Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-11-2023)
gz kommentator josef mederer
 

► Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern:

 

Kriegerdenkmal: Aus Heldenverehrung wird Friedensmahnmal

Liebe Leserinnen und Leser,

Kriegerdenkmäler gehören heute zum Erscheinungsbild fast aller Dörfer, Märkte und Städte in Oberbayern. Sie sind so selbstverständlich im Ortsbild, dass sie außerhalb des Volkstrauertags kaum Beachtung finden. Zwei- bis dreitausend solcher Denkmäler und Gedenktafeln mögen es wohl allein in Oberbayern sein und über 100.000 in der gesamten Bundesrepublik. Einerseits werden sie also kaum differenziert wahrgenommen und gehören auf dem Dorfplatz oder dem städtischen Friedhof einfach dazu, andererseits entzünden sich an einzelnen Denkmälern immer wieder heftige Diskussionen über den zeitgemäßen Umgang mit diesen Symbolen.

Dies war Anlass für den ehemaligen langjährigen Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler zusammen mit der ebenfalls scheidenden Kultur-Abteilungsleiterin Dr. Elisabeth Tworek im Rahmen der Heimatpflege einen genaueren Blick auf die oberbayerischen Objekte zu werfen, über die es trotz ihrer flächendeckenden Präsenz in Stadt und Land bisher keinerlei Publikation gab.

Herausgekommen ist das Buch „Kriegerdenkmäler in Oberbayern. Von der Heldenverehrung zum Friedensmahnmal“, das vor Kurzem im Pustet Verlag im Auftrag des Bezirks Oberbayern erschienen ist und das man mit Fug und Recht als Grundlagenwerk bezeichnen kann. Für 29,90 Euro ist es im Buchhandel erhältlich.

In dieser kritischen Bestandsaufnahme werden die oberbayerischen Kriegerdenkmäler ohne Anspruch auf Vollständigkeit erfasst und in Entstehungsphasen eingeordnet. Ihre Symbolik und Formensprache wird analysiert und kategorisiert. Besonders Augenmerk haben der Autor und die Autorin dabei auf positive Beispiele gelegt, die als Vorbild für eine zeitgemäße Auseinandersetzung dienen können.

Entstanden sind die meisten Kriegerdenkmäler nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und dann vor allem nach dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie dann oft um Namen ergänzt. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gab es sogar Kataloge, aus denen sich die Stadtväter das ihnen passend erscheinende Objekt von der Stange bestellen konnten. Je nach Kassenlage fiel das Denkmal dann mehr oder weniger üppig aus.

Erleichtert bin ich, dass Norbert Göttler und Elisabeth Tworek zu der Schlussfolgerung gekommen sind, dass keines der im Buch erfassten Objekte so problematisch sei, dass sie für einen Abriss plädieren, obschon sie anmerken, dass zum Teil eine erläuternde Tafel sehr sinnvoll wäre. Vielmehr setzt das ganze Buch darauf, positive Beispiele in den Mittelpunkt zu stellen, bei denen es gelungen ist, irritierende Formulierungen aus der Vergangenheit zu verändern oder zu kontextualisieren. Schon allein der Begriff „Heldentod“ ist aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar und idealisierend.

Die Kultur der Kriegerdenkmäler ist Ausdruck ihrer jeweiligen Zeit. An vielen Orten hat man sich inzwischen von Zeugnissen ideologischer Vereinnahmung befreit. Dennoch sind Kriegerdenkmäler heutzutage nicht mehr selbsterklärend, sondern bedürfen der Vermittlung, der Selbstreflexion und zum Teil auch der Veränderung. Allerdings darf man ein Mahnmal auch nicht überfrachten. Kein Denkmal dieser Welt kann komplizierte historische Verstrickungen, moralische Sachverhalte und Schuld befriedigend wiedergeben. Es ist verständlich, dass Überlebende und Angehörige ihrer getöteten oder vermissten Söhne, Brüder oder Enkel gedenken wollen. Aus Sicht der Autoren wäre es aber sinnvoll und notwendig, auch das Opfer von Menschen, die nicht Soldaten waren, einzubeziehen und zu würdigen – von Verfolgten und Hingerichteten, von Vertriebenen und Verschleppten.

Für mich war die Lektüre dieses Buches sehr erhellend. Bei meinen Fahrten durch Oberbayern nehme ich die Kriegerdenkmäler jetzt bewusst wahr und lese vor allem die Inschriften nun anders. Und das ist genau das, was wir als Bezirk Oberbayern erreichen wollen: eine Sensibilisierung und einen aufmerksamen Blick, wo durch eine erweiterte Beschriftung vielleicht ein erläuternder Kontext für die heutzutage befremdliche Begrifflichkeit hergestellt werden sollte.

Deshalb werden wir auch allen oberbayerischen Kreisverbänden der Krieger- und Soldatenvereine, die sich der ermahnenden Erinnerung widmen, ein Exemplar des Buches zukommen lassen, um einen Impuls zu setzen und sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Ich schließe mich einem Fazit des Buches damit an:

„Ein Denkmal ist und bleibt ein Denk-Mal, eine Aufforderung zum Weiterdenken und Weiterdiskutieren.“

Die alljährlichen Feiern zum Volkstrauertag werden von jüngeren Menschen inzwischen häufig als überkommen empfunden. Wenn es uns gelingt, Kriegerdenkmäler zu Friedensmahnmalen weiterzuentwickeln, sind sie plötzlich politisch hochaktuell und auf der Höhe der politischen Diskussion.

Ihr Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern

 

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