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(GZ-12-2024 - 20. Juni)
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Die Gretchenfrage in der Kommunalpolitik

Angesichts der Ergebnisse der Kommunalwahlen, die zusammen mit der Europawahl in den „jungen“ Bundesländern durchgeführt wurden, stellt Rathauskater Pino die Gretchenfrage: „Wie hältst Du es mit der Zusammenarbeit?“

Der Untergang des Abendlandes ist vorerst abgewendet. Jedenfalls haben die Europawahlen am 9. Juni nicht die befürchtete Unregierbarkeit Europas durch eine braune Schlammlawine nationalistischer und extremistischer Parteien gebracht. Stärkste und mit 190 Mandaten gestärkte Fraktion wurde die EVP, die Sozialdemokraten kamen mit milden Verlusten davon; nur die Liberalen sowie die Grünen mussten etwas mehr Federn lassen.

Ja, Zugewinne haben auch die nationalistischen und populistischen Parteien erhalten, aber da muss man sicher differenzieren. Beispiel Italien: Da ist die wild um sich schlagende, Putin-freundliche Lega und da ist die stärkste Regierungspartei, Fratelli d’Italia. Letztere ist sicher nicht im klassischen Sinne progressiv, aber wenn Ministerpräsidentin Meloni als Gipfel-Gastgeberin in Apulien aus dem G7-Abschlussdokument das Bekenntnis zum Recht auf Abtreibung streichen lässt, mag das in linken Kreisen Schnappatmung auslösen, bürgerlich-konservativ eingestellte Menschen können es ertragen.

Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Frankreich erlebte geradezu einen Tsunami der alten Front National (die jetzt in guter französischer Tradition anders heißt) und Präsident Macron hat gleich das Parlament aufgelöst. Die spannende Frage ist, ob er das aus einer Art Todessehnsucht heraus gemacht hat oder um die Le-Pen-Truppe in der Regierung zu zermürben. Motto: Dann macht ihr den Dreck doch selber.

Etwas gruselig ist auch die Deutschlandkarte anzusehen, in der die jeweils regionalen Siegerparteien der Europawahl in den Wahlkreisen eingetragen sind. 35 Jahre nach dem Mauerfall zeichnen sich die Konturen der alten Bundesrepublik schwarz für die Union ab und die alternative Farbe Blau zeichnet die Umrisse der deutschen Länder, die mal als die „Jungen Länder“ bezeichnet wurden und jetzt ganz schön alt aussehen. Das ist staatspolitisch und als Zwischenstand der deutschen Einheit mehr als bedenklich, auch wenn aufgrund der geringen Bevölkerungszahl in den Ländern der blauen Zone keine unmittelbare Gefahr für unsere gesamtstaatliche Demokratie ausgeht.

Leid tun mir vor allem die Kommunalpolitiker in den jungen Ländern, in denen auch Kommunalwahlen stattfanden.

Denn nicht nur die Partei rechtsaußen hat dort Ergebnisse um die 27/28 Prozent eingefahren, sondern auch die Partei linksaußen ist wieder stark und wo sie angetreten ist auch die neue Partei BSW, die sich noch nicht recht zwischen links- und rechtsaußen entscheiden kann. Dass sie außen ist, hat sie mit dem beschämenden Auszug ihrer Abgeordneten, zusammen mit denen der AfD aus dem Bundestagsplenum bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eindrucksvoll demonstriert.

Was also tun in den Rathäusern und Kreistagen, in die viele Mandatsträger auf deren Tickets eingezogen sind? Kindergärten, Umgehungsstraßen und Angelegenheiten des Bauhofs sind ja per se nicht parteipolitisch oder ideologisch, sondern nur pragmatisch zu diskutieren. Die Gretchenfrage heißt: Wie hältst Du es mit der Zusammenarbeit? Schließlich sind Gemeinde-, Stadt- oder Kreisräte keine Parlamente, sondern Verwaltungsorgane der Kommune, die zwar nach parteipolitischen Spielregeln funktionieren, aber immer noch das Wohl der Allgemeinheit über alles andere zu stellen haben. Noch fataler wird die Frage, sobald die Gemeinde- oder Kreisordnung verlangt, dass es bei Abstimmungen keine Enthaltung geben kann. Man kann ja schließlich nicht permanent auf die Toilette gehen, um nicht mit einer anderen Partei stimmen zu müssen, obwohl man deren Standpunkt in einer Sachfrage teilt.

Man wird wohl – Brandmauer hin, Abscheu gegen prorussischen Populismus her – nicht darum herumkommen, auf kommunaler Ebene unterhalb formeller Koalitionen auch mit Parteien und Gruppierungen zu arbeiten, deren ideologische Grundhaltung man ablehnt. Das nennt man Pragmatismus.

Und hoffen darf man, dass Nicolás Gómez Dávila Recht hat: „Die Wahrheit wird sich nie beweisen; nur der Irrtum verrät sich früher oder später.“

Ihr Pino

Pino

 

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