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(GZ-22-2024 - 21. November)
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Plötzlich Neuwahl

Die Fristen für vorgezogene Neuwahlen wurden zu Zeiten festgelegt, in denen die Infrastruktur – kriegsbedingt –noch maroder war als heute „und Papier“, so Pino, unser Rathauskater, „war so knapp, dass nicht mehr gebrauchte Antragsformulare auf der Rückseite neu bedruckt wurden.“ Was Frankreich inkl. Überseedepartements in 21 Tagen schafft, müsste also machbar sein – außer vielleicht in Berlin.

69 – diese Zahl ist derzeit in aller Munde. Das ist die Zahl der Tage, die zwischen der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers im Deutschen Bundestag und dem Tag der Wahl eines neuen Bundestages verbleiben. Das ist etwas weniger Zeit, als in den Jahren 1983 und 2005 (79 Tage), aber länger als die 58 Tage, die 1972 zur Vorbereitung vorgezogener Neuwahlen blieb.

Also könnte man meinen, alles in trockenen Tüchern. Müsste also machbar sein. Zumal es Frankreich in diesem Jahr geschafft hat, die Nationalversammlung binnen 21 Tagen neu zu bestimmen, nachdem den Abgeordneten plötzlich und überraschend die Koffer vor die Türen der Assamblée Nationale gestellt wurden und diese Wahl durch die Überseedepartements in der Karibik, Südamerika und dem Indischen Ozean buchstäblich in der ganzen Welt abgehalten wurde. Bei uns kommen zu den 69 Tagen ja immerhin noch die Vorbereitungswochen vor dem 19. Dezember, der zwar den aktuellen Startschuss markiert, aber einige Vorarbeiten doch schon jetzt möglich sind.

Bei uns diskutieren wir darüber, ob es, wie die Bundeswahlleiterin untertänigst anzumerken geruhte, genügend Papier auf dem Markt gibt – wohlgemerkt ist Deutschland nicht nur die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, sondern auch global der viertgrößte Papierproduzent. Wir sind besorgt wegen Druckereiaufträgen und wegen des Betriebsurlaubs bei einigen Speditionen über die Weihnachtstage. Der Berliner Wahlleiter ist sogar der Meinung, das mit dem schnellen Wählen wäre Murks, weil Berlin ja nicht mal eine Wahl zum regulären Termin auf die Kette kriegt (siehe 2021), wie dann erst eine vorgezogene.

Nur zur Einordnung: Der Vergleich mit Frankreich mag unfair sein, weil ein Zentralstaat bei allen sonstigen Schwächen eine landesweite Wahl sicher effektiver organisieren kann und das Wahlsystem vor allem keine Listenaufstellungen nötig macht, die für die Partei der Hundertjährigen oder die Partei der veganen Esoteriker sicher einen Kraftakt darstellen.

Andererseits haben die Mitglieder des Parlamentarischen Rates die Fristen bestimmt: 21 Tage nach der verlorenen Vertrauensfrage muss der Bundespräsident entscheiden und 60 Tage danach muss spätestens der Bundestag gewählt werden. Damals gab es in der Bundesrepublik keinen zivilen Flugverkehr, die Infrastruktur war noch weitgehend kriegszerstört (also noch maroder als heute) und Papier war so knapp, dass nicht mehr gebrauchte Antragsformulare auf der Rückseite neu bedruckt wurden oder man daraus Briefumschläge herstellte.

Vielleicht war die Wortmeldung der Bundeswahlleiterin eine Auftragsarbeit an eine dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Behörde, die sich bewusst ist, wie robust die derzeitige Ministerin im Feuern von Behördenleitern ist, um einen vom Kanzler gewünschten späten Neuwahltermin „fachlich“ zu unterfüttern. Wenn aber nicht, zeugt dies von einer erschreckenden Trägheit in den verantwortlichen Behördenspitzen.

Gott sei Dank haben die Kommunalen Spitzenverbände diesen verheerenden Eindruck der staatlichen Unfähigkeit, das wichtigste demokratische Ausdrucksmittel des Wählerwillens zu organisieren, rasch korrigiert. Und jetzt liest man jeden Tag in der Zeitung Berichte über Kommunen, die schon jetzt anpacken und die Wahl zum Gelingen bringen werden. Auch bei uns im Städtchen ist der kurze Vorlauf eine Herausforderung, ganz klar. Aber eine, der sich eine funktionierende Verwaltung stellen und sie bewältigen muss.

Die Wortmeldungen der Bundeswahlleiterin und aus Berlin haben leider wieder das Vorurteil genährt, dass wenn ein Beamter etwas nicht will, er Gründe findet, und seien sie noch so an den Haaren herbeigezogen. Dem Eindruck, dass Behörden nur verzögern, verkomplizieren und verhindern, wurde Vorschub geleistet. Wer dagegen etwas will, der tut es, das zeigen die Städte und Gemeinden in Deutschland.

Der Kanzler jedenfalls scheint die Meinung des ehemaligen radikalsozialistischen französischen Premierministers George Clemenceau zu teilen: „Das Regieren in einer Demokratie wäre viel einfacher, wenn man nicht immer wieder Wahlen gewinnen müsste.“

Ihr Pino

Pino

 

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