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(GZ-14-2024 - 18. Juli)
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Verfassungsviertelstunde für Meinungsfreiheit!

Als alarmierend bezeichnet Rathauskater Pino das Ergebnis einer Allensbach-Studie: 44 Prozent der Bevölkerung trauen sich nicht ihre Meinung zu sagen. „Die Demokratie“, so der Kater, „wurde geboren, als der erste mutige Mann öffentlich sagte ‚Der König ist ein Tyrann‘.“

Ab nächstem Schuljahr wird an bayerischen Schulen eine Innovation Einzug halten: Die Verfassungsviertelstunde. So im
Koalitionsvertrag der Staatsregierung vorgesehen, dürfte es sich um eine bundesweit einmalige Weiterentwicklung der klassischen Penne hin zu einem Ort der Schaffung staatsbürgerlichen Bewusstseins handeln.

Als solche ist sie natürlich zunächst ein Beispiel dafür, dass der Bildungsföderalismus einen echten Mehrwert hat. Im Bildungsbereich liefern sich die Länder immer noch das, was man in anderen Bereichen wie der Wirtschafts-, Haushalts- oder Steuerpolitik so schmerzlich vermisst, nämlich einen um bessere Lösungen ringenden Wettbewerbsföderalismus. Oder wer würde wirklich glauben, aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dieser ideen- und inspirationsfreien Zone, die seit vielen Jahren vom überforderten und sauertöpfischen politischen Proporz geführt wird, könnten echte Impulse für die Schulen im Sinne der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, der Zukunftsfähigkeit des Landes oder wie bei der Verfassungsviertelstunde zur Stärkung des demokratischen Zusammenhalts der Gesellschaft kommen?

Klar, so manch einer und eine reibt sich an dem neuartigen Konzept; aber mit gesundem Katzen- bzw. Menschenverstand scheint es durchaus möglich, 15 Minuten irgendwann von Montag früh bis Freitagnachmittag mal was aus dem Stundenplan rauszuschneiden, um über Verfassung, Demokratie und Grundrechte zu sprechen. Vor allem, wenn man es in Relation zur Bildschirmzeit setzt, die Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren rein statistisch zwischen Montag und Freitag ansammeln, nämlich ganze 1.120 Minuten.

Außerdem, was wären das für traurige Pädagogen, die nicht schon jetzt im Schulalltag und vor allem in diskutierenden Fächern wie Deutsch, Religion/Ethik, Politik und Gesellschaft (den Älteren noch als Sozialkunde geläufig) oder Geschichte nicht auch Raum für aktuelle Entwicklungen und unter den Nägeln brennenden Fragestellungen einräumen würden.

Und Stoff für spannende Viertelstunden bieten sowohl die Bayerische Verfassung als auch das Grundgesetz ja allemal. Mich treibt zum Beispiel das Thema Meinungsfreiheit um, seit vor gut einem halben Jahr eine Allensbach-Studie zum Ergebnis gekommen ist, dass nur 40 Prozent der Deutschen glauben, ihre politische Meinung frei äußern zu können, 44 Prozent aber zur Vorsicht, vulgo zur Selbstzensur im öffentlichen Meinungsstreit raten. Bei der Gen-Z sieht es mit 50 zu 32 zwar besser aus, aber wenn ein Drittel derer, die noch zur Schule oder Hochschule gehen oder diese erst kurz hinter sich gebracht haben, meinen, sie müssten sich selbst Maulkörbe umhängen, ist das für eine freiheitliche Gesellschaft alarmierend.

Klar, auch die Meinungs-, Rede- und Publikationsfreiheit kann nicht grenzenlos sein. Sie muss die Persönlichkeitsrechte und die Ehre anderer wahren und einige Dinge, die in anderen Staaten zwar als ekelhaft, aber nicht strafwürdig angesehen werden, wie Volksverhetzung oder das Bekenntnis zum Nationalsozialismus, sind bei uns im Lichte unserer Vergangenheit zu Recht geächtet. Aber die Unsicherheit, die manch einem rät, seine wahre Meinung nicht kundzutun, entspringt ja nicht primär staatlichem Handeln oder staatlichen Vorgaben. Wobei gerade die amtierende Bundesinnenministerin aufpassen muss, nicht zu vergessen, dass die Demokratie geboren wurde als der erste mutige Mann öffentlich sagte „Der König ist ein Tyrann“. Will sagen, auch scharfe, beißende und verletzende Kritik an den Regierenden ist nicht „staatszersetzende Hetze“, sondern muss mit der Waffe der Gegenrede bekämpft werden.

Genau wie unsere allmächtigen Zensoren auf X, Insta und Co., die schnell mal einen Shitstorm auspacken oder Meinungen, die nicht in ihre Weltbilder passen, canceln und so den Schreiber dem sozialen Netzwerktod überantworten. Auch hier könnte eine gut gemachte Verfassungsviertelstunde zur Meinungsfreiheit durchaus Mut zur Widerrede einhauchen.
Lassen wir, wie vor zwei Wochen, Barack Obama das letzte Wort haben: „Die stärkste Waffe gegen Hassreden ist nicht Unterdrückung, sondern es ist mehr reden.“

Ihr Pino

Pino

 

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