(GZ-23-2024 - 5. Dezember) |
Was wir wollen |
Dass diese Regierung nur mehr amtierte, aber nicht mehr regierte, das sei doch klar gewesen, meint unser Rathauskater Pino. Und die kritisierte Verwendung kriegerischer Ausdrücke, nun ja, das dürfte „seit den Tagen von Marie-Agnes Strack-Zimmermann gelebte Umgangssprache in liberalen Kreisen sein.“ |
„Wo ist die Nachricht?“ soll Christian Lindner gefragt haben, als thematisiert wurde, dass die FDP seit längerem Planspiele für das Ende der Ampel-Koalition ausgearbeitet hat. Das wird jetzt von Vertretern der verbliebenen Fußgängerampel und interessanterweise auch Medienvertretern zu etwas Unerhörtem skandalisiert, als ob es nicht zum Handwerkszeug der Politik gehören würde, auf jede Eventualität vorbereitet zu sein. Gut, wer sich den Ausdruck „D-Day“ ausgedacht hat, ist entweder ein eingefleischter, wenngleich fehlgeleiteter Fan des Films „Der längste Tag“ oder hat zu viele Seminare zum Thema Aufmerksamkeitssteigerung bei Power-Point-Präsentationen besucht. Die ansonsten kritisierte Verwendung kriegerischer Ausdrücke dürfte seit den Tagen von Marie-Agnes Strack-Zimmermann gelebte Umgangssprache in liberalen Kreisen sein. Dennoch: Ist es verwunderlich, dass eine Partei sich Gedanken über einen Koalitionsausstieg macht, wenn die Koalitionäre nur noch so wenig gemeinsame Substanz haben? Spätestens seit in aller Öffentlichkeit darüber diskutiert wurde, dass es nicht zum Ampelbruch kommen würde, weil einige Minister und Ministerinnen noch keine Altersversorgungsansprüche aus ihren Ämtern erworben hätten, war doch klar, dass diese Regierung nur mehr amtierte, aber nicht mehr regierte. Keine Gemeinsamkeiten mehr – nirgends. Auch wenn jetzt noch so oft und jämmerlich von Vertrauensbruch, Unanständigkeit oder Tücke gesprochen wird, als wäre es um eine eheanaloge Beziehung gegangen und nicht um ein politisch-administratives Projekt: Koalitionen funktionieren, solange die Parteien keine gänzlich gegensätzlichen Vorstellungen von der Richtung haben, die ein Land nehmen soll. Wenn es an diesem fundamentalen Verständnis fehlt, ist es „time to say goodbye“. Was an dieser wehleidigen Diskussion um das D-Day-Papier so ärgerlich ist: Es geht nicht um Politik, sondern um Gefühle. Es soll emotionalisiert werden, um abzulenken. Das geht voll an den Problemen des Landes vorbei und wir vergeben uns als Gesellschaft und Wahlvolk die Chancen, in den paar Tagen bis zur Wahl wirklich um die Zukunft zu ringen und uns bei einigen Fragen ehrlich zu machen. Wollen wir wieder eine starke, innovative und wertschöpfende Wirtschaft oder sind wir ein Rentnervolk der Boomer geworden, das nur daran interessiert ist, seinen Wohlstand im Alter zu genießen? Wollen wir die Herausforderung annehmen und in den öffentlichen Haushalten Prioritäten setzen oder wie Frankreich nach dem Motto „Pfui Deife, mir hams ja“ in Schuldenstände über dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt rutschen? Wollen wir uns wirklich gegen äußere Bedrohungen wehren können oder weiter passiv zuschauen, wie andere mit unserer Kriegsangst spielen und die Republik Männchen vor Diktatoren macht? Wollen wir endlich im 21. Jahrhundert ankommen und uns sinnvoll digitalisieren? Wollen wir uns aber andererseits wappnen gegen Manipulationen im Netz, damit es uns nicht so geht wie den Moldawiern, Georgiern und Rumänen, dass nämlich TikTok und russische Trolle radikale Anti-Demokraten, Anti-Europäer und Zersetzer in die Nähe zur Das sind die Themen, die uns bis zum 23. Februar bewegen sollten. Nicht, ob man statt D-Day besser F-Day geschrieben hätte. Wir brauchen die Debatten einerseits, weil ein Umsteuern der Republik mit einschneidenden Änderungen und Härten verbunden sein dürfte, zu denen wir dann nach der Wahl auch als Gesellschaft stehen, sie akzeptieren und durchstehen müssen. Zudem muss klar sein, welche Partei welchen Weg einschlägt und welche Partei mit welcher sinnvoll eine Koalition eingehen sollte. Denn wenn wieder Feuer und Wasser koaliert, wird es auch in den nächsten vier Jahren nur heißen Dampf geben. Den handelnden Politikern soll ein Zitat von Franz Josef Strauß den Mut zur Wahrheit geben: „Im Übrigen weiß ich als Politiker genau, dass ich erst bei meiner Grabrede erfahren werde, wie gut ich gewesen bin, da ich auch bei jedem Wahlkampf höre, wie schlecht ich bin.“. |
Ihr Pino
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