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(GZ-5-2021)
Neues von Sabrina
 

Endlich wieder Haare schneiden!

Der Bürgermeister war beim Friseur. Und beim heimischen Gärtner wird er mit seiner Frau Frühjahrspflanzen besorgen. „Der Mensch funktioniert nicht über Verzicht“, meint er gemeinsam mit Max Moor. Er ist dankbar, dass wenigstens ein paar Geschäfte wieder offen sind.

„Sich was gönnen in der Fastenzeit. Corona bringt doch alles durcheinander!“ Mein Chef, der Bürgermeister, war heute recht entspannt etwas später ins Büro gekommen. Er war beim Friseur. Endlich kann ich nur sagen. Das war höchste Zeit.

Ich weiß nicht, ob es theologisch vertretbar ist zu behaupten, man habe die Fastenzeit quasi vorweggenommen. Aber hallo: Genau so fühlt sich die Zeit zwischen Beginn des jüngsten Lockdowns und jetzt an – als eine lange, lange Zeit des Verzichts. Ok, keines gänzlich freiwilligen Verzichts, der wohl zur Umsetzung des Fastengebots unabdingbar ist, aber doch eines schmerzlichen.

Gott, was ist die Staatsregierung von Besserwissern aller Art attackiert worden, weil Friseure und Nagelstudios seit 1. März ihre Dienste wieder anbieten dürfen. „Was ist an einer guten Frisur so wichtig?“, wird da getönt. Warum die, warum nicht andere.

Solchen Zeitgenossen entgegne ich nur, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob sich jemand um die Körperpflege kümmert, der das gelernt hat und die richtigen Handgriffe beherrscht oder ob man sich ein YouTube-Video reinzieht und meint, damit eine Handwerksausbildung ersetzen zu können.

Jeder, der es für sich ok findet, dass der Partner seine Haare mithilfe eines Haartrimmers im Zaume hält, sei die Freude belassen. Jede, die es nicht stört, sich mit Hilfe von abenteuerlichen Verrenkungen die Zehennägel zu schneiden, nur um dann doch inegale und nicht gleich lange Zehen in den Sandalen zu präsentieren, hat mein Mitgefühl.

Aber es gibt halt mal auch Leute wie mich, die einerseits einen gewissen ästhetischen Anspruch haben, es andererseits aber auch sehr angenehm und entspannend finden, sich alle vier bis sechs Wochen in professionelle Hände zu begeben, um sich verwöhnen zu lassen. Das mag nun der eine oder die andere dekadent finden. Wer meint, einen Pferdeschwanz könne man auch mit einer Hanfschnur bändigen oder gleich lange, rund gefeilte Fingernägel seien keine notwendige Bedingung zum Überleben der Spezies Mensch, dem sei gesagt: „Möglich, möglich, aber all das hat sehr wohl mit zivilisiertem Auftreten zu tun.“

Vielleicht hat ja die Pandemie auch was Gutes, indem sie uns die Bedeutung von Berufen und Gewerken vor Augen führt, deren Existenz und Inanspruchnahme wir bisher als selbstverständlich angesehen haben.

Dazu gehören definitiv auch Bau- und Gartenmärkte. Jetzt, wenn die Natur erwacht und die Sonne in der Nase kitzelt, will man nur raus aus seinen vier Wänden. Dann fährt man entweder zu bekannten Ausflugszielen, in denen es am Wochenende zugeht wie am lausigen Kopf oder man erweitert diszipliniert den Radius des Hausarrestes auf Garten, Terrasse und Balkon aus. Dann braucht man aber frische Pflanzen, Sämlinge sowie Werkzeug, das im Herbst kaputt oder über den Winter abhanden gekommen ist.

Klar, kann man sich auch alles im Internet bestellen, die großen Gartenmultis haben alle attraktive Webseiten, die Pflanzen in voller Pracht und Schönheit mit detaillierten und informativen Beschreibungen feilbieten. Alles gut. Bis auf den Duft. Lieben Sie Rosen? Ja? Sicherlich wegen ihrer Schönheit aber bestimmt nicht minder wegen des Duftes. Und ich finde an meinem Computer trotz heißem Bemühen noch nicht den Smell-Button, der es mir erlauben würde, die angebotene „Gloria Dei“ mit der Mitbewerberin „Marie Curie“ (beides tolle Rosensorten) olfaktorisch zu vergleichen.

Mein Chef, der Bürgermeister, stimmt mir zu: Die Öffnungen waren überfällig. Er hat seiner Frau versprochen, am kommenden Samstag mit ihr zur hiesigen Gärtnerei zu fahren und die Pflanzen für‘s Frühjahr zu besorgen. Und ich? Ich werde ebenfalls zum Friseur gehen und mich so richtig verwöhnen lassen. Dabei denke ich nicht nur an mich, sondern auch daran, dass die Menschen, die mir seit Jahren soviel Gutes tun, endlich wieder Umsatz machen müssen. Ein ordentliches Trinkgeld wird auch noch drin sein.

Einig sind mein Chef und ich uns auch dar-
über, dass der Schweizer Max Moor Recht hat: „Der Mensch funktioniert nicht über Verzicht.“

Ihre Sabrina

 

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