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(GZ-4-2025 - 13. Februar)
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Empörungsweltmeister Deutschland

Während in Deutschland die Industrie schwächelt und die Infrastruktur bröckelt, funktioniert eines tadellos: die Empörung. Die Debattenkultur, so der Rathauskater, gleiche einem wütenden Dauerfeuer. Vielleicht wäre weniger Aufregung und mehr Nachdenken manchmal ganz hilfreich.

Deutschland ist ein seltsames Land. Als einziger relevanter Industriestaat in einer tiefen Rezession. Die Produktion bricht ein. Der Export schwächelt. Die Infrastruktur ist marode. Nur eines funktioniert zuverlässig: Die Empörung!

Es scheint so, als wäre dieses Land neuerdings unfähig, eine rationale Diskussion zu führen. Die Emotionen gehen zuverlässig hoch, was auch immer gerade ansteht. Im Bundestag sollte Richtiges beschlossen werden – so jedenfalls die Idee hinter der parlamentarischen Demokratie. Als ein Gesetz zur Abstimmung anstand, das vieles Richtige enthielt – jedenfalls nach der demoskopisch ermittelten Meinung einer Mehrheit der Bevölkerung – kam es zur Katastrophe. Das Tor zur Hölle wurde geöffnet! So die Meinung derjenigen, die nicht das in Angriff nehmen wollen, was die Bevölkerung fordert. Denn auch die Falschen hatten dem richtigen Inhalt zugestimmt.

Das mit der Hölle ist gleich erklärt: Eine der im Bundestag vertretenen extremistischen Parteien ist am rechten Rand des Spektrums verortet. Niemand arbeitet mit ihnen zusammen, niemand will mit ihnen eine Regierung bilden. Da sie aber Dämonen sind, darf nichts mit deren Zustimmung beschlossen werden. Und sei es noch so vernünftig und wichtig. Wenn man als Partei der Mitte nicht aufpasst, wird man automatisch in den Sog der Extremisten gezogen (Stichwort Höllenschlund) und aus Männern und Frauen der demokratischen Mitte werden wahlweise Faschisten oder gleich Nazis.

Die Nazi-Keule geht immer. Je länger die dunklen Jahre vor 1945 vorbei sind, desto inflationärer und damit die richtigen Nazi verharmlosend wird sie geführt. Ein Klassiker ist das Beschmieren von Wahlplakaten mit Hitlerbärtchen. Barzel musste das schon ertragen, Kohl und Strauß. Jetzt Friedrich Merz. Markus Söder hat sich durch eine echte, äußerst kleidsame Manneszier gegen Schmierereien gewappnet. Nicht so einfach hat es Sarah Wagenknecht, deren mit einem Kurzschnäuzer verunziertes Porträt ich vor einigen Tagen am Straßenrand sah. Was will der ideologisch gefestigte Kritzler damit sagen? War Hitler nicht nur Kommunist sondern auch Transperson?

Ich denke wohl zu viel. Das Denken sparen sich jedenfalls die, die tagelang wieder gegen rechts auf die Straßen gingen. Wobei Faschisten natürlich alle diejenigen sind, die sich nicht zu den Parteien links der Mitte bekennen. Nachdem also alle derzeitigen Oppositionsparteien mit Ausnahme der Linken und des BSW Ausgeburten der Hölle darstellen (vgl. Tor zur Hölle etc.), ist es für das ZDF auch legitim, Berichte vom Parteitag der CDU so zu manipulieren, dass die Grenze zur Desinformation überschritten ist, und zu Wahlarenen ausschließlich links sozialisierte Studenten einzuladen. Schließlich muss eine neue Machtergreifung verhindert werden.
Aber die Empörung in der deutschen Politik richtet sich ja nicht nur gegen den Feind im Innern. Da erwägt der amerikanische Präsident einen Vorschlag des ukrainischen Präsidenten Selenskyj aufzugreifen und strategische Bodenschätze gegen Waffen zu tauschen. Empörung bei Kanzler und Außenministerin, obwohl doch damit eines der großen politischen Wunder verbunden sein könnte: Die Ukraine wird für Trump wichtig.
Auch der Vorschlag von Trump, den Gazastreifen in Stil eines Immobilienentwicklers wieder aufzubauen führt bei uns zu nichts anderem als schnappatmender Empörung. Aber Fakt ist doch, dass in Gaza alles zerstört ist, was zerstört sein kann, es dort weder Bodenschätze noch Industrie gibt und ein Aufbau, der darin besteht, nur den Status quo ante mit einer zum Nichtstun und dem Empfangen von Hilfsgütern der UN verurteilten Bevölkerung zu erneuter Radikalisierung und Gewalt führen wird. Warum also bei den Wiederaufbauplänen nicht eine Erwerbsperspektive, den Tourismus, mitdenken?

Ok, die Trumpschen Ideen sind in Reinkultur unausgegoren und wohl Quatsch. Möglicherweise lohnt es sich nicht, darauf allzu viele Gedanken zu verschwenden. Aber statt reflexartiger populistischer Empörung könnten sie doch Denkanstöße geben. Frei nach Woody Allen: „Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten.“

Ihr Pino

Pino

 

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