Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-1/2-2021)
Kommentar von Dipl. Ing. Hermann Steinmaßl
 

► Dipl. Ing. Hermann Steinmaßl, Altlandrat Landkreis Traunstein, MdL a.D., Stv. Vors. Vereinigung Wasserkraftwerke Bayern und Landesvertretung Erneuerbare Energien Bayern (LEE):

 

Energiewende mit der Wasserkraft meistern

Liebe Leserinnen und Leser,

Energie, Klimaschutz und Naturschutz können in Einklang gebracht werden. Die bewährte, heimische, klimafreundliche und stabile Wasserkraft spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch die kleine Wasserkraft überzeugt mit wesentlichen Leistungen, die im öffentlichen Interesse stehen.

1. Das Ziel den durchschnittlichen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad einzudämmen und den weltweiten CO2 Ausstoß erheblich zu reduzieren ist zu unterstützen. Es zählt jede erzeugte klimafreundliche Kilowattstunde aus unserer Heimat.

2. Wir brauchen die Ehrlichkeit, dass die erneuerbaren Energien die Natur und die Landschaft beanspruchen.

3. Im Hinblick auf eine Verantwortung für die „Gemeinschaftsleistung Energiewende“ gemäß dem Ethikrat hat jede Region die Pflicht ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Für das Wasserland Bayern heißt das: Nutzung der Wasserkraft.

4. Aktuell kommen etwa 50 % des Stroms in Bayern aus erneuerbaren Energien. Weitere 30 % aus Kernenergie und 20 % aus Gas und Steinkohle. Der Anteil der Wasserkraft beträgt bei den erneuerbaren knapp 29 %, bei der Biomasse 23 %, bei der Photovoltaik 32% und bei der Windenergie 12 %.

5. Die Wasserkraft ist seit über 100 Jahren die bedeutendste grundlastfähige Energiequelle in Bayern. Von ursprünglich 11.900 Anlagen fielen in den vergangenen 100 Jahren 7.700 Anlagen der vermeintlich günstigen Energie aus Öl, Kohle und Kernenergie zum Opfer. Im Hinblick auf den jetzigen Ausstieg aus Öl, Kohle und Kernenergie ist die Wasserkraft auf jeden Fall zu erhalten, bzw. sie ist sogar wieder auszubauen, für einen regional gestalteten Klimaschutz und eine gesicherte Stromversorgung.

6. Bayern wird ein wetterabhängiges Flächenkraftwerk. Wasserkraftanlagen und Speicherwasserkraftwerke können Netzschwankungen ausgleichen und tragen zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit bei.

7. Bayern hat 100.000 km Flüsse (Fließgewässer) und nur 4.200 Wasserkraftwerke, von denen heute bereits rund die Hälfte fischpassierbar sind. Im Durchschnitt besteht also alle 50 Kilometer ein Wasserkraftwerk, das „noch“ nicht passierbar ist. Diesen ökologischen Mangel kann man besser regeln. Gemeinsam mit den Gemeinden könnte man Ökoausgleichsflächen (Ökokonto) entwickeln, den Uferbereich erweitern und Raum für fischfreundliche, ökologische Passierstrecken und zusätzliche Laichplätze etc. schaffen. Dies wäre wesentlich besser als die vom Umweltministerium geplanten „rauhen Rampen“, mit denen man viele der 50.000 anderweitigen Querbauwerke mit viel Geld umbauen will. Eine Studie der TU München hat gezeigt, dass an diesen rauhen Rampen die meisten Fische verenden. Die bestehenden Querbauwerke sind einst aber aus guten Gründen errichtet worden. Tragen sie doch z.B. zur Grundwassersicherung und zum Hochwasserschutz bei. Dies gilt auch für die Wasserkraft.

8. Die Beanspruchung unserer Gewässer ist vielfältig. Die Städte entstanden an den Flüssen und Küsten. Verschmutzung und schädliche Einträge in unsere Flüsse kommen vorwiegend von außerhalb der Gewässer, von Einträgen durch Siedlungen und durch die Bewirtschaftung des Landes. Ein Großteil des Wohlstandsmülls (z.B. Kunststoffabfälle) wird von den Wasserkraftbetreibern entnommen. Dieser würde ansonsten weiter flussabwärts getrieben und die Gewässer bis ins Meer belasten. Nach einer Studie entfernen 3.300 Anlagen im deutschen Donauraum 290.000 kg Plastikmüll im Jahr; fast 90 kg je Anlage.

9. Es bestehen 50 Wasserkraftanlagen in Naturschutzgebieten und 100 in FFH-Gebieten und dies nicht trotz, sondern in einigen Fällen wegen der Wasserkraft. (Beispiele: Innstaustufen, Ismaninger Stauseen). Deshalb muss man auch bei den Mindestwassermengen eine Abwägung zwischen Verlusten von klimafreundlichen Energien und „tatsächlichen ökologischen Gewinnen“ treffen, die durch eine Verlagerung der Wassermengen entstehen.

10. Wasserkraft fördert die regionalen Wertschöpfungskreisläufe und sichert die Wettbewerbsfähigkeit von Mühlen, Sägewerken und regionaler Landwirtschaft. So werden u.a. 150 Getreidemühlen betrieben, die mit 1,25 Mio. Tonnen p.a. ganz Bayern mit Mehl aus regional erzeugtem Getreide versorgen können.

11. Der Klimawandel belastet die Gewässer generell. Deshalb ist eine klimafreundliche Energieversorgung besonders wichtig. Wasserkraft ist vor allem auch eine nachhaltige, klima- und ressourcenschonende Energie. Ein Wasserkraftwerk mit 100 kW installierter Leistung ersetzt in 30 Jahren 16.000 t CO2 und 95.000 t Gesamtabbau beim Braunkohletagebau. Es versorgt über 100 Familien dauerhaft mit Strom und schont wertvolle Ressourcen. Wasserkraftbetreiber sind Klimaschutzunternehmer.

12. Die Energiewende ist auch eine Wende zu den dezentralen Erzeugungseinheiten. Sie sollte auch regional organsiert werden. Bei regionaler Betrachtung wird die einzelne, auch kleine Wasserkraft wesentlich mehr Gewicht bekommen als mit Vergleichen zur allgemeinen Stromerzeugung, bei der auch noch die Kernkraft und die Kohle enthalten sind.

Fazit: Alle genannten Gesichtspunkte sprechen für die Wasserkraft, vor allem auch für die sogenannte „Kleine“ mit vielen positiven Eigenschaften. Mit weiteren Rückbauforderungen und Stilllegungen von Wasserkraftanlagen werden die Probleme unserer Flüsse nicht gelöst. Der Klimaschutz ist bei allen Abwägungen zu berücksichtigen.

Ihr Dipl. Ing. Hermann Steinmaßl, Altlandrat Landkreis Traunstein, MdL a.D., Stv. Vors. Vereinigung Wasserkraftwerke Bayern und Landesvertretung Erneuerbare Energien Bayern (LEE)

 

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