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(GZ-22-2019)
Neues von Sabrina
 

Hirnloser Kaufrausch einst und heute

Gestern hat mein Chef gesagt...

Black Friday und Cyber Monday sind nur zwei Synonyme für hirnlosen Kaufrausch, über den der Rathauschef sinniert. Heute sind die Straßen nicht mehr schwarz vor Einkaufslustigen; vielmehr ärgert man sich schwarz über die langsame Internetverbindung.

„Na, freut ihr euch auch so auf den Black Friday? Jede Menge Schnäppchen, Gelegenheiten und Sonderangebote – da kann man doch unseren traditionellen Ausverkauf in der Pfeife rauchen.“

Mein Chef, der Bürgermeister, setzte sich bei seinem Morgenkaffee bewusst übertrieben und überdreht mit dem Shopping-Phänomen aus USA auseinander,das auch bei uns eine feste Größe zu werden scheint. Nach dem Muttertag und Halloween jetzt also der Black Friday samt dem Black Weekend und dem Cyber-Monday, die zu uns über den großen Teich kommen und davon künden, dass bei aller kritischen Sicht auf das Amerika von heute, von Präsident Trump gar nicht zu reden, der soziokulturelle Einfluss dieses großen Landes auf uns ungebrochen ist.

Nicht weniger als 1,3 Milliarden Euro Umsatz machte der Einzelhandel am Black-Friday-Wochenende 2017 und bei der derzeitigen Konsumfreude der Deutschen ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Jahr alle bisherigen Rekorde geknackt werden.

Dabei gibt es den Black Friday bei uns erst seit 2013. In den USA markiert der Freitag nach Thanksgiving, das wiederum traditionell am vierten Donnerstag im November gefeiert wird, den Beginn des Weihnachtseinkaufes. Und weil an diesem Tag die Straßen und Bürgersteige, die Malls und Flaniermeilen schwarz von Menschen sind, hat die Polizei von Philadelphia, so die Erzählung, den Tag 1966 kurzerhand als Black Friday karikiert. Der Name war anscheinend so einprägsam, dass er von einem Spottwort zu einer Marke umgerubelt wurde und heute ist er das Synonym für hirnlosen Kaufrausch schlechthin.

Denn schließlich bedient er aufs Genaueste ein Urbedürfnis des Konsumenten: Er will das Gefühl, etwas Besonderes erstanden zu haben. Das Paradoxe: Bei Luxusgegenständen ist es der hohe Preis der ihn anzieht. Stichwort: Ich kann mir das leisten. Bei Konsumartikeln muss es gnadenlos billig sein. Man will das Gefühl haben, den Produzenten oder Händler so richtig bis aufs Hemd ausgezogen und nur das für eine Ware bezahlt zu haben, das nötig ist, um den Produzenten/Händler nicht ins Elend zu stürzen.

Und das ist nichts Neues. Menschen meiner Generation kennen noch den streng regulierten Sommer- bzw. Winterschlussverkauf der alten Bundesrepublik. Genau festgelegt auf wenige Tage waren die Daten Wochen vorher schon in aller Munde. An einem Montag beginnt das Spektakel immer. Um 8 Uhr morgens bildet sich schon eine Menschentraube vor dem Haupteingang des Kaufhauses. Endlich 9 Uhr – Öffnung. Die meist weiblichen Kauflustigen stürmen die strategisch günstig platzierten Wühltische und balgen sich um reduzierte Bettwäsche oder heruntergesetzte Socken. So zu besichtigen jedes Jahr zweimal in der Tagesschau, mal in schwarz-weiß, mal in Farbe.

Auch ich kann mich noch gut erinnern, dass ich von meiner Mutter auf den Wunsch des Kaufes der angesagten Jeans immer auf den Schlussverkauf verwiesen wurde. Dann war das gute Stück meist nicht mehr da. Oder es war noch da, aber so erkennbar Saisonware, dass es in dem Moment aus der Mode war, als ich es bekam. Nur gut, dass es all meinen Freundinnen nicht besser erging und wir halt der neusten Mode immer ein halbes Jahr hinterherhinkten.

Mein Chef, der Bürgermeister, sieht ein, dass sich die Menschen nicht geändert haben, nur die Begriffe. Und die Zeiten natürlich, denn der Schlussverkauf spielte sich in der Innenstadt ab, der Black Friday und erst Recht der Cyber Monday aber vorwiegend im Internet. Heute sind also nicht mehr die Straßen schwarz vor Einkaufslustigen, sondern man ärgert sich schwarz über die langsame Internetverbindung beim Klick auf das begehrte Kleid oder die schrägen Sneakers.

Dem Chef gebe ich für seine Konsumbetrachtungen einen Satz des britischen Philosophen John Ruskin mit auf den Weg, der die industrielle Revolution begleitete: „Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte.“.

Ihre Sabrina

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