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(GZ-14-2022)
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Das gut gemeinte Neun-Euro-Ticket

Klar, Diskussionen um die Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Nahverkehrs müssen geführt werden. Das sieht auch Pino, der Rathauskater, so. Aber kann Attraktivität tatsächlich nur durch den Preis geschaffen werden oder auch durch Qualität?

Jetzt hat es fast Bergfest, das Neun-Euro-Ticket. Die Sage will wissen, dass es das Licht der schillernden Welt des öffentlichen Nahverkehrs erblickt hat, weil jeder der Ampelpartner sich was zur Kompensation der hohen Energiekosten wünschen durfte und die Grünen bei der Gelegenheit ebenso viel Geld zum Fenster rauswerfen wollten wie SPD (Energiezuschlag für Erwerbstätige) und FDP (Tankrabatt). Damit hatte der Vorschlag einer Kaufprämie für Elektrolastenfahrräder keine Chance mehr – wäre nicht so richtig teuer geworden.

Wie gesagt eine Sage. Schließlich ist vieles andere auch noch unklar im Umfeld dieses Nahverkehrsschnäppchens. Warum neun Euro? Warum nicht sieben, acht oder zwölf – allesamt mythische Zahlen mit tollen Anknüpfungspunkten in der Religions- oder Kunstgeschichte? Nein, neun war die Zahl. Warum ausgerechnet in den Sommermonaten, wenn zu einer abnehmenden Zahl von Pendlern (die ja angeblich von den Vorzügen des ÖPNV überzeugt werden sollen) eine stetig anschwellende Zahl von Ausflüglern und Reisenden kommt? Warum gilt das Ticket in jedem Verkehrsmittel in Deutschland außer dem Flugzeug und dem Binnenschiff und nicht nur in dem Verkehrsverbund des Kaufes? Und, als letzte Frage: Warum ist keiner der Ampel-Weisen auf die Idee gekommen, den Verkehrsverbünden und der Bahn die Mittel für Kapazitätsaufstockungen zu geben.

Denn in der Tat, das Neun-Euro-Ticket ist ein Erfolg. Ich kenne eine Masse Leute, die es haben und auch nutzen, indem sie zwar mit dem Auto in die nächste Stadt fahren, aber dann an der Peripherie parken und auf den ÖPNV umsteigen. Das lohnt in München schon ab zwei Fahrten plus einer Kurzstrecke. Also pro Monat ein Arzt- und ein Theaterbesuch und das Ding hat sich amortisiert.

Ob jetzt so viel Pendler dauerhaft in den Zug umsteigen, wage ich mal zu bezweifeln, da die Züge voller und unpünktlicher then ever verkehren und eine einstündige Verspätung in einem bis auf den letzten Stehplatz gefüllten Pendlerzug mit ausgefallender Klimaanlage nicht jedermanns Vorstellung von komfortabler Transportation entspricht. Auch ist mir nicht ganz klar, ob es ökologisch klug ist, die Radwanderer und Radausflügler wieder in die großen Autos mit Radlanhänger zu verweisen, weil die allermeisten Züge so voll sind, dass keine Räder mehr mitgenommen werden können oder sogar dürfen.

Dennoch bin ich überzeugt davon, dass die meisten Deutschen das Ticket am liebsten zu einer Dauereinrichtung machen würden. Jedenfalls wird es absehbar zur Benchmark jeder Diskussion über die Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Nahverkehrs. Und solche Diskussionen müssen geführt werden. 

Ich stelle mir nur zwei Fragen. Die erste: Kann Attraktivität nur durch den Preis geschaffen werden oder auch durch Qualität? Wir haben ein gut ausgebautes Busnetz mit Zehn- bis Zwanzig-Minutentakt in Bussen, die nicht älter als fünf Jahre sind. In München fahren – so wird berichtet – teilweise U-Bahnzüge, die schon die Gäste der Olympischen Spiele 1972 befördert haben mit halber Kapazität im Zehn-Minutentakt auf viel frequentierten Strecken. Ist das wirklich ein leckeres Angebot für potentielle Fahrgäste?

Meine zweite Frage betrifft das flache Land. Es wird ja oft beklagt, dass in dünn besiedelten ländlichen Regionen so wenig Busse fahren, teilweise in Stundentakten oder gar nur ein paar Mal am Tag. Aber ist das nicht vernünftig? Wenn die Schüler in der Schule oder die Arbeitnehmer im Betrieb sind, muss dann wirklich ein Bus mit hohen Kosten einen einzelnen Rentner im Halbstundentakt zum Arzt und wieder zurückbringen? Oder sind hier nicht andere, flexiblere und kostengünstigere Mobilitätskonzepte gefragt?

Gerade für die Entwicklung der Mobilität für ländliche Räume wäre Geld vom Bund sinnvoller angelegt, als für PR-Gags wie das Neun-Euro-Ticket. Und vor allem nachhaltiger! Ja, der Schriftsteller und Politiker André Malraux wusste, wovon er sprach: „In der Kunst und in der Politik ist gut gemeint das Gegenteil von gut.“

Ihr Pino

Pino

 

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