(GZ-23-2023 - 7. Dezember) |
Keine Ad-hoc-Lösungen für aktuelle Probleme |
Pino hält den Kanzlervorschlag „Trabantenstadt“ als Ad-hoc-Lösung gegen die Wohnungsnot für ungeeignet. Der Blick nach Frankreich zeige, dass das Experiment auch schiefgehen kann, Stichwort „Banlieue“. Bei uns hat die Kommunalpolitik aus den Bausünden der Vergangenheit lebenswerte Nachbarschaften mit eigenem Flair gemacht. |
Überall fehlen Wohnungen. Bei uns, in der eher kleinen, aber prosperierenden und lebenswerten Stadt, im Umland von attraktiven Großstädten und in den Metropolen sowieso. Bei so viel potenzieller Nachfrage drängt sich der Gedanke auf, warum nicht mehr gebaut wird. Antwort: Bauen ist teuer, aufgrund vielfältiger Vorschriften aufwändig und unflexibel sowie einfach nicht rentabel. Stichwort Mieterschutz. Ob bei der Festsetzung der Miethöhe, bei Mieterhöhungen, baulichen Veränderungen, bei Kündigungsrechten und Untermietansprüchen – in Deutschland herrscht keine Waffengleichheit zwischen Mieter und Vermieter, sondern der Vermieter kämpft mit auf dem Rücken gefesselten Händen, während der Mieter ein Hufeisen im Boxhandschuh hat. Da der Markt durch staatliche Eingriffe ohnehin gestört ist, hat sich die Ampel für eine Planvorgabe entschieden: 400.000 Wohnungen pro Jahr. Basta. Aber staatliche Planungen funktionieren halt, so lehrt es die Geschichte, erst recht nicht. Derzeit gehen Optimisten von zwischen 150.000 und 200.000 neuen Wohnungen pro Jahr aus. Besser als nix, aber auch bei weitem nicht ausreichend. Damit kommt ein Vorschlag des Kanzlers ins Spiel, mit dem auf einen Schlag alle Probleme – naja, vielleicht eher einige – gelöst werden sollen: Baut wieder Trabantenstädte wie in der 60er und 70er Jahren. Neuperlach, das Märkische Viertel in Berlin, Langwasser – über Jahre hinweg als gescheiterter städtebaulicher Irrweg bezeichnet, sollen nach dem Willen des Kanzlers einförmige Betonklötze auf zu engem Raum wieder wie in der Nachkriegszeit die Lösung sein. Nun wohnt Scholz ja in Potsdam und die Plattensiedlung als natürliches Habitat des sozialistischen Menschen ist dort live zu besichtigen, wie auch in den Außenbezirken von Minsk, Bukarest oder jeder beliebigen anderen Stadt im ehemaligen Ostblock. Wer‘s mag ... Richtig ist, dass sich die genannten Trabantenstädte in Deutschland durch viel Mühe und Engagement der Kommunalpolitik, der Kirchen, der Ehrenamtlichen und vieler Bewohner guten Willens zu lebenswerten Nachbarschaften mit eigenem Flair entwickelt haben. Aber ein Blick etwa nach Frankreich zeigt, dass das Experiment Trabantenstadt, dort Banlieue genannt, auch schiefgehen kann. Gerade wenn die Bewohnerschaft monostrukturiert aus Zugewanderten besteht. Gut, Scholz interessiert sich nicht für Frankreich und stößt unseren engsten Verbündeten mit hanseatischer Arroganz immer wieder vor den Kopf, aber soziologische Studien aus dem Nachbarland, das sich von uns ja gar nicht so arg unterscheidet, müsste er schon lesen können. Aber vielleicht geht es ihm ja nur darum, wenigstens auf einem Feld Handlungsfähigkeit oder das Vorhandensein einer Gestaltungsidee zu demonstrieren, ungeachtet der möglichen negativen Folgen. Um die zu vermeiden, müssten solche neuen Großsiedlungen sehr lange und äußerst gründlich geplant werden. Keine Ad hoc-Lösung für die gegenwärtigen Probleme. Aber schon Johann Gottfried Herder wusste: „Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie“. |
Ihr Pino
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