(GZ-15/16-2023 - 3. August) |
Kraftakt Wohnraumschaffung |
„Allein 3.600 technische und rechtliche Normen sind beim Wohnungsbau zu berücksichtigen. In der Schweiz sind es 175“, Pino beklagt, dass die Ausuferung von Bürokratie nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führt. |
In der letzten Ausgabe hatte ich ja davon geschrieben, dass in unserer Stadt der Wohnungsbau hohen Stellenwert hat und auch der Bau von Einfamilienhäusern und Wohnraum für Familien immer noch weitergeht. Der Bürgermeister hat mich natürlich für diese positive Darstellung seiner Politik und seiner Leistungen gelobt. Gleichzeitig hat er mir aber mal dargelegt, welchen Kraftakt das Bauen heutzutage darstellt – für die Bauherren wie für die Kommunen. Die Bundesregierung tut sich leicht. Die verkündet einfach im Stil einer Planvorgabe à la Fünf-Jahres-Plan den Bau von 400.000 Wohnungen jährlich, davon 100.000 öffentlich gefördert. Sie tut aber nichts, um es Bauwilligen, Investoren oder Kommunen zu erleichtern, tatsächlich Wohnungen zu bauen. Stichwort Bauvorschriften: Deren Zahl hat sich von 5.000 im Jahr 2000 auf nunmehr 20.000 in nicht mal 25 Jahren glatt vervierfacht. Diese sind vom kommunalen Planungsträger in der Regel nicht oder nur eingeschränkt zu beeinflussen. Allein 3.600 technische und rechtliche Normen sind beim Wohnungsbau zu berücksichtigen. In der Schweiz sind es 175. Gut, als alter Kater kommt man nicht so weit in der Weltgeschichte herum, aber meines Wissens handelt es sich bei der Schweiz um ein höchst zivilisiertes, sehr schönes Land, mit vielleicht nicht immer modernem (keine Kriegszerstörungen), aber äußert standsicherem Wohnungsbestand. Ketzerischer Gedanke: Vielleicht spart sich die Schweiz auch einfach die ein oder andere überzogene feuerpolizeiliche Vorschrift. Dann Hand aufs Herz, neben dem Datenschutz ist der Brandschutz der zweite große Fetisch, der zur Ausuferung von Bürokratie und zu nicht immer sachgerechten Ergebnissen führt. Langsam, liebe Leserinnen und Leser in den Bau- und Sicherheitsämtern, natürlich ist Brandschutz wichtig und natürlich will keiner in seinen eigenen vier Wänden verbrennen. Aber wenn man mal alle unterlassenen Dachgeschossausbauten oder Aufbauten im Bestand erfassen würde, die nicht realisiert wurden, weil sie sich wirtschaftlich durch das Rutschen in eine neue Gebäudeklasse mit den damit verbundenen massiv erhöhten Auflagen nicht gerechnet haben, käme man sicher auf ein sehr dickes Buch des Verhinderns und Behinderns. Stichwort Förderung: Derzeit geistern ja wieder Forderungen nach einer Abrissprämie für Häuser herum, deren Sanierung sich energetisch nicht lohne oder bei deren Abriss und Neubau überdurchschnittlich viel zusätzlicher Wohnraum gewonnen werden könnte. Jetzt sind Rufe nach solchen Prämien immer ordnungspolitisch fragwürdig, vor allem, weil ja aus Gründen der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes Bestandserhalt vor Abriss gehen sollte. Vor allem ist nicht klar, welches sozial- oder klimapolitisches Ziel erreicht werden soll. Wenn schon für Subventionen Geld ausgegeben wird, wäre es doch erheblich sinnvoller, gezielt diejenigen zu fördern, die sich bei Immobilienfinanzierungen nach der Decke strecken müssen. Beispielsweise könnte die Grunderwerbsteuer beim Erwerb der ersten selbstgenutzten Wohnung oder wahlweise eines – hier kommt das böse Wort wieder – Einfamilienhauses erlassen werden. Oder der Wegfall der Erbschaftsteuer auf eine Wohnimmobilie, egal ob man das frühere Zuhause der Eltern selbst nutzt oder vermietet. Das gesparte Geld könnte in die Sanierung fließen. Oder die Möglichkeit, energetische Sanierungen der eigengenutzten Immobilie einschließlich des Heizungstausches in kurzer Frist (fünf Jahre?) abzuschreiben (ja, alle Steuerrechtler müssen jetzt sehr tapfer sein, weil das unsystematisch ist – aber was ist bei unserem Steuerrecht schon noch systematisch?). Es ist höchste Zeit, dass wir uns in Deutschland ehrlich machen: Wohnungen werden nicht durch Absichtserklärungen in Koalitionsverträgen gebaut, sondern durch Menschen, die das leisten wollen und die es sich leisten können. Also ran an die Baustandards und das Bauen einfacher machen. Wenn Geld verteilt werden soll, dann an junge Leute, Familien und diejenigen, die ein Familienerbe bewahren wollen. Denken wir an Johann Gottfried Herder: „Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie.“ |
Ihr Pino
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