Liebe Leserinnen und Leser,
unser Seminar „Lebendige Ortsmitte“ während der „IFH/Intherm“ auf der NürnbergMesse zog sehr viele Besucher an. Viele Entscheider in Bayerns Kommunen verfolgen das Ziel, gemeinsam mit ihren Bürgerinnen und Bürgern in ihren jeweiligen Städten und Gemeinden ein Wohn- und Lebensumfeld zu gestalten, in dem die Menschen gerne leben, in dem sie zufrieden sind, sich wohlfühlen und auf das sie stolz sind.
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So lautet eine der entscheidenden Fragen: Was macht die Menschen glücklich? Wie müssen sie leben können, dass sie sich wohlfühlen in jeder Lebensphase – Kinder, Alte, Kranke, Familien – in welcher Konstellation auch immer? Und was können/müssen die Kommunen dazu beisteuern in unserer digitalisierten und globalisierten Welt?
Die Referenten des Nürnberger Seminars boten hervorragende Beispiele dafür, wie erfolgreiche Kommunalpolitik auf den Fundamenten alter und veralteter Bausubstanz die Basis schaffen kann für zukunftsfähige Orts(kern)planung. Dafür nochmals herzlichen Dank an die Bürgermeister Johann Wiesmaier und Jens Korn, an Stadtbaumeisterin Barbara Schelle gemeinsam mit Michael Schulze, an Allianzmanager Holger Becker und Architekt Jakob Oberpriller. Sehr wertvoll waren auch die Erläuterungen von Matthias Simon – Referatsleiter für Bau- und Wasserrecht beim Bayerischen Gemeindetag – zu Strategien und Instrumenten für Ortskernrevitalisierung und Leerstandsmanagement.
Dabei zeigte sich einmal mehr, wie wichtig es ist, Entscheidungen nicht über die Köpfe der Menschen hinweg zu treffen, sondern sie einzubeziehen und „mitzunehmen“. Nötig dazu ist neben hoher Fachkompetenz auch die Fähigkeit, solche Prozesse achtsam zu moderieren. Ob die Debatte um den behaupteten „Flächenfraß“ in Bayern dabei hilfreich ist, wage ich zu bezweifeln. Grundsätzlich macht es bestimmt Sinn, mit unserem Grund und Boden sorgsam umzugehen. Aber wie soll es möglich sein, bei streng limitierter Flächenzuteilung Schulen, Kindergärten, Wohnbebauung und Arbeitsplätze zu schaffen für eine ständig steigende Bevölkerung!
Nicht nur Bekassine, Wachtelkönig, Braunkehlchen, Wiesenpieper, Grauammer und Kiebitz brauchen Lebensraum; auch die Menschen haben ein Recht auf Licht, Luft, Freiraum und Sonnenschein. Das ist nicht alles mit „Nachverdichtung“ in alten Ortskernen zu schaffen, wenn es dort für Familien keine (privaten) Grünflächen gibt.Dass heutzutage viele Menschen kleinere Wohneinheiten bevorzugen, um dort allein zu leben, wird unsere Gesellschaft in Zukunft noch vor vielfältige Probleme stellen.
Es ist die Frage, ob die Förderpolitik der vergangenen 70 Jahre so sinnvoll war. Steuervergünstigungen und Zuschüsse gab es nur, wenn bestimmte Quadratmeterzahlen nicht überschritten wurden. In solchen „Einfamilienhäusern“ wurde aber nur Platz geschaffen für zwei Generationen. Auf 100 oder 120 qm kann man keinen übrig gebliebenen Großvater gemeinsam mit Kindern und Eltern so unterbringen, dass Nähe gelebt werden und trotzdem jeder die Türe hinter sich schließen kann. In Zeiten, in denen Frauen längst erfolgreich voll berufstätig sind, wären aber Großeltern, die sich um Enkelkinder kümmern können, nicht nur ein mitmenschlicher Gewinn, sondern in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine Riesenentlastung.
Unser Seminar „Lebendige Ortsmitte“ befasste sich mit den Fragen, was Kommunen brauchen, um ihre Städte und Dörfer zu verschönern. Ein nächstes Thema sollte die Frage sein, wie die Menschen leben möchten. Die Menschen in ihren vielfältigen und sehr individuellen Bedürftigkeiten.
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