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(GZ-3-2025 - 30. Januar)
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Wahrheit, Lüge und Wahlkampf

Der Bundestagswahlkampf wird lebhaft und polemisch: Politiker werfen einander Lügen vor. Dabei zeigt sich, dass Wahrheiten oft ambivalent sind. Die Lüge, historisch tief verwurzelt, hat auch in der Politik Tradition, wie Bismarck und Machiavelli illustrieren.

Der Wahlkampf zum Bundestag nimmt ja derzeit richtig Fahrt auf. Wer gedacht hat, das Achtsame und Rücksichtsvolle, das von der Politik im Allgemeinen Besitz ergriffen hat und jede etwas überspitzte oder unkorrekte Bemerkung mit dem Bannstrahl des Cancelns bestraft, würde den Wahlkampf so langweilig wie eine Bundestagsdebatte machen, sieht sich getäuscht.

Im Gegenteil sieht es so aus, als würde es bis zum 23. Februar noch so richtig lustig werden. Jedenfalls hat sich die Spitze einer der die Fußgängerampel tragenden Partei bei einer Demo gegen rechts so richtig beömmeln können, wie ein launiges Selfie beweist. Und der nicht sehr aussichtsreiche Spitzenkandidat der anderen Regierungspartei hat sogar den Wahlkampfklassiker schlechthin rausgehauen: Den Vorwurf der Lüge.

Nach ihm würde das Wahlvolk belogen, weil nicht alle Mitbewerber seiner Meinung zustimmen, dass weitere Ukrainehilfen nur mit weiteren Schulden zu bezahlen seien. Andere Parteien wollen diese Hilfen in Höhe von 3 Milliarden Euro durch nicht verausgabte 4 Milliarden Euro aus dem Verteidigungsetat finanzieren (Spoiler: 3 passt in 4!) oder eine überplanmäßige Ausgabe. Das bringt uns zu der Frage: Was ist eine Lüge?

Eine gute Definition dürfte sein, dass es sich um „die Kommunikation einer subjektiven Unwahrheit mit dem Ziel, im Gegenüber einen falschen Eindruck hervorzurufen oder aufrecht zu erhalten“ handelt. Demgegenüber scheint es bei der Kontroverse über die Ukrainehilfen doch eher um die Diskussion verschiedener Lösungsansätze als die Kommunikation einer Unwahrheit zu gehen.

Wahrheiten sind ja in sich auch sehr ambivalent. Die Aussage „Die Erde ist eine Kugel“ ist unzweifelhaft wahr, wenngleich man einwenden könnte, rein faktisch ähnelt die Erde eher einer Kartoffel mit ihren Ecken und Falten als einer Kugel. Aber wie sieht es mit der Behauptung aus, „die Erde ist eine Scheibe“? Jedes Kindergartenkind würde diese Feststellung empört zurückweisen und doch sieht man, wenn man aus einem einsam gelegenen Häuschen tritt, und über das Meer schaut, den Himmel und eine Abbruchkante. Wer die Erde eine Scheibe nennt, benennt also im Ergebnis nur ein Beispiel für das, was frühe Jünger des Propheten Trump einmal als alternative Fakten bezeichnet haben.

Wahrscheinlich ist die Lüge so alt wie die Menschheit und wurde geboren, als ein Jäger zum anderen sagte, der Hirsch sei in Richtung Moor geflohen, obwohl er genau wusste, dass das gejagte Tier in den Wald gelaufen ist. Der eine Jäger lief ins Moor und versank, der andere tötete im Wald den Hirsch und konnte damit sich und seine Sippe ernähren. Da somit der Lügner einen evolutionären Vorteil besaß, ist die Lüge aus unserem Leben nicht wegzudenken.

In die politische Theorie hat die Lüge kein geringerer als Niccolò Machiavelli in seinem Meisterwerk „Der Fürst“ eingeführt. Populärer in Deutschland ist allerdings ein Bismarck zugeschriebenes Zitat, wonach niemals mehr gelogen werde als vor den Wahlen, während des Krieges und nach der Jagd. Dabei wird gerne übersehen, dass der Manipulator der Emser Depesche zwar kriegserfahren und durch seine junkersche Herkunft ein begeisterter Jäger, aber auch ein Demokratieverächter war und deshalb sicher kein verlässlicher Gewährsmann für die Gepflogenheiten vor Wahlen ist.

Aber ja, der Lügenbegriff gehört auch zur bundesrepublikanischen Politik. Berühmt die Steuerlüge, als die volkswirtschaftlich sinnvolle Kompensation der Entlastung von direkten durch die Erhöhung indirekter Steuern im Auge der breiten Masse verteufelt werden sollte. Allerdings redet in diesem Wahlkampf niemand von der Entlastungslüge, obwohl dieses Jahr steuerliche Entlastungen für die meisten Steuerzahler durch höhere Sozialabgaben netto mehr als aufgefressen werden. Da ist noch deutlich polemische Luft nach oben.

Ihr Pino

Pino

 

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