(GZ-20-2023 - 26. Oktober) |
Wie Schmidts Katze, nur elektrisch |
Der Bürgermeister hat einen neuen Dienstwagen. Baye-risch und rein elektrisch, selbstverständlich. Welche Abwägungen zu dieser Entscheidung führten, erklärt Rathauskater Pino. |
„Diese Woche hat sich der Bürgermeister einen neuen Dienstwagen bestellt. Natürlich ein bayerisches Fabrikat, erst kurz auf dem Markt und ein Hammerding. Bescheiden wie der Bürgermeister nun mal ist, nur obere Mittelklasse, aber mit allen technischen Raffinessen einschließlich Selbstfahreigenschaften und Remoteparken. Warum soll das Fahren nicht auch Spaß machen, wenn der Fahrer mal seinen freien Tag hat? Und da unsere Stadt und sein Oberhaupt natürlich immer ganz vorne bei jeder Entwicklung dabei sind, handelt es sich um ein rein elektrisches Fahrzeug. Aber mit mehr als ordentlichen Leistungskennzahlen, die jeden eingefleischten Autoenthusiasten jubeln lassen. Der geht ab wie Schmidts Katze, hat aber eine Reichweite von gut über 500 Kilometer. Zugegeben, einen richtigen Petrolhead, der sich für die Ästhetik von Acht- oder Zwölfzylinderverbrennermotoren begeistern kann, wird dieser Wagen nicht umhauen. Auch die 1.000 Kilometer Reichweite mit einer Tankfüllung des alten Dieselfahrzeugs sind mit dem neuen Schmuckstück Geschichte. Aber der Bürgermeister hat sich bewusst für einen Elektroantrieb entschieden, weil er das dauernde Gejammer über einen angeblichen Rückstand der deutschen und europäischen Automobilhersteller gegenüber chinesischen auf dem Feld der Elektromobilität nicht mehr hören kann. Aus seiner Sicht sind gerade die beiden bayerischen Hersteller absolut auf der Höhe der Technik, ja BMW liegt etwa beim Thema autonomes Fahren im Hinblick auf die Zulassung der technischen Assistenzsysteme im normalen Straßenverkehr mittlerweile sogar vor Tesla. Die Autos sind top verarbeitet, zuverlässig und bieten ein ansprechendes Design. Anders als so manches außereuropäische Modell, bei dem man den Eindruck hat, die Entwicklungsabteilung habe die Karosserie auf der Basis von Knetarbeiten Vierjähriger konzipiert. Vollends unten durch waren chinesische Anbieter beim Bürgermeister, als er den Fahrbericht über ein China-Mobil in einer großen überregionalen Zeitung las. Neben einem allgemeinen „so-la-la“ und „das-könnte-man-besser-machen“ regte sich der Kritiker vor allem über die ständigen Warnungen und Ermahnungen auf, die der Bordcomputer bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten während der Fahrt von sich gab. Das mag die an Gängelei und Überwachung gewöhnten Chinesen nicht stören – ein selbstbewusster Europäer ist davon nur genervt. Nächster Punkt: Überwachung. Es häufen sich die Warnungen, dass die heute in allen Autos bis zum Abwinken verbaute Elektronik bei chinesischen Fabrikaten zu Datentransfers nach China genutzt werden kann bzw. den Nutzer der Gefahr von Fernsabotage aussetzt. Nicht umsonst werden chinesische Firmen – Stichwort Huawei und ZTE bei Mobilfunkkomponenten – von den Sicherheitsbehörden beim Thema Datenabgriff mit Argusaugen betrachtet. OK, deutsche und viele europäische E-Autos sind vergleichsweise teuer. Das ist wirklich ein Pluspunkt für die Asiaten. Anstatt hier mit einer klugen Förderpolitik gegenzusteuern, hat die Bundesregierung ein Herz für die asiatischen Importeure. Seit September 2023 werden gewerblich genutzte E-Fahrzeuge (meist halt doch europäische Mittel- und Oberklasse) gar nicht mehr gefördert und ab 2024 werden auch bei Privaten nur noch Autos bis zu einem Netto-Listenpreis von 45.000 Euro gefördert. Mich würde nicht wundern, wenn dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesverkehrsminister demnächst die Ehrenmitgliedschaft im Verband der südkoreanischen Automobilproduzenten angetragen würde. Frankreich macht es besser und fördert zukünftig nur, wenn Autos besonders klimafreundlich gefertigt wurden. Ein KO-Kriterium für das Kohleland China. Und die USA fördern eh nur Fahrzeuge, in deren Wertschöpfungskette maximal „Made in America drin“ ist. Vorbilder für Deutschland? Schön wärs! Ob der Elektroantrieb wirklich die Zukunft der Mobilität sein wird? Wer weiß das schon. Wer weiter in die Zukunft blicken möchte, dem sei ein Satz des großen Wirtschaftswissenschaftlers Joseph Schumpeter ans Herz gelegt: „Da der technische Fortschritt im Prinzip nicht vorhersagbar ist, ist es sinnlos, sein Ende zu prognostizieren.“ |
Ihr Pino
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