welche strukturellen oder rechtlichen Reformen halten Sie für realistisch und dringend notwendig?
Bernreiter: Vor allem Bundes- und europarechtliche Rahmenbedingungen müssen jetzt neu gestellt werden, um den Wohnungsbau in ganzer Breite anzuschieben. Das Baugesetzbuch muss dafür schnell novelliert werden und die steuerlichen Rahmendaten via Abschreibungsmodalitäten umgehend von einer neuen Bundesregierung angepackt werden. Mir wurde aus der Branche in den vergangenen Jahren immer wieder signalisiert, dass unsere landespolitischen Maßnahmen aus dem Wohnbau-Booster Bayern wirken und im bundesweiten Vergleich vorbildlich sind. Natürlich loten wir parallel zu den bestehenden Maßnahmen ständig neue Möglichkeiten aus, Bauen wieder bezahlbarer und attraktiver zu machen. Ein Beispiel ist der Gebäudetyp-e, wobei das „e“ für einfach, beziehungsweise experimentell steht. In fast ganz Bayern laufen aktuell Pilotprojekte zur Erprobung neuer Bau- und Wohnformen. Es nehmen Wohnungsbauunternehmen, aber auch Kommunen sowie der staatliche Hochbau teil. Hoffnung macht mir außerdem, dass die neue Bundesregierung in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen Bau-Turbo zünden möchte. Mein Vorschlag: Das kann man auch in Schritte aufteilen, um keine Zeit zu verlieren. Lieber schnelle Verbesserungen in wichtigen Teilbereichen, als die 100-Prozent-Lösung, die nie kommt. In Bayern haben wir das mit den Modernisierungsgesetzen I bis III bereits erfolgreich vorgemacht.

Der Traum vom Eigenheim: Eigentumsbildung und selbstbestimmtes Wohnen fördern

GZ: Herr Minister, die Wohnraumfrage ist nicht nur eine technische oder finanzielle Herausforderung, sondern berührt zentrale Werte unserer Gesellschaft – insbesondere das Ideal von selbstbestimmtem, generationenübergreifendem Wohnen und Eigentum. Viele Menschen sehnen sich danach, im eigenen Haus, in gewachsenen Nachbarschaften und in der Gemeinschaft mit mehreren Generationen leben zu können. Kritiker bemängeln, dass aktuelle wohnungspolitische Ansätze zu sehr auf Regulierung und staatliche Vorgaben setzen und zu wenig auf Eigenverantwortung, Eigentumsbildung und Vielfalt der Lebensentwürfe. Wie möchten Sie als CSU-Politiker und Bauminister dafür sorgen, dass gerade Familien und die Mitte der Gesellschaft wieder stärker Chancen auf Eigentum, selbstbestimmtes Wohnen und Gestaltungsspielräume erhalten – auch angesichts wachsender Vorgaben aus Berlin und Brüssel? Und welche Lehren ziehen Sie aus der erfolgreichen Wohnungs- und Eigentumspolitik der Nachkriegszeit für die aktuellen Herausforderungen?
Bernreiter: Der Traum vom Eigenheim ist absolut unterstützenwert. Eine eigene Immobilie ist der beste Vermögensschutz im Alter, den es gibt. Wir in Bayern unterstützen mit unseren Förderungen nicht einseitig den Mietwohnungsbau, sondern auch die Schaffung von Wohneigentum. Fakt ist aber auch hier, dass wir als Freistaat diese Herausforderung nicht alleine lösen können. Auch der frei finanzierte Wohnungsbau muss wieder angeschoben werden. Dafür sind mehrere Sonderabschreibungen geplant. In der Bauministerkonferenz, deren Vorsitzender ich seit vergangenem Jahr bin, fordern wir schon lange die Umstellung von reiner Energieeffizienz auf die Betrachtung der Treibhausgasemissionen als zentrale Steuerungsgröße – beispielsweise bei der KfW-Gebäude-Förderung. Das muss jetzt endlich kommen: Für mehr Technologieoffenheit und Zielorientierung bei diesem wichtigen Thema. Um mehr und bezahlbar zu bauen, brauchen wir außerdem eine vollständige Digitalisierung, insbesondere auch bei den Genehmigungen. Ich sehe auch ein großes Potenzial beim seriellen und modularen Bauen. Diese Potenziale muss die neue Bundesregierung nun heben.

GZ: Zum Schluss: Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern – den kommunalen Entscheidungsträgern im ganzen Freistaat – mit auf den Weg geben?
Bernreiter: Uns allen in der Staatsregierung ist bewusst, dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit ist. Das gilt vor allem für Ballungsräume mit ihren besonderen Herausforderungen, aber auch auf dem flachen Land muss es weiterhin bezahlbaren Wohnraum geben. Wir haben mit kräftigen Maßnahmen vorgelegt und ich hoffe sehr, dass wir bald auch wieder neue Förderzusagen erteilen können. Gleichzeitig bedanke ich mich bei allen Kommunen, Bauträgern und auch privaten Bauherren, die trotz aller aktuellen Herausforderungen weiterhin bezahlbaren Wohnraum schaffen.

GZ: Vielen Dank für das Gespräch.

CH

 

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