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(GZ-3-2023)
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Selbst denken oder sich auf ChatBots verlassen?

Der Rathauskater stellt die provokante Frage, ob seine Kolumne selbst erdacht ist, oder von einem ChatBot stammt. Wer sich‘s künftig einfach machen möchte beim Entwurf seiner Vorträge und Grußworte, kann sich aus dem www bedienen – Urheberrechtsverletzungen selbstverständlich inbegriffen.

Zunächst die Preisfrage der heutigen Ausgabe: Ist dieser Text von einem lebendigen, denkenden Wesen verfasst oder von einem ChatBot?

Das mag jetzt ein etwas abgefahrener Texteinstieg sein, aber wenn man in den letzten Tagen und Wochen die Diskussionen rund um ChatGPT verfolgte, dem derzeit wohl ausgefuchstesten textbasierten, auf maschinellem Lernen beruhenden Dialogsystem mit Benutzerschnittstelle, konnte man ja geradezu Wunderdinge über dessen Fähigkeiten zur Textproduktion lesen und hören. Jedenfalls die Kolumne eines alten schwarzen Katers, der schon eine Menge textlicher Spuren im Internet verbreitet hat, müsste er locker hinkriegen. Und das, obwohl derzeit nur ein kostenloser Prototyp im Umlauf ist, der uns in Erstaunen versetzen und wohl auch für einen eventuell kommerziellen Nachfolger anfixen soll.

Soweit ich das verstanden habe, kann man dem ChatBot eine Aufgabe stellen (z.B. schreibe ein Referat über den staatlichen Aufbau der Bundesrepublik) und schon sucht sich das Programm blitzschnell aus Milliarden von Einzelinformationen im Netz solche heraus, die zum Thema passen und fügt sie dann in einer Sinnlogik aneinander, die dem gedanklichen Aufbau eines Referats entspricht. Solche Texte gelingen ihm anscheinend umso besser, je weniger originell das ihm gestellte Thema ist und je mehr ähnliche Texte es im Internet zu finden gibt. Dabei erscheint es, als lerne das Programm fortwährend, weil leichte Nuancen in der Fragestellung bewirken, dass ein möglicherweise komplett anderer Text ausgeworfen wird.

Das ruft jetzt natürlich einige auf den Plan, die alte Geschäftsmodelle koppheister gehen sehen. Allen voran Lehrkräfte und Professoren, die sich in verschiedenen Tonlagen ausmalen, was eine ChatBot-Nutzung mit gewachsenen Prüfungsformen wie Hausarbeiten, Referaten oder Seminararbeiten machen könnte. Journalisten spekulieren eifrig, welche Art von Artikeln oder Berichterstattung künftig selbstständig vom Kollegen Computer erstellt werden und für was es noch der rasenden Reporter bedürfe.

Auch auf die Arbeit im Rathaus könnte das Phänomen ChatGPT oder anderer ChatBots, die derzeit in den Hirnen von Entwicklern aller großer Internetfirmen entstehen (in Amerika wohlgemerkt, natürlich nicht in Europa, denn bei uns hätten wir eher eine Reglementierungs- als eine Entwicklungsidee), Auswirkungen haben. So könnte ich mir gut vorstellen, dass so mancher und so manche in der Verwaltung, die heute bei der Anforderung für ein Grußwort zum Firmenjubiläum, zur Siegerehrung oder zur Kindergarteneinweihung mühsam Daten, Fakten und Anekdoten zusammentragen und nach einem würzenden Zitat suchen, in Zukunft einfach eine Fünfminutenrede bei ChatGPT bestellen.

Oder der Glückwunschbrief zum 95. Geburtstag von Amrei Gsottenbauer – wohlgesetzte Worte aus dem Netz statt ewig gleicher Floskeln. Vielleicht schaut ein Brief zum gleichen Anlass an Notburga Freifrau von Immer-Gleichern ganz anders aus als der fürs Amrei? Faszinierend.

Natürlich ist die Entwicklung auch nicht ohne. Im Grunde begeht der ChatBot millionenfache Urheberrechtsverletzungen, wenn er sich einfach aus den im Internet bereits vorhandenen Texten bedient. Im Bereich der Erstellung von Bildern durch künstliche Intelligenz, die sich die Vorstellung von Gegenständen durch das Durchsuchen von Bilddateien erworben hat, wird dies ja auch schon geltend gemacht. Zudem wird die Produktion von Texten aller Art ja wohl auch immer uniformer und gleichförmiger, wenn ab einem gewissen Punkt zu gewissen Themen nur noch die ChatBots verneinender abschreiben, ohne dass ein weiterer origineller Gedanke von einem belebten denkenden Wesen dazu kommt.

Denn schon der erste Bundespräsident Theodor Heuss stellte hellsichtig fest: „Eines Tages werden Maschinen vielleicht nicht nur rechnen, sondern auch denken. Mit Sicherheit werden sie aber niemals Phantasie haben“.

Ihr Pino

Pino

 

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