Erscheinungs- & Themenplanzurück

(GZ-6-2019)
Neues von Sabrina
 

Der Mensch zählt und nicht das Symbol

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Gender-Sternchen, Binnen-I, Schrägstrich-in – es gibt ja jede Menge Ideen, die Sprache in den Dienst des antipatriarchalischen Kampfes und der geschlechtersensiblen Gesinnung zu stellen. Sind sich die Apologeten dieser Bestrebungen bewusst, wie sehr sie damit der Ästhetik der Sprache und der Lesbarkeit von Texten schaden?“ Mein Chef, der Bürgermeister, will unbedingt den Grundgedanken des Aufrufs „Schluss mit dem Gender-Unfug“ unterstützen.

Namhafte Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Politiker, aber auch einfach nur von den Auswüchsen der gendergerechten Sprache genervte Bürgerinnen und Bürger haben sich in einem Aufruf dagegen gewehrt, dass immer öfter künstliche Sprachkonstruktionen die Gleichberechtigung der Geschlechter und sexuellen Identitäten manifestieren sollen, auch und gerade in Zusammenhängen, die nichts mit dem Geschlechterkampf zu tun haben.

Ein schönes Beispiel sind die im letzten Absatz erwähnten Bürgerinnen und Bürger, die den schlichten Bürger der 60er und 70er Jahre ersetzt haben. Daran hat man sich gewöhnt und eine solche Paarbildung stört weder den Lesefluss noch hindert es die mündliche Kommunikation, vor allem, wenn man es nicht übertreibt. Unvergessen hier der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Ude, der so extensiv doppelte, dass der milde Spott des Nockherberg-Singspiels ihm einmal die „sehr verehrten Telefonhörerinnen und Telefonhörer“ andichtete.

Gut auch, wenn man Doppelungen durch einen neutralen Begriff ersetzen kann, wie die Lehrerinnen und Lehrer durch Lehrkräfte. Schwindlig wird einem allenfalls bei Studierenden und Fahrradfahrenden, weil man sich ernsthaft fragt, ob eine Studentin keine Studentin mehr ist, wenn sie gerade nicht studiert, sondern ein Bier trinkt, oder ob ein Fahrradfahrer diese Eigenschaft verliert, wenn er an der roten Ampel steht und von Rad absteigt. Vielleicht sprechen wir auch bald von Beschulten, statt von Schülerinnen und Schülern? Grenzwertig auch, wenn der oder die Vorsitzende der Stadtratsfraktion zum vorsitzenden Mitglied und damit zu so etwas wie einem Neutrum wird.

Insofern wünsche ich der Bundeswehr eine glückliche Hand bei der Frage, ob der weibliche Hauptmann künftig Hauptmännin (wohl nicht ernsthaft!) oder Hauptfrau heißen soll, da die naheliegende Hauptperson aus Gründen des Satireschutzes wohl ausfällt. Übrigens hilft hier ein Blick über die Südgrenze: Wenn eine Frau die (zivile) Bezirkshauptmannschaft in Österreich leitet, heißt sie Bezirkshauptfrau. Ganz einfach!

Verkompliziert hat alles das Bundesverfassungsgericht mit der Anerkennung des so genannten dritten Geschlechts. Seither herrscht bei den Arbeitgebern im Lande eine solche Panik vor einer Diskriminierungsklage seitens eines*r der/die/das rund 100.000 Intersexuellen in Deutschland, dass praktisch überall in Stellenanzeigen der Klammerzusatz (m/w/d) angebracht wird. Schöner Nebeneffekt für die Chauvis im Land: Seither werden wieder verstärkt Juristen, Ärzte, Assistenten, Ingenieure gesucht, weil das m/w/d die weibliche Paarform verdrängt. Toller Fortschritt.

Natürlich ist Sprache Ausdruck der Gesinnung. Man kann mit Sprache diskriminieren und ausgrenzen, keine Frage. Aber muss man das Kind mit dem Bade ausschütten? Texte, die von Antragsteller*innen, BewerberInnen oder Entscheidungsträger/inne/n handeln, kann man schlicht nicht lesen, und vorlesen, also sprechen, kann man sie erst recht nicht (vgl. hierzu Seite 17: „Werde „MAIN-Held*in“).

Mein Chef, der Bürgermeister, setzt auf den gesunden Menschenverstand. Wenn man in einem Text nach der männlichen oder auch weiblichen Form durch einen Klammerzusatz oder eine Fußnote klarmacht, dass jeweils bis zum Ende immer alle Geschlechter gemeint sind und niemand durch eine Anrede diskriminiert wird, muss das doch reichen. Es zählt der Mensch und nicht das Symbol. Politisch unkorrekt muss ich zum Schluss allerdings auf Coco Chanel verweisen: „Die selbstsichere Frau verwischt nicht den Unterschied zwischen Mann und Frau – sie betont ihn.“

Ihre Sabrina

GemeindeZeitung

Neues von Sabrina

GZ Archiv

Kolumnen & Kommentare aus Bayern

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung