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(GZ-13-2023 - 6. Juli)
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Der unbedingte Schwarz-Weiß-Diskurs

Pino kritisiert den Anspruch der öffentlich-rechtlichen Medien auf die unbedingte Wahrheit: Das führt zu Hilflosigkeit der Mehrheit der Bevölkerung, die sich in den aktuellen Diskussionen nicht wiederfindet. „Und“, so der Kater, „was wir nicht verstehen, lehnen wir ab.“

Bayern ist bekanntlich in sehr vielen Bereichen absoluter Spitzenreiter unter den deutschen Ländern und oft auch im gesamteuropäischen Vergleich. Erst kürzlich wurde wieder festgestellt, dass Bayern auch deutscher Champion in direkter Demokratie ist: 40 Prozent aller Bürgerbegehren in Deutschland finden in unserem Freistaat statt. Stolze 3.500 seit 1956. Im Durchschnitt der letzten Jahre wurden rund 125 Bürgerbegehren pro Jahr angestoßen. Dazu kommen natürlich noch die Volksbegehren auf Landesebene, die bei uns Verfassungsrang haben.

Ein einsamer deutscher Rekord, denn das für seine demokratiebewussten Bürgerinnen und Bürger bekannte Baden-Württemberg steht nur für 12 Prozent aller Bürgerbegehren. Zusammen aber entfallen auf die beiden Südländer über die Hälfte der Akte der direkten Bürgerbeteiligung in kommunalen Angelegenheiten in ganz Deutschland. Das sollten sich diejenigen mal vor Augen führen, die bei uns die Demokratie koppheister gehen sehen, bloß weil nicht jeder Politiker das große Wörterbuch der achtsamen Sprache unterm Arm mit sich trägt.

Ein Schielen nach Bayern dürfte auch vor dem Hintergrund einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Allensbach sinnvoll sein, nach der 52 Prozent der Deutschen die Ansicht vertreten, sie hätten keinen Einfluss darauf, was an ihrem Wohnort geschieht. Nur 29 Prozent sind der Überzeugung, sie hätten Einfluss. Das sind die schlechtesten Werte seit Anfang der 90er Jahre.

Man fragt sich natürlich, warum das so ist und vor allem, warum sich das Meinungsbild so schnell so heftig gedreht hat. 2021 waren nämlich noch 47 Prozent der Befragten der Meinung, der Bürger habe Einfluss und nur 30 Prozent gingen von ihrer Machtlosigkeit aus.

In der Analyse des sozialwissenschaftlichen Instituts finden sich dazu bemerkenswerte Sätze. Etwa, dass über die Medien Diskussionen geführt würden, die an der Mehrheit der Bevölkerung vorbeiliefen. Oder Parteien Ziele verfolgten oder Entscheidungen mittrügen, die zwar Intellektuellen oder Journalisten gefielen, die die Mehrheit der Menschen aber befremdeten oder dieser sogar existentielle Sorgen bereiteten. Kurz: Im Elfenbeinturm Berlin-Mitte werden Konzepte erarbeitet, von denen die im Bund Regierenden annehmen, sie würden auf Zustimmung stoßen, die aber in Wahrheit nicht verstanden werden oder, wenn verständlich gemacht, auf massive Ablehnung stoßen.

Dann kommen noch die Verstärker in den Medien, die das Ganze als Heilbringung und Weltenrettung feiern und alles niedermachen, was die Weisheit der Regierung in Zweifel zu ziehen versucht. So wie eine öffentlich-rechtliche Jugendsendung, die für einen Beitrag gegen „rechts“ die Namen Höcke, Weidel, Merz und Söder in einem Atemzug nannte und in der Hintergrundcollage CSU und CDU bunt mit AfD, NPD und der kaiserlichen Fahne von vor 1918 in einen Topf warf. Oder eine Kabarettistin, die nicht mehr in der „heute-show“ auftreten will, weil ihr diese frühere Satiresendung zu viel Meinungsmache für eine Seite und zu viel Verachtung für politische Wettbewerber enthält. Wer „extra3“ oder „Bosetti will reden“ konsumiert, wird auch in diesen öffentlich-rechtlichen Formaten ähnliches finden.

Wir haben derzeit die Tendenz des unbedingten Schwarz-Weiß-Diskurses. Das betrifft die Querdenker mit den Verschwörungstheorien, das betrifft die Klimaaktivisten, die sich vor lauter hysterischer Weltendestimmung gar nicht mehr einkriegen, aber ebenso einen gehörigenTeil der medialen Begleitung politischer Prozesse, die oft nur noch (regierungsamtliche) Wahrheiten verbreiten will und keine fairen Kontroversen mehr kennt. Wenn aber dem Bürger vorgeschrieben wird, was er zu denken hat, dann wird ein vielleicht latent vorhandenes Gefühl der Machtlosigkeit nur befeuert.

Dass sich Demokratie und absolute Wahrheit nicht vertragen, wusste schon der Staatsmann und Historiker Winston Churchill: „In der Demokratie ist es notwendig, sich gelegentlich den Ansichten anderer Menschen zu beugen.“

Ihr Pino

Pino

 

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